Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Fußball ist für ihn nicht alles
Porträt Luis Enrique trainiert die spanische Nationalelf. Er weiß allerdings nur zu gut, dass es Wichtigeres gibt. Vor wenigen Jahren starb seine Tochter mit nur neun Jahren.
Fußball war nicht einmal mehr die schönste Nebensache der Welt. Als die Ärzte im März 2019 ihre Diagnose stellten, konnte und wollte sich Luis Enrique nicht mehr auf seinen Sport konzentrieren. Tochter Xana war an Knochenkrebs erkrankt – und Enrique ließ sich deshalb an der Seitenlinie von seinem Freund und Assistenten Robert Moreno vertreten. Im Juni schließlich trat er endgültig von seinem Posten als spanischer Nationaltrainer zurück. Im Alter von neun Jahren starb die kleine Xana noch im August des gleichen Jahres.
Und weil das Leben weitergeht, weil es weitergehen muss, spielte kurz darauf der Fußball dann eben doch wieder eine Rolle. Kurzzeitig sogar die Hauptrolle im spanischen Gesellschaftsleben. Die Geschichte brachte ja auch alles mit. Freud, Leid, Freundschaft, Tod. Enrique wollte wieder auf seinen angestammten Posten als Nationaltrainer zurückkehren. Moreno, sein Freund, hatte auch zugesagt, jederzeit für ihn wieder ins zweite Glied zurückzurücken: „Wenn Luis eines Tages zurückkommen will, würde ich erfreut zur Seite treten und mit ihm zusammenarbeiten. Er ist mein Freund, und
Freundschaft kommt vor allem anderen.“
Aber dann stand eine Europameisterschaft bevor. Oder: Schien bevorzustehen. Corona hielt ja auch den Fußball in Geiselhaft. Moreno also wollte erst nach der EM wieder Enriques Assistent werden. Enrique aber wollte sofort zurück. Die Freundschaft der beiden zerbrach. Enrique bezeichnete seinen ehemaligen Freund als „illoyal“. Zusammen hatten sie zuvor auf der Trainerbank mit dem FC Barcelona das Triple aus Champions
League, Pokal und Meisterschaft gewonnen. Für Luis Enrique war die Tätigkeit bei den Katalanen auch eine Rückkehr. Er war bereits als Spieler für Barça aufgelaufen, nachdem er zuvor beim Erzrivalen Real Madrid angestellt war.
Am Sonntag nun trifft Luis Enrique mit seiner Auswahl auf die Elf von Hansi Flick. Ein Sieg– und Deutschland ist vermutlich ausgeschieden, während Spanien im Achtelfinale steht. Mithelfen soll dabei auch der Freund seiner älteren Tochter. Barcelona-star Ferran Torres ist mit Sira liiert. Im ersten Gruppenspiel erzielte er zwei Tore beim 7:0-Sieg gegen Costa Rica. Bei der schönsten Nebensache der Welt.