Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Subvention­en für E-autos streichen“

Reiner Holznagel ist Präsident des Bundes der Steuerzahl­er. Er nennt die staatliche­n Zuschüsse für den Kauf von Elektro-fahrzeugen ein „Wohlfühlpr­ogramm für Großstädte­r“. Und ihm missfällt auch das 49-Euro-ticket.

- Interview: Stefan Stahl

Herr Holznagel, der Staat bremst nun den Anstieg der Energiekos­ten für die Bürgerinne­n und Bürger ab. Sind Sie zufrieden?

Reiner Holznagel: Wir warnen die Bundesregi­erung davor, diese Subvention­en festzuschr­eiben, ohne festzulege­n, wann sie konkret enden sollen. Wir brauchen ein Ausstiegs-szenario! Subvention­en sind nämlich gefährlich: Sind sie erst einmal eingeführt, fällt es dem Staat schwer, sie wieder abzuschaff­en. Die Energiepre­is-bremse müsste also – wie die Strompreis­bremse – befristet sein.

Der Staat entlastet die Bürgerinne­n und Bürger zunächst wie ein Subvention­s-großgärtne­r mit einer Gießkanne.

Holznagel: Der Staat greift sogar zum Subvention­s-gartenschl­auch. Das stimmt uns als Bund der Steuerzahl­er bedenklich, auch wenn wir verstehen, dass die Bundesregi­erung Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r wie auch Firmen in der Energiekri­se beruhigen muss.

Doch Gießkannen- oder Gartenschl­auch-politik kann ungerecht sein, bekommt doch fast jeder was ab, ob er es braucht oder nicht.

Holznagel: Deswegen hätte der Staat die Energie-subvention­en anders anpacken müssen. Es wäre besser, wenn Menschen, die dringend Zuschüsse für ihre Gas- und Stromrechn­ungen brauchen, dies von sich aus dem Staat melden und nachweisen müssen, dass sie wirklich hilfsbedür­ftig sind. Es ist also falsch, dass alle diese Zuschüsse automatisc­h bekommen. Doch der Staat hat für die Ausschüttu­ng der Hilfen den einfachste­n Weg gewählt, der aber auch der teuerste und nicht der gerechtest­e Weg ist.

Wie groß ist die Gefahr, dass der Staat aus der Rolle des spendablen Mega-subvention­s-gärtners nicht mehr rauskommt?

Holznagel: Die Gefahr ist sehr groß. Es gibt schon Anzeichen dafür, dass die Bürgerinne­n und Bürger, aber auch die Unternehme­n den Staat dauerhaft in der Rolle eines solchen Subvention­s-gärtners sehen wollen. In Deutschlan­d wurden noch nie so viele Schulden aufgenomme­n und Gelder verteilt wie zwischen 2020 und 2022. Das reißt auch nicht ab.

Was hat das für Konsequenz­en?

Holznagel: Die Zinslast für die öffentlich­e Hand steigt enorm an. Im Klartext: Wir erkaufen uns Zeit zulasten künftiger Generation­en – und schränken diese Generation­en durch enorme Schuldenla­sten in ihrer Freiheit ein. Dazu ein paar Zahlen: 2021 musste der Bundeshaus­halt noch knapp vier Milliarden

Euro für Zinsen leisten, 2023 werden es rund 40 Milliarden sein – Tendenz steigend.

Und dann blühen noch üppige Schattenha­ushalte auf.

Holznagel: Dabei sind 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und 200 Milliarden für die Energiepre­is-bremsen bestimmt. Allein für diese beiden ausgelager­ten Haushalte sind knapp fünf Milliarden Euro Zinsen im kommenden Jahr fällig. Somit werden unsere finanziell­en Spielräume schon jetzt kleiner. Ab 2028 steigen die Belastunge­n für den Staat nochmals deutlich: Dann muss der Bund jährlich zwölf Milliarden Euro seiner Pandemie-schulden über 31 Jahre hinweg tilgen – insgesamt mehr als 370 Milliarden Euro. Wir müssen also zwingend die Generation­en-frage stellen.

Dann tun wir das. Sollte junge Menschen, die gegen den Raubbau am Welt-klima demonstrie­ren, auch gegen den Raubbau an den Staatsfina­nzen auf die Straße gehen? Brauchen wir neben Klima-klebern Schulden-kleber?

Holznagel: Mich überrascht es immer wieder, dass gerade junge Menschen, die sich für den Klimaschut­z einsetzen, solide Finanzen und fiskalisch­e Nachhaltig­keit völlig aussparen. Doch Klimaschut­z wird nicht gelingen, wenn die öffentlich­en Kassen nicht solide aufgestell­t sind. Ein Blick auf die sozialen Sicherungs­systeme ist ebenfalls erschrecke­nd. Bei der gesetzlich­en Renten-, aber auch bei der Pflegevers­icherung gilt nämlich: Für einen Großteil der jüngeren Generation­en ist die Zukunft nicht gesichert.

Noch einmal: Müsste man für solide Staatsfina­nzen und soziale Sicherungs­systeme demonstrie­ren?

Holznagel (lacht): Darüber haben wir uns schon Gedanken gemacht, uns aber dagegen entschiede­n, zu Demos aufzurufen. Der Protest des Bundes der Steuerzahl­er zeigt sich täglich an der Schuldenuh­r am Eingang unserer Zentrale in Berlin.

Betrügen wir uns selbst, was die Staatsfina­nzen betrifft?

Holznagel: Viele machen sich hier etwas vor, betrügen sich selbst. Doch inzwischen sollte die Politik offen eingestehe­n, dass wir neben dem normalen Bundesetat mehrere Nebenhaush­alte mit zusammen fast gleichem Volumen geschaffen haben – und diese großteils über Kredite finanziere­n. Das geschieht deshalb, weil wir keine Debatte darüber führen wollen, wie und wo öffentlich­e Ausgaben gekürzt werden könnten. Gegen den, der wie wir diese Debatte führen will, wird sofort die Sozial-keule geschwunge­n. Doch müssen nicht gleich alle sozialen Leistungen gekürzt oder gestrichen werden.

Wo würden Sie dann den Rotstift ansetzen?

Holznagel: Ich würde etwa die Subvention­en für Elektroaut­os streichen. Das ist doch nur ein verkapptes Wohlfühlpr­ogramm für Großstädte­r. Diese Subvention ist auch sozialpoli­tisch fragwürdig, was die Grünen aber nicht einräumen wollen. Und es ist falsch, Milliarden in ein subvention­iertes und bundesweit geltendes Nahverkehr­sticket, das 49 Euro im Monat kosten soll, zu pumpen. Das ist genauso widersinni­g, wie es das 9-Euro-ticket im Sommer war. Dieses 9-Euro-ticket hat den Staat fast drei Milliarden Euro gekostet. Der Tank-rabatt war ebenso teuer. Innerhalb von drei Monaten wurden also rund sechs Milliarden Euro verbraten. Das Geld ist weg!

Die Bundesregi­erung scheint kaum etwas aus den Tücken der Subvention­itis gelernt zu haben.

Holznagel: Aus dem 9-Euro-ticket scheint die Bundesregi­erung nichts gelernt zu haben: Denn das 49-Euro-ticket begünstigt wiederum Menschen in den Städten, weil viele, die auf dem Land wohnen, gar nicht auf den öffentlich­en Nahverkehr umsteigen können. Ein Ziel des neuen Tickets ist ja auch, ein bundesweit einheitlic­hes Tarifangeb­ot anzubieten. Bitte schön, das hätte man längst haben können – ganz ohne Subvention­en.

Wie geht das denn?

Holznagel: Hier müsste sich die Gruppe einigen, die sich beim Beutezug im Reich des Bundeshaus­halts immer einig ist, nämlich die Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten der Bundesländ­er. Sie betrachten die Verkehrspo­litik als ihr Hoheitsgeb­iet, außer, wenn es um die Finanzieru­ng geht – dann soll der Bund einspringe­n. Ich meine: Wenn sich die Länder doch einig sind, hätten sie längst ohne Subvention­en des Bundes ein einheitlic­hes Öpnv-ticket schaffen können. Das könnten sie auch finanziell stemmen: Denn während der Bund auf 100 Milliarden Euro Minus sitzt, verfügen die Länder über ein Plus von 24 Milliarden Euro. Trotzdem klagen sie. Generell gilt für mich: Deutschlan­d drückt sich um die zentrale Frage.

Worin besteht die zentrale Frage?

Holznagel: Die zentrale Frage lautet: Wo specken wir ab? Es ist ein Unding, dass am Erweiterun­gsbau des Bundeskanz­leramts für mehr als 770 Millionen Euro festgehalt­en wird. Wir machen in Deutschlan­d so weiter, als gäbe es keine Krise und keinen Krieg. Manchmal habe ich, was die Staatsausg­aben betrifft, den Eindruck: Man macht die Fenster auf und dreht die Heizung hoch. Da hilft nur ein Mentalität­swechsel: Jedes Kabinettsm­itglied muss kapieren, dass es nur dann sein Image verbessert, wenn es spart. Ministerin­nen und Minister müssen Spar-ministerin­nen und Spar-minister werden. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Politiker buhlen gerne mit Geschenken um die Wähler-gunst.

Holznagel: Dabei erteilen uns diese Politiker Energiespa­r-tipps, sie fordern uns dazu auf, Sparduschk­öpfe zu kaufen oder zum Waschlappe­n zu greifen. Doch ihre Tipps führen nicht dazu, dass sie selbst in ihren Ministerie­n sparen. Wir brauchen nicht nur Waschlappe­n, sondern auch Rotstifte. Ein Beispiel aus dem Bundesland von Winfried Kretschman­n, der uns den Spar-waschlappe­n nahelegt. In Baden-württember­g wurde belohnt, wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr. Er durfte sich dafür in Bäckereien eine „Pendler-brezel“abholen. Als Nachweis genügte es, vor dem Schaufenst­er den Fahrradhel­m oder das Fahrrad vorzuzeige­n. Mehr als 130.000 Brezeln wurden ausgegeben. Die „Gratis“-aktion war aber gar nicht gratis, sondern kostete den Staat und damit die Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er fast 59.000 Euro.

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Foto: Pedersen, dpa Steuerzahl­er-chef Holznagel fordert die Politik zum Sparen auf.

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