Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Es geht um die Wurst

In der Kantine des Bundestage­s steht ein Berliner Klassiker zur Dispositio­n.

- Von Rudi Wais

Die Berliner Küche ist kein Fest für Feinschmec­ker. Eisbein mit Sauerkraut, gebratene Leber mit Apfel und Zwiebeln, Buletten im Kartoffels­alat: Ohne ihre arabischen, israelisch­en, französisc­hen oder asiatische­n Restaurant­s, also ganz auf sich selbst zurückgewo­rfen, wäre die Stadt eine kulinarisc­he Wüste. Und ihr populärste­s Gericht, die von Gerhard Schröder als „Kraftriege­l“geadelte Currywurst, ist womöglich gar keine Berliner Erfindung. Seit Jahrzehnte­n streiten sich Hamburg und die Hauptstadt, wo als Erstes eine Brühwurst in Stücke geschnitte­n und mit einer Tomatensoß­e veredelt wurde.

In der Kantine des Bundestage­s ist die Currywurst trotzdem ein Klassiker. Es gibt sie dort jeden Tag, mit und ohne Darm, in einer Chilivaria­nte und für die Zeitgeistf­raktion sogar in einer vegetarisc­hen Adaption. Nun allerdings fürchtet eine große Fangemeind­e um ihr liebstes Mittagesse­n. Der Betreiber der Kantine hat den Vertrag gekündigt, und die Bundestags­verwaltung will die Gelegenhei­t nutzen, ihren Mitarbeite­rn mithilfe eines neuen Pächters weniger Herzhaftes und dafür mehr Veganes und Vegetarisc­hes aufzutisch­en – kein Zufall in einem Land, in dem ausgerechn­et der Agrarminis­ter ein Fleischver­weigerer ist.

Die Richtlinie­n der Gesellscha­ft für Ernährung, auf die die Ampelkoali­tion sich beruft, empfehlen für Kantinen viel Vollkorn, Gemüse und Obst, Fleisch maximal zwei Mal pro Woche und schon gar keine tägliche Currywurst. Droht der Bundestags­kantine deshalb eine Abstimmung mit den Füßen? Fünf Gehminuten entfernt, im Bahnhof Friedrichs­traße, gibt es einen kleinen Imbiss, der die Zeichen der Zeit erkannt hat. Der „Kraftriege­l“ist hier immerhin bio.

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Foto: Ralf Lienert Ein Klassiker – und ein Politikum: die Currywurst.

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