Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Blaue Kappe und Oh Boi: Christoph Steinle wurde vom It-berater zum Wirt

Der 40-Jährige ist einer der prägendste­n Augsburger Restaurant­betreiber. Dabei machte er lange Zeit etwas anderes. Die Corona-pandemie beschreibt er als „harte Jahre“. / Serie

- Von Jan Kandzora

Es gibt Gastronome­n, die quasi in einem Wirtshaus oder einer Bar aufwachsen, von Kindesbein­en an im elterliche­n Betrieb mitarbeite­n und so fest mit der Branche verwurzelt sind, dass es nahezu unmöglich scheint, sie sich in einem anderen berufliche­n Umfeld vorzustell­en. Christoph Steinle ist kein solcher Gastronom. Noch bis 2016 hatte er eine berufliche Karriere als It-berater eingeschla­gen – und hat sich seither doch in relativ kurzer Zeit zu einem der prägendste­n Restaurant-betreiber in Augsburg entwickelt. Seine Bars und Restaurant­s wie das „Oh Boi“oder die „Blaue Kappe“sind beliebt und eigenwilli­g. Dabei begann bei Steinle alles mit einer Leidenscha­ft für Gin.

2015 fing Steinle mit einem Freund zusammen an, den „Augsburg Gin“herzustell­en, zunächst, um ihn an Freunde auszuschen­ken. Doch das Getränk kam so gut an, dass aus dem Hobby bald mehr wurde und der heute 40-Jährige im Mai 2016 seinen bisherigen Beruf aufgab. Einen ersten Gehversuch startete Steinle als Betreiber des Clubs „Bungalow“in Göggingen; es sei ein „Jungs-traum“gewesen, mal einen Club zu haben, sagt er heute. Später gab er den „Bungalow“ab, aber Steinle ist seither als feste Größe in der Augsburger Gastroszen­e etabliert; ihm gehören eine Reihe von Gastro-betrieben in der Stadt entweder mehrheitli­ch oder zumindest anteilig.

Da ist, zum Beispiel, die „Blaue Kappe“in der Innenstadt, am Standort des früheren „Odeon“. Es gibt hier seit 2018 moderne, bürgerlich­e Küche, Wiener Schnitzel und Zwiebelros­tbraten, aber auch gefülltes Hähnchen mit Maronen, Tatar vom Rind, Waldpilz-ricotta. Das „Oh Boi“in der Ludwigstra­ße hat ein völlig anderes Konzept, es gibt Cocktails und asiatische Gerichte. Beide Betriebe gehören Steinle zusammen mit seinem Geschäftsp­artner, dem Koch Benjamin Mitschele. Bei der „Blauen Kappe“ist Steinle Mehrheitse­igentümer der Gmbh, bei „Oh Boi“gehört beiden die Hälfte, hinter der „Alten Liebe“im Bismarckvi­ertel wiederum steht mehrheitli­ch Mitschele, sowohl was die Gesellscha­ftsstruktu­r, als auch was Idee und Umsetzung angeht. Wo wir bei der „Alten Liebe“wären, die noch einmal ein völlig eigenständ­iges Restaurant ist, mit zweigeteil­tem Konzept: ein Bistro einerseits, eine mit einem Michelin-stern ausgezeich­nete Spitzenküc­he anderersei­ts.

Eine Ketten-struktur haben die Restaurant­s nicht, nicht einmal größere Ähnlichkei­t – sie haben nur insofern viel gemein, als man als Kunde merkt, dass es den Machern ernst ist und wie viel Liebe und Arbeit dahinterst­eht. „Von Systemgast­ronomie“, sagt Christoph Steinle, „sind wir weit entfernt“. Was nicht nur Vorteile bringt: Dass schnell mal Personal in einem anderen Restaurant einspringt, sollten dort Kellnerinn­en und Kellner ausfallen, wäre nicht nur schwierig aufgrund der Unterschie­dlichkeit der jeweiligen Betriebe, sondern auch, weil dahinter jeweils eigene Gesellscha­ften stehen. An diesem Vormittag sitzt Steinle in einem Besprechun­gsraum in seinem Büro über dem Restaurant „Blaue Kappe“und erzählt, wie die Lage in seinem kleinen Gastro-reich so ist. Steinle trat in den vergangene­n Jahren oft als Vertreter der Augsburger Clubund Kulturkomm­ission auf, und wer sich mit ihm unterhält, bekommt einen Eindruck, warum; der 40-Jährige ist eloquent und hat etwas zu sagen.

Im Großen und Ganzen, das lässt der 40-Jährige durchblick­en, läuft es gut. Aber er spricht auch offen darüber, wie hart die vergangene­n Jahre waren, wie sehr die staatliche­n Maßnahmen während der Corona-pandemie an den Nerven und den Rücklagen der Gastronome­n in der Stadt zehrten. Mit „Glück und einem fähigen Steuerbera­ter“sei man durchgekom­men, sagt er, aber harte Jahre seien es schon gewesen; ohne staatliche Hilfen wäre es wohl nicht gegangen. Es sei auch nicht leicht, Betriebe runter- und wieder hochzufahr­en. „Es hat viel Kraft gekostet“.

Zuletzt kamen beim 40-Jährigen das „Yard Coffee“in der Ludwigstra­ße und „Hettenbach­45“dazu, eine Event-location. 60 bis 70 Mitarbeite­r sind für Steinle und die unterschie­dlichen Gesellscha­ften tätig. Weitere Betriebe, sagt der Gastronom, seien erst einmal nicht geplant, er wolle die bestehende­n „halten und verbessern“. Aktuell macht ihm, wie den meisten anderen Gastronome­n, der Personalma­ngel in dem Sektor zu schaffen – der auch eine Rolle dabei spielte, dass zum Beispiel die „Blaue Kappe“einen Tag weniger geöffnet hat als vor der Pandemie und auch kein Frühstück mehr anbietet. „Wir haben unsere Konzepte entschlank­t“, sagt Steinle dazu.

Der 40-Jährige selbst ist inzwischen Gastronom durch und durch, und auch privat jemand, der die guten Dinge des Lebens schätzt. Viel Zeit für Hobbys allerdings bleibt neben dem Beruf nicht, zumal er ja noch das Spirituose­n-geschäft hat, das nach wie vor läuft. Pro Woche arbeite er wohl 60 bis 70 Stunden, sagt Steinle. So sei es eben. Eine „klassische Work-life-balance“gebe es nicht. Klagen will er nicht. „Ich bin gerne Gastronom“, sagt er.

Die Restaurant­s haben unterschie­dliche Konzepte

 ?? Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) ?? Christoph Steinle ist Geschäftsf­ührer der Spin und Gin Gmbh, zu der unter anderem August Gin, das Oh Boi und die Blaue Kappe gehören.
Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) Christoph Steinle ist Geschäftsf­ührer der Spin und Gin Gmbh, zu der unter anderem August Gin, das Oh Boi und die Blaue Kappe gehören.

Newspapers in German

Newspapers from Germany