Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Unternehmerkreis sorgt für Irritationen
Das Bündnis „Zukunft in Not“fordert ein Ende der Russland-sanktionen, den Rücktritt der Regierung und warnt Politiker davor, sie würden „vor dem Volk zu Rechenschaft gezogen“. Einigen Mitgliedern geht das zu weit.
Es begann als Projekt, das auf die Folgen des Corona-lockdowns für Mittelständler in der Region Augsburg aufmerksam machte. Der Unternehmerkreis Zukunft in Not erregte im vergangenen Jahr mit Protestaktionen und Pressekonferenzen einiges an Aufsehen. Zwischenzeitlich war es ruhiger geworden um die Vereinigung. Nun allerdings stellt die Gruppierung erneut Forderungen an die Politik. Sie kritisiert die Sanktionen gegen Russland und fordert den Rücktritt der Regierung. Der Ton in den Forderungen wird rauer – vor allem gegenüber der Politik. Der Unternehmerkreis gibt an, er vertrete die Interessen von rund 680 Firmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern. Doch ist die Gruppe wirklich so groß, wie sie sich selbst macht?
In einem kürzlich versandten Schreiben, das sich unter anderem an den Bundespräsidenten, die Bundesregierung, die Bayerische Landesregierung, alle Bürgermeister und Landräte in Schwaben und „alle Parteien“richtet, fordert der Unternehmerkreis, „sämtliche Sanktionen sofort einzustellen, die unserem eigenen Land schaden“, die Gaspipeline Nordstream 2 sofort zu öffnen und zu reparieren und alle Embargos zu stoppen. „Die Umsetzung unserer Forderungen erwarten wir unverzüglich“, heißt es in dem Brief. Sollte dies nicht geschehen, drohten Konsequenzen. Viele Unternehmen würden ihren Betrieb einstellen müssen, innerhalb kürzester Zeit würden unzählige Unternehmen dauerhaft ruiniert sein. „Die gesamte Wirtschaft bricht zusammen“, heißt es wörtlich.
Auf der Internetseite der Gruppierung, die sich inzwischen Unternehmerkreis Schwaben nennt, ist davon die Rede, dass man mit knapp 700 Unternehmen und Selbstständigen „eine starke Kraft“sei. Überprüfen lassen sich die Zahlen nicht. Denn ein aktuelles Mitgliederverzeichnis oder eine Liste mit aktiven Befürwortern des Forderungsschreibens an die Politik werden auf der Seite nicht veröffentlicht. Das sei auch so gewollt, sagt Stefan Ehle, Inhaber eines Maler
und Lackiererbetriebes in Augsburg und einer der Sprecher des Bündnisses. Er berichtet, einige Mitglieder seien „ziemlich angefeindet worden“, man veröffentliche daher keine Mitgliederliste mehr im Internet. Es gebe aber derzeit 684 Mitglieder, einige aktiv, andere passiv, wie in jeder Vereinigung dieser Art. Ehle sagt, es gebe ein Organisations-kernteam von etwa zehn Leuten, daran habe sich seit der Gründung nichts geändert. Die Lage sei angesichts der steigenden Gaspreise für viele „existenziell“, man finde aber bei der Politik „keinerlei Gehör, das finden viele bei uns“. Die Situation sei für viele Betriebe dramatisch, da müsse man einfach etwas sagen.
Während der Unternehmerkreis auf seiner Internetseite eher allgemeine Ziele und Positionen wie die Vermeidung von Insolvenzen und die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes nennt, sind die Formulierungen in dem Forderungskatalog teils drastisch. Sämtliche Entscheidungsträger „müssen sich bewusst sein, dass sie für ihr unverantwortliches und rücksichtsloses Handeln vor dem Volk zur Rechenschaft gezogen werden“, heißt es etwa. In einem anderen Brief an die regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaft Regio Augsburg Wirtschaft Gmbh kritisiert der Unternehmerkreis deren Einsatz für Klimaschutz und Nachhaltigkeit als „Standortverschrottung“. Um Energie und Kosten zu sparen, solle man die Wirtschaftsförderungsgesellschaft „unverzüglich einstellen und liquidieren“. Das sind Töne, die bei vielen, die ursprünglich einmal auf der Unterstützerliste standen, inzwischen für Irritationen sorgen. Mehrere Unternehmer und Selbstständige, die im Frühjahr 2021 als Mitglied aufgeführt wurden, betonen auf Anfrage unserer Redaktion, mit den aktuellen Positionen und der Gruppierung nichts mehr zu tun zu haben.
„Ich distanziere mich ganz klar von der jetzigen Ausrichtung des Unternehmerkreises“, sagt etwa Theodor Gandenheimer, Direktor des Hotels Maximilian’s. Er sieht sich auch nicht als Mitglied des Bündnisses. Zu Lockdown-zeiten habe man sich lediglich lose mit anderen Unternehmen zusammengeschlossen, um auf eine bestimmte Sache aufmerksam zu machen. „Das heißt aber absolut nicht, dass wir nun hinter allen Aktionen dieses Bündnisses stehen.“Seit Monaten habe er von den Verantwortlichen nichts mehr gehört. Auch das Forderungsschreiben zur Russlandpolitik sei bei ihm nie angekommen. Ähnliches berichtet Alexander Görbing, der in der Stadt ein Pr-büro leitet. Er sagt, er habe „vor langer Zeit“seinen Austritt verkündet, „es ging sehr früh in eine Richtung, die mir nicht gefiel“. Auch der Buchhändler Kurt Idrizovic sagt, er sei schon lange „nicht mehr dabei“.
Andere Unternehmer äußern sich nur anonym und betonen, sie teilten weder uneingeschränkt die Forderungen noch die Art und Weise, wie der Unternehmerkreis damit umgeht. Andere, darunter ehemals sehr aktive Bündnispartner, bezeichnen ihren Mitgliedsstatus mittlerweile als rein passiv oder haben ihre Aktivitäten für das Bündnis aus unterschiedlichen Gründen auf Eis gelegt – was nahe legt, dass die Zahl der tatsächlichen Unterstützer am Ende doch deutlich kleiner ausfallen dürfte. Kommentar