Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hinreißend heftig und cool temperiert
Raritäten der Romantik: Der Auftakt des musikalischen Friedberger Advents ist ein aufregender Auftritt der Geigerin Sophie Heinrich, bei dem sie auch süße Klangpralinen serviert.
„Advent ohne Friedberg, das geht nicht“, sagt Sophie Heinrich. Im Schloss gestaltete die Erste Konzertmeisterin der Wiener Symphoniker mit dem ebenfalls international renommierten Pianisten Paul Rivinius ihr traditionelles Konzert.
Das Programm, eine Mischung aus Raritäten der Romantik, ist teils konzipiert infolge der coronabedingten konzertanten Vollbremsungen: „Da hatte ich Zeit, mir individuell etwas einfallen zu lassen.“So brachte sie eine Buchlektüre über Alma und Gustav Mahler dazu, „Lieder für hohe Stimme“in Bearbeitung für Violine und Klavier aufzuführen. Alma vertone Rilke („Bei dir ist es traut“) und Richard Dehmel („Waldseligkeit“) – süße Klangpralinen. In Gustavs „Liebst du um Schönheit“spürte man echten Mahler. Das Duo machte daraus poetische Albumblätter. Die Bearbeitung des Adagiettos aus Mahlers 5. Sinfonie, populär geworden durch Viscontis Thomas-mann-verfilmung „Tod in Venedig“, schloss sich an. Sophie Heinrich zog schöne Bögen, entstanden ist im Gegensatz zur mysteriösen Orchesterfassung, in der sich der Zauber wie fremdbestimmt ereignet, eine noble romantische Sonate.
Originale umrahmten das hübsche Experiment mit unterschiedlichen Stücken. Man wurde in einer Gratwanderung getragen vom Idyll zum Sturm. Die Serenade A-dur für Violine und Klavier von Alexander Zemlinsky (1871 - 1942), ein Jugendwerk des Arnold-schönberg-schülers, noch weit entfernt vom spätromantisch-zwölftonigen Impetus des Lehrers, ist in fünf Sätzen eine Folge von zauberhaften wienerischen Tanz- und Liedszenen, Heurigen-charme. Wie Sophie Heinrich darin ein brillantes Netzwerk an Pizzicato-delikatessen, rhythmischen Neckereien, ein Scherzo in der Mischung etwa aus süffiger Mendelssohn-anmutung („Sommernachtstraum“) und Wagners „Walkürenritt“servierte, war hinreißend heftig, dann wieder cool temperiert, lustvoll ausgekostet.
Am Schluss des Abends erklang ein weiteres Jugendwerk, nämlich des noch berühmteren Richard Strauss. In seines Sonate Es-dur op. 18 ging der durch Routinedienst als 3. Kapellmeister der Münchner Hofoper sich unterfordert fühlende Künstler seinen eigenen Weg. Im Opus des 24-Jährigen ist schon fast alles zu hören, was den späteren Zauberer opulenter Orchesterbilder und Operndramatik verrät. Die Aneignung der klassisch-romantischen Tradition führt weiter zur Vorwegnahme der großen Bühnengeste, mutierend zwischen genussvollem bürgerlichen Behagen und drastischer Exotik. Sophie Heinrich spielte die aufwallenden Ausbrüche, die an „Don Juan“gemahnen, mit einer virtuosen Eskalation, die der ebenfalls hinreißende Pianist noch befeuerte. Der tosende Beifall wurde beruhigt mit Fritz Kreislers „Liebesleid“.