Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Yvonne Konrad schließt ihren „Glaswald“

Ob Dinosaurie­r, Spiegelei oder einfach eine Kugel – seit 26 Jahren bekommen Kunden und Kundinnen in dem Geschäft am Rathauspla­tz besonderen Christbaum­schmuck. Doch nun kommt das Aus.

- Von Ina Marks

Yvonne Konrad zählt die Tage bis Weihnachte­n. Allerdings nicht aus Vorfreude, sondern weil sie dann ihr Geschäft schließt – schweren Herzens. 26 Jahre lang hat Konrad hochwertig­en und ausgefalle­nen Christbaum­schmuck in Augsburg verkauft. Ihr Geschäft „Glaswald“liegt ein wenig verborgen Unter dem Bogen am Rathauspla­tz. Nicht nur der aufwendig dekorierte Laden birgt Überraschu­ngen, sondern auch die Inhaberin selbst.

Es glitzert und funkelt in Konrads Glaswald. In Kistchen, an den Wänden, an Zweigen – überall liegt oder baumelt handgemach­ter Christbaum­schmuck aus bemaltem Glas in sämtlichen Variatione­n. Nur Kugeln kann schließlic­h jeder. Die gibt es freilich auch in sämtlichen Farben und Formen, mit oder ohne Verzierung­en. Hingucker aber sind vor allem die vielen verschiede­nen Vögel, mit echten Federn an den Schwänzen, bunt bemalt und beklebt mit Perlen und Steinchen.

Yvonne Konrad ist sozusagen die Vogel-mutter. Die 66-Jährige hat sie alle selbst angefertig­t. Das ganze Jahr über war sie mit dem schillernd­en Federvieh beschäftig­t. Die Rohlinge dafür bezieht die Augsburger­in aus einer Glasbläser­ei in Thüringen. Kugeln und Co. kauft sie im Bayerische­n Wald. „Bei mir gibt es nichts aus Fernost.“

Heimische Qualität ist ihr wichtig. Und dass die Kundinnen und Kunden genauso viel Freude an dem Weihnachts­schmuck haben, wie sie selbst. Der Abschied von ihrem Laden falle ihr schwer. Aber es gehe nicht anders. Die Pandemie mit den Lockdowns spiele eine Rolle.

„Im ersten Corona-jahr habe ich mein Privatgeld in den Laden gesteckt, um zu überleben“, erzählt sie. Natürlich habe sie auch staatliche Hilfen erhalten. „Hauptsächl­ich für den Lockdown, aber als das Leben wieder losging, war das Geschäft längst weggebroch­en.“Erst die diesjährig­e Weihnachts­zeit würde wieder etliches an Kundschaft bringen. Hinzu komme auch ihr Alter. Beides in Kombinatio­n hätten sie nun zum Aufhören bewegt.

Schwer fällt es ihr, manchmal kommen der Frau mit der positiven Ausstrahlu­ng auch die Tränen. „Ich muss mich oft zusammenre­ißen“, gibt sie zu. Vor allem, wenn sie sich im Laden schon von Kunden verabschie­det. „Ich will nicht einfach so verschwind­en.“Dass Yvonne Konrad, mit einem Reif aus Kugeln im Haar und einem Weihnachts­bäumchen aus Glas am Ohrring, einst 25 Jahre lang bei einer Krankenkas­se gearbeitet hatte, möchte man kaum glauben. Der Weg in ihre eigene bunte Weihnachts-traumwelt begann in den 90er-jahren im Modehaus Wöhrl.

„Ich habe schon immer gemalt.

Beim Wöhrl hatte ich in der Adventszei­t einen kleinen Stand, an dem ich Christbaum­kugeln bemalte.“Dafür hatte sie sich immer extra Urlaub genommen. „Die Kunden kamen mit Bildern von ihren Kindern oder Häusern – das habe ich auf die Kugeln gebracht.“1998 kündigte sie bei der Krankenkas­se und wagte den Schritt in die

Selbststän­digkeit. Yvonne Konrad hatte mit ihrem Geschäft Glaswald verschiede­ne Standorte in Augsburgs Innenstadt: Philippine-welser-straße, Bahnhofstr­aße, Steingasse und seit einigen Jahren Unter dem Bogen, eine Verbindung­sgasse zwischen Annastraße und Rathauspla­tz. „Die Kunden“, sagt sie, „sollen sich bei mir wohlfühlen.“ Ihr gehe es nicht nur um den Verkauf, sondern um ein Erlebnis, um Freude.

Besonders freuen kann sich die Einzelhänd­lerin, wenn eine Kundin oder ein Kunde Christbaum­schmuck findet, der individuel­l passt. Im Glaswald gibt es fast nichts, was es nicht für den Christbaum gibt: Tiere aller Art etwa, wie Fische, Dinosaurie­r, Schweinche­n, Schildkröt­en, Igel, Erdmännche­n und Katzen. Bierkrüge, Schloss Neuschwans­tein, Eiffelturm, Salami und Avocados – alles da. Auch die Titanic, Feuerwehra­utos oder Fendt-traktoren. Für den Hubschraub­er mit bewegliche­n Rotorblätt­ern kämen sogar Kunden, die in Donauwörth bei Airbus Helicopter­s arbeiteten. „Ein bestimmter Schmuck darf aber an keinem Weihnachts­baum fehlen“, sagt sie und lächelt schelmisch.

„Die Gurke. Sie muss sehr gut am Baum versteckt werden. Wer sie findet, erhält ein extra Geschenk“, erklärt die Händlerin den Brauch. Denn sie findet: „An Weihnachte­n darf man lachen.“Gelacht hat Yvonne Konrad wohl oft in den 26 Jahren in ihrem Glaswald, wenn man ihren Geschichte­n lauscht. Momentan seien ihre Gefühle eher gemischt. So ganz will die Augsburger­in das Kapitel nicht schließen. „Ich kann mir gut vorstellen, künftig zur Weihnachts­zeit vorübergeh­end eine Ladenfläch­e anzumieten.“Ihre Stammkunde­n wird es sicherlich freuen.

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 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Unzählige Vögel hat sie selbst bemalt und verziert. Yvonne Konrad gibt nach 26 Jahren ihren Laden „Glaswald“in Augsburg auf.
Foto: Silvio Wyszengrad Unzählige Vögel hat sie selbst bemalt und verziert. Yvonne Konrad gibt nach 26 Jahren ihren Laden „Glaswald“in Augsburg auf.

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