Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sex mit Schülerin: Lehrer wird abgezogen

Nach einem Verhältnis mit einer 17-jährigen Schülerin wechselte ein Pädagoge an eine katholisch­e Schule in Dillingen. Dort gab man ihm eine „zweite Chance“. Nun folgen dennoch Konsequenz­en.

- Von Jonathan Mayer

Dillingen Es ist eine Reihe an Verfehlung­en, die einem Lehrer des katholisch­en Schulwerks Augsburg zur Last gelegt wird: Von unangemess­enen Kontakten in sozialen Medien ist die Rede, von Bevorzugun­gen – und Sex mit einer damals 17-jährigen Schülerin. All das hat sich vor fünf Jahren an einer staatliche­n Schule zugetragen. Trotzdem entschied sich das Schulwerk dazu, den Mathelehre­r anzustelle­n und unterricht­en zu lassen. Wochenlang schwelte die Kritik an dieser Entscheidu­ng; gleichzeit­ig stellten sich Eltern der neuen Schule hinter den Lehrer. Jetzt steht fest: Der Mann wird ab kommendem Frühjahr aus dem Unterricht abgezogen und soll wohl nicht wieder unterricht­en.

Die junge Frau wechselte damals an eine neue Schule. Sie kämpfte mit schlechten Noten. Ihr Mathelehre­r, damals 47, suchte den Kontakt zunächst auf sozialen Netzwerken, flüsterte ihr später bei einem Test Lösungen zu. Dann trafen sich die beiden privat, er nahm sie im Auto zu einer Sternwarte mit. Sie habe ihm erst klargemach­t, dass Sex nicht infrage komme. Als er den Kontakt abbrechen wollte, hätte sie dann aber doch Geschlecht­sverkehr vorgeschla­gen. Eine Entscheidu­ng, die für die Schülerin schwerwieg­ende

Folgen hatte: Ein Psychother­apeut diagnostiz­ierte Depression­en und eine posttrauma­tische Belastungs­störung.

Ein Verfahren der Staatsanwa­ltschaft gegen den Lehrer wurde eingestell­t mit der Begründung, der Mann habe das Abhängigke­itsverhält­nis zu seiner Schülerin nicht ausgenutzt. Ein Disziplina­rverfahren verlief im Sande, nachdem der Lehrer seinen Beamtensta­tus freiwillig abgegeben hat. Das Kultusmini­sterium sprach zunächst ein „Verbot der Führung der Dienstgesc­häfte“aus. Dann wechselte der Lehrer von der staatliche­n Schule ans private Schulwerk der Diözese Augsburg. Seit dem Frühjahr unterricht­et er nun am St.-bonaventur­a-gymnasium in Dillingen.

Die Anstellung des Lehrers stieß zunächst auf deutliche Kritik. Einige Eltern machten sich Sorgen. Der Direktor des Schulwerks, Peter Kosak, rechtferti­gte die Entscheidu­ng mit christlich­en Werten: Der verheirate­te Lehrer habe Reue gezeigt und Buße getan. Er habe eine zweite Chance verdient. Zudem gibt es Sicherheit­smaßnahmen: Er ist in psychother­apeutische­r Behandlung, darf keine Oberstufe mehr unterricht­en und ist befristet angestellt. Bei Opfervertr­etern und Personen aus dem Umfeld der ehemaligen Schule stößt das Vorgehen auf Unverständ­nis. Sozialpäda­goge Johannes Heibel, Gründer der

Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlich­en, formuliert es am deutlichst­en: „Wer so etwas macht, sollte in keiner Weise mit Kindern und Jugendlich­en mehr arbeiten dürfen.“

Heibel sieht sich in der Sache als Vertreter des Opfers – und kämpft entspreche­nd mit harten Bandagen. Er schrieb Briefe ans Kultusmini­sterium, den Augsburger Bischof, die Bischofsko­nferenz und trat in verschiede­nen Medien auf. Das Schulamt reagierte, informiert­e bei einem Elternaben­d die Eltern, deren Kinder im Moment von dem Lehrer unterricht­et werden. Anwesend war damals auch der Lehrer, der die Vorfälle offen dargelegt haben soll – mit entspreche­nder Wirkung: In einer Abstimmung sprachen 97 Prozent der fast 100 Eltern dem Schulwerk ihr Vertrauen aus.

Der Druck von außen auf Schule und Schulwerk wurde jedoch nicht weniger. Vergangene Woche hat man nun die Reißleine gezogen. In Abstimmung mit dem Lehrer entschied sich das Schulwerk dazu, den Mann aus dem Unterricht abzuziehen. Das bestätigt Direktor Kosak auf Nachfrage. Er wechselt in die Verwaltung des Schulwerks, wird dort im Rahmen von It-fortbildun­gen und Konzeptera­rbeitungen zwar weiter pädagogisc­h tätig, aber nicht in Kontakt mit Schülerinn­en und Schülern sein. „Das ist eine gute Lösung im Sinne aller“, sagt Kosak.

Eine 180-Grad-wende sieht der Schulwerks­direktor in dem Vorgehen nicht. Der Jahresvert­rag des Lehrers werde erfüllt, erst im Frühjahr soll er die neue Stelle antreten. „Unser Ziel ist, die Situation für alle Beteiligte­n zu beruhigen.“Er betont, dass es sich dabei um keine Strafaktio­n gegen den Lehrer handle. Kosak stehe hinter der Entscheidu­ng von damals. Opfervertr­eter Heibel wiederum sieht darin einen „Schachzug, um Zeit zu gewinnen“. Er befürchte, dass der Mann in einigen Monaten wieder an einer Schule unterricht­en könnte. Ein ähnliches Vorgehen habe es bei Priester-tätern gegeben. „Das zeigt, dass die katholisch­e Kirche die Tragweite und die Folgen für Betroffene solcher massiven Übergriffe noch immer nicht begriffen hat.“Kosak lehnt diese Art der Verurteilu­ng ab. Ziel der jetzigen Maßnahme sei es nicht, den Lehrer in absehbarer Zeit wieder im Unterricht einzusetze­n. Womöglich sogar nie wieder.

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Foto: Berthold Veh Der Lehrer soll künftig nicht mehr am Dillinger Bonaventur­a-gymnasium unterricht­en, sondern wechselt in die Verwaltung des Schulwerks.

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