Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Lindner in Erklärungsnot
Als hätte es die FDP nicht schon schwer genug, sägt sie nun auch noch selbst an dem Ast, auf dem sie sitzt. Parteichef Christian Lindner ist mit dem Versprechen in den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen gegangen, mit den Liberalen an der Regierung werde es keine Steuererhöhungen geben. Dieses Versprechen aber kann er jetzt schon nicht mehr halten – die Korrekturen bei der Erbschaftsteuer, nach denen Immobilienvermögen künftig höher bewertet wird als bisher, sind zumindest eine indirekte Steuererhöhung.
Verglichen mit den Milliardenentlastungen, die die Koalition durch den Abbau der kalten Progression beschlossen hat, dürften sich die zusätzlichen Einnahmen aus der neuen Erbschaftsteuer in überschaubaren Grenzen halten. Trotzdem hat Lindner ein Rechtfertigungsproblem, weil an ihm nun das Etikett des Steuererhöhers klebt. Dabei hätte es einen einfachen Weg aus dem Dilemma gegeben: Um nicht wortbrüchig werden zu müssen, hätte der Finanzminister lediglich die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer erhöhen müssen, zum Beispiel von 400.000 Euro für Ehepartner und Kinder auf 500.000 Euro. Wenn Immobilen im Wert steigen, die Freibeträge aber nicht, nutzt das auf lange Sicht nur einem – nämlich dem Staat.