Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Subventionen für E-autos streichen“
Reiner Holznagel ist Präsident des Bundes der Steuerzahler. Er nennt die staatlichen Zuschüsse für den Kauf von Elektro-fahrzeugen ein „Wohlfühlprogramm für Großstädter“. Und ihm missfällt auch das 49-Euro-ticket.
Herr Holznagel, der Staat bremst nun den Anstieg der Energiekosten für die Bürgerinnen und Bürger ab. Sind Sie zufrieden?
Reiner Holznagel: Wir warnen die Bundesregierung davor, diese Subventionen festzuschreiben, ohne festzulegen, wann sie konkret enden sollen. Wir brauchen ein Ausstiegs-szenario! Subventionen sind nämlich gefährlich: Sind sie erst einmal eingeführt, fällt es dem Staat schwer, sie wieder abzuschaffen. Die Energiepreis-bremse müsste also – wie die Strompreisbremse – befristet sein.
Der Staat entlastet die Bürgerinnen und Bürger zunächst wie ein Subventions-großgärtner mit einer Gießkanne.
Holznagel: Der Staat greift sogar zum Subventions-gartenschlauch. Das stimmt uns als Bund der Steuerzahler bedenklich, auch wenn wir verstehen, dass die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch Firmen in der Energiekrise beruhigen muss.
Doch Gießkannen- oder Gartenschlauch-politik kann ungerecht sein, bekommt doch fast jeder was ab, ob er es braucht oder nicht.
Holznagel: Deswegen hätte der Staat die Energie-subventionen anders anpacken müssen. Es wäre besser, wenn Menschen, die dringend Zuschüsse für ihre Gas- und Stromrechnungen brauchen, dies von sich aus dem Staat melden und nachweisen müssen, dass sie wirklich hilfsbedürftig sind. Es ist also falsch, dass alle diese Zuschüsse automatisch bekommen. Doch der Staat hat für die Ausschüttung der Hilfen den einfachsten Weg gewählt, der aber auch der teuerste und nicht der gerechteste Weg ist.
Wie groß ist die Gefahr, dass der Staat aus der Rolle des spendablen Mega-subventions-gärtners nicht mehr rauskommt?
Holznagel: Die Gefahr ist sehr groß. Es gibt schon Anzeichen dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen den Staat dauerhaft in der Rolle eines solchen Subventions-gärtners sehen wollen. In Deutschland wurden noch nie so viele Schulden aufgenommen und Gelder verteilt wie zwischen 2020 und 2022. Das reißt auch nicht ab.
Was hat das für Konsequenzen?
Holznagel: Die Zinslast für die öffentliche Hand steigt enorm an. Im Klartext: Wir erkaufen uns Zeit zulasten künftiger Generationen – und schränken diese Generationen durch enorme Schuldenlasten in ihrer Freiheit ein. Dazu ein paar Zahlen: 2021 musste der Bundeshaushalt noch knapp vier Milliarden
Euro für Zinsen leisten, 2023 werden es rund 40 Milliarden sein – Tendenz steigend.
Und dann blühen noch üppige Schattenhaushalte auf.
Holznagel: Dabei sind 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und 200 Milliarden für die Energiepreis-bremsen bestimmt. Allein für diese beiden ausgelagerten Haushalte sind knapp fünf Milliarden Euro Zinsen im kommenden Jahr fällig. Somit werden unsere finanziellen Spielräume schon jetzt kleiner. Ab 2028 steigen die Belastungen für den Staat nochmals deutlich: Dann muss der Bund jährlich zwölf Milliarden Euro seiner Pandemie-schulden über 31 Jahre hinweg tilgen – insgesamt mehr als 370 Milliarden Euro. Wir müssen also zwingend die Generationen-frage stellen.
Dann tun wir das. Sollte junge Menschen, die gegen den Raubbau am Welt-klima demonstrieren, auch gegen den Raubbau an den Staatsfinanzen auf die Straße gehen? Brauchen wir neben Klima-klebern Schulden-kleber?
Holznagel: Mich überrascht es immer wieder, dass gerade junge Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, solide Finanzen und fiskalische Nachhaltigkeit völlig aussparen. Doch Klimaschutz wird nicht gelingen, wenn die öffentlichen Kassen nicht solide aufgestellt sind. Ein Blick auf die sozialen Sicherungssysteme ist ebenfalls erschreckend. Bei der gesetzlichen Renten-, aber auch bei der Pflegeversicherung gilt nämlich: Für einen Großteil der jüngeren Generationen ist die Zukunft nicht gesichert.
Noch einmal: Müsste man für solide Staatsfinanzen und soziale Sicherungssysteme demonstrieren?
Holznagel (lacht): Darüber haben wir uns schon Gedanken gemacht, uns aber dagegen entschieden, zu Demos aufzurufen. Der Protest des Bundes der Steuerzahler zeigt sich täglich an der Schuldenuhr am Eingang unserer Zentrale in Berlin.
Betrügen wir uns selbst, was die Staatsfinanzen betrifft?
Holznagel: Viele machen sich hier etwas vor, betrügen sich selbst. Doch inzwischen sollte die Politik offen eingestehen, dass wir neben dem normalen Bundesetat mehrere Nebenhaushalte mit zusammen fast gleichem Volumen geschaffen haben – und diese großteils über Kredite finanzieren. Das geschieht deshalb, weil wir keine Debatte darüber führen wollen, wie und wo öffentliche Ausgaben gekürzt werden könnten. Gegen den, der wie wir diese Debatte führen will, wird sofort die Sozial-keule geschwungen. Doch müssen nicht gleich alle sozialen Leistungen gekürzt oder gestrichen werden.
Wo würden Sie dann den Rotstift ansetzen?
Holznagel: Ich würde etwa die Subventionen für Elektroautos streichen. Das ist doch nur ein verkapptes Wohlfühlprogramm für Großstädter. Diese Subvention ist auch sozialpolitisch fragwürdig, was die Grünen aber nicht einräumen wollen. Und es ist falsch, Milliarden in ein subventioniertes und bundesweit geltendes Nahverkehrsticket, das 49 Euro im Monat kosten soll, zu pumpen. Das ist genauso widersinnig, wie es das 9-Euro-ticket im Sommer war. Dieses 9-Euro-ticket hat den Staat fast drei Milliarden Euro gekostet. Der Tank-rabatt war ebenso teuer. Innerhalb von drei Monaten wurden also rund sechs Milliarden Euro verbraten. Das Geld ist weg!
Die Bundesregierung scheint kaum etwas aus den Tücken der Subventionitis gelernt zu haben.
Holznagel: Aus dem 9-Euro-ticket scheint die Bundesregierung nichts gelernt zu haben: Denn das 49-Euro-ticket begünstigt wiederum Menschen in den Städten, weil viele, die auf dem Land wohnen, gar nicht auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen können. Ein Ziel des neuen Tickets ist ja auch, ein bundesweit einheitliches Tarifangebot anzubieten. Bitte schön, das hätte man längst haben können – ganz ohne Subventionen.
Wie geht das denn?
Holznagel: Hier müsste sich die Gruppe einigen, die sich beim Beutezug im Reich des Bundeshaushalts immer einig ist, nämlich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer. Sie betrachten die Verkehrspolitik als ihr Hoheitsgebiet, außer, wenn es um die Finanzierung geht – dann soll der Bund einspringen. Ich meine: Wenn sich die Länder doch einig sind, hätten sie längst ohne Subventionen des Bundes ein einheitliches Öpnv-ticket schaffen können. Das könnten sie auch finanziell stemmen: Denn während der Bund auf 100 Milliarden Euro Minus sitzt, verfügen die Länder über ein Plus von 24 Milliarden Euro. Trotzdem klagen sie. Generell gilt für mich: Deutschland drückt sich um die zentrale Frage.
Worin besteht die zentrale Frage?
Holznagel: Die zentrale Frage lautet: Wo specken wir ab? Es ist ein Unding, dass am Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts für mehr als 770 Millionen Euro festgehalten wird. Wir machen in Deutschland so weiter, als gäbe es keine Krise und keinen Krieg. Manchmal habe ich, was die Staatsausgaben betrifft, den Eindruck: Man macht die Fenster auf und dreht die Heizung hoch. Da hilft nur ein Mentalitätswechsel: Jedes Kabinettsmitglied muss kapieren, dass es nur dann sein Image verbessert, wenn es spart. Ministerinnen und Minister müssen Spar-ministerinnen und Spar-minister werden. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Politiker buhlen gerne mit Geschenken um die Wähler-gunst.
Holznagel: Dabei erteilen uns diese Politiker Energiespar-tipps, sie fordern uns dazu auf, Sparduschköpfe zu kaufen oder zum Waschlappen zu greifen. Doch ihre Tipps führen nicht dazu, dass sie selbst in ihren Ministerien sparen. Wir brauchen nicht nur Waschlappen, sondern auch Rotstifte. Ein Beispiel aus dem Bundesland von Winfried Kretschmann, der uns den Spar-waschlappen nahelegt. In Baden-württemberg wurde belohnt, wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr. Er durfte sich dafür in Bäckereien eine „Pendler-brezel“abholen. Als Nachweis genügte es, vor dem Schaufenster den Fahrradhelm oder das Fahrrad vorzuzeigen. Mehr als 130.000 Brezeln wurden ausgegeben. Die „Gratis“-aktion war aber gar nicht gratis, sondern kostete den Staat und damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fast 59.000 Euro.