Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bundeswehr hat zu wenig Munition
Im Ernstfall würde sie nur für ein paar Tage reichen. Rasche Abhilfe ist nicht in Sicht.
Berlin Die Bundeswehr hat zu wenige Panzer, Haubitzen und Fregatten. Allein das ist ein Problem. Noch größer wird es dadurch, dass das Kriegsgerät nicht tun kann, wofür es da ist: feuern. Der Bundeswehr mangelt es an Munition. Und zwar in enormen Größenordnungen. Die Nato schreibt eigentlich Vorräte für 30 Kampftage vor. Die Bundeswehr aber hat lediglich Reserven für drei, vielleicht vier oder fünf Tage. Die Schätzungen in Berlin gehen da auseinander.
Im Kanzleramt haben sich deshalb am Montag Beamte aus verschiedenen Ministerien und Vertreter der Rüstungsindustrie getroffen, um der Truppe schnell mehr Kugeln, Granaten und Raketen zu verschaffen. Munitionsgipfel wurde die Veranstaltung getauft, obwohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) selbst ebenso wenig dabei war wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (auch SPD).
Sie weiß spätestens seit Ende Februar, als Russland die Ukraine angriff, wie wenig in den Bunkern auf Reserve liegt. Danach habe Lambrecht aber nicht getan, was sie hätte tun sollen, schimpft der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn: „Ministerin Lambrecht hat versagt. Sie hat es nicht geschafft, rechtzeitig ausreichend Munition für die Bundeswehr zu bestellen“, sagte der Csu-politiker unserer Redaktion. „Deutschland schaut nun in die Röhre und muss sich hinten anstellen.“Der Ukrainekrieg hat die Nachfrage nach Munition international hochgetrieben, auch andere Staaten haben bei Rüstungsunternehmen bestellt und stehen in der Warteschlange vor Deutschland. Der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hält das für ein Versäumnis. „Hätte man am 27. Februar Abnahmegarantien ausgesprochen für Munition und Ersatzteile, die man auf alle Fälle gebraucht hätte, dann wäre vieles schon auf dem Weg“, erklärte Mölling. Deutschland aber sei noch im Friedensbetrieb.
Zum Leidwesen der Militärs lässt sich die Produktion nicht per Knopfdruck hochfahren. Die Firma GIWS etwa hat nach Informationen des Branchendienstes Security Table die Produktion der Artillerie-granaten für die Panzerhaubitze 2000 eingestellt, weil sie von der Bundeswehr jahrelang keine Aufträge bekam. Die Granaten verschießt auch die Ukraine mit den von Deutschland gelieferten Haubitzen, jetzt wird der Nachschub an Geschossen zäh. Der Bundeskanzler verspricht den Ukrainern zwar, dass sie bekommen, was sie brauchen, aber bei der Artilleriemunition könnte es eng werden, ebenso bei den schweren Patronen des Flugabwehrpanzers Gepard.
Kanzler-sprecher Steffen Hebestreit wollte den Munitionsgipfel dann auch bewusst tiefhängen. „Das ist ein Routinetermin auf Beamtenebene“, sagte er. Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt hatte zuvor schon erklärt, dass ein schnelles Auffüllen der Vorräte schwierig werden würde. Man müsse sagen, „dass wir keine vernünftige Rüstungsindustrie haben“, meinte der Scholz-vertraute. „Das ist mehr so Manufaktur, sehr liebevoll zusammengestellt und auch zu entsprechenden Preisen.“
Die SPD sieht die Verantwortung in der Rüstungsbranche, die aus ihrer Sicht nicht erst auf konkrete Aufträge der Verteidigungsministerin hätten warten, sondern von sich aus die Produktion hochfahren sollen. Die Unternehmen wiederum sagen, dass sie nicht ohne Bestellungen loslegen wollen. Die Bundeswehr habe in den vergangenen Jahren so wenig Material eingekauft. Kommentar
„Ministerin Lambrecht hat versagt“
Florian Hahn, CSU