Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Union will Klima-gas unter die Erde bringen
Wo früher Kohle fressende Lokomotiven gebaut wurden, wird heute an der Lösung des Kohlendioxid-problems gearbeitet. CDU und CSU wollen der Ampel Dampf machen, die Speichertechnik auch in Deutschland zu erlauben.
Berlin Jens Spahn hat die Halbschuhe gegen Stahlkappen-treter getauscht. Schließlich wird in den alten Backsteinhallen in Berlin-tegel mit schweren Stahlteilen hantiert. Und das seit Langem: Einst wurden hier eiserne Ungetüme zusammengenietet, die, befeuert mit Unmengen von Kohle, durch die Lande schnauften, dampfende, rauchende, rußende Boten einer neuen Zeit. Entstanden als Teil des 1837 gegründeten Dampflokomotiven-imperiums von August Borsig, atmet das Gemäuer bis heute den Geist der Ära der Industrialisierung. Doch der CDU-MANN, in der Unionsfraktion für Wirtschaft, Energie und Klima zuständig, ist nicht hier, um in Malocher-nostalgie zu schwelgen. Zusammen mit anderen Klimapolitikerinnen und Klimapolitikern geht es ihm vielmehr um die Schattenseite des Maschinenzeitalters: Den Hunger nach fossilen Brennstoffen, der die Menschheit an den Rand der Klima-katastrophe geführt hat. Im früheren Borsig-werk liegt nach Meinung Spahns einer der Schlüssel, den Kollaps noch abzuwenden.
Statt Kohle fressender Lokomotiven werden dort nun Maschinen gefertigt, die dabei helfen könnten, das Kohlendioxid-problem in den Griff zu bekommen. Die heutige Niederlassung der Augsburger Firma MAN Energy Solutions ist laut Vorstandschef Uwe Lauber einer der Weltmarktführer für Hochleistungskompressoren. Die Millionen Euro teuren Apparate mit hochpräzisen Schwungrädern und Trieben aus Stahl verdichten Gase um ein Mehrfaches, um es transportieren und speichern zu können. Das funktioniert auch mit dem Treibhausgas, das bei der Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas in Fahrzeugen, Fabriken oder Heizungen entsteht. Die Idee, Kohlendioxid bei industriellen Prozessen abzuscheiden und in unterirdische Speicher zu pressen ist nicht neu, wird in vielen Ländern erprobt. Doch in Deutschland ist die Technik faktisch verboten, es gibt massive Bedenken etwa in Sachen Gewässerschutz. Zudem fürchten Kritiker, die Co-speicherung könne als Feigenblatt dienen, um weiter fossile Brennstoffe zu nutzen. Für Spahn hingegen ist sie „eine wichtige Lösung im Kampf für Co-neutralität“. Von Umweltministerin Steffi Lemke und Energieminister Robert Habeck, beide von den Grünen, fordert er „ein Ende des Verbots in Deutschland“.
Gerade, sagen auch Anja Weisgerber (CSU) und CDU-VIZE Andreas Jung, sei auf der Weltklimakonferenz in Ägypten deutlich geworden, wie schwer es werde, die Ziele des Pariser Abkommens zur Begrenzung der globalen Erwärmung zu erreichen. Die Menschheit müsse den Kampf gegen den Klimawandel mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln führen, das betone der Weltklimarat. Mehr Sonnenenergie, mehr Windkraft und weniger Waldzerstörung seien unerlässlich, aber auch die Cospeichertechnik könne einen wertvollen Beitrag leisten, so der Tenor in der Unionsfraktion.
Aufsehen erregte Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Störe mit dem Angebot, er könne in ehemaligen Gas- und Öl-lagerstätten unter der Nordsee Teile des europäischen Kohlendioxids sicher speichern und so den Weg zur Klimaneutralität beschleunigen. Für Weisgerber eine gute Idee: „Wie die Technik sicher und umweltschonend funktioniert, zeigen uns die Erfahrungen in Norwegen. Die Bundesregierung darf sich dieser Technologie nicht verschließen.“Jung verweist auf Industriebereiche, in denen bestimmte Coemissionen gar nicht vermieden werden könnten, etwa bei der Zementoder Stahlherstellung und in der Chemie. Wer sich also gegen die Abscheide- und Speichertechnik stelle, „stellt unseren Wirtschaftsstandort infrage“, kritisiert er die Bundesregierung. Jens Spahn sagt, es sei unverständlich, dass eine Technologie, in der deutsche Unternehmen Weltmarktführer seien, ausgerechnet in Deutschland nicht genutzt werde. Die Union werde ihr „in der politischen Debatte den Weg bahnen“, kündigt er an. Dann zieht er die Sicherheitsschuhe wieder aus.