Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Tina Rupprecht darf endlich wieder boxen
Die Augsburgerin will am 10. Dezember in Heilbronn ihren Weltmeistertitel verteidigen. 500 Tage sind seit ihrem letzten Kampf vergangen. Sportlich wie finanziell wird die Veranstaltung ein Kraftakt.
Es geht familiär zu im Augsburger Boxstall Haan. Cheftrainer Alexander Haan hat seinen kleinen Sohn auf dem Arm. Der bekommt gerade Zähne und ist dementsprechend mies gelaunt. Davon abgesehen ist die Stimmung aber prächtig, denn das Aushängeschild der Haans, Boxerin Tina Rupprecht, darf endlich wieder kämpfen. Gegnerin ist am 10. Dezember die Peruanerin Rocio Gaspar. Es geht um Rupprechts Weltmeister-gürtel.
Nun gehört zu den Besonderheiten des Boxsports, dass es dort Weltmeister und auch Weltmeisterinnen in Hülle und Fülle gibt. Jeder der zahlreichen Verbände, insgesamt gibt es fast ein Dutzend, vergibt den Titel in noch zahlreicheren Gewichtsklassen. In diesem inflationären Geschäft lohnt also ein Blick auf den Verband, dessen Gürtel ein Weltmeister sein Eigen nennen darf. Tina Rupprecht ist seit Juni 2018 Weltmeisterin im Minimumgewicht des World Boxing Council, kurz WBC. Das ist der bekannteste Boxverband der Welt und gehört mit WBA, WBO und IBF auch zu den vier größten. Dementsprechend begehrt sind dessen Weltmeister-gürtel. Und dementsprechend ungern würde Rupprecht den ihrigen abgeben. „Aber damit beschäftige ich mich gar nicht. Ich gehe nicht in den Kampf, um ihn nicht zu verlieren. Ich will ihn gewinnen.“
Rund 500 Tage werden vergangenen sein, wenn Rupprecht am 10. Dezember in der Heilbronner Römerhalle wieder in den Ring steigt. Ihr bis dahin letzten Kampf bestritt die 30-jährige Augsburgerin am 24. Juli des vergangenen Jahres. 2:1 nach Punkten gewann sie damals in Königsbrunn bei Augsburg gegen die Mexikanerin Katia Gutiérrez. Seitdem platzten aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder geplante Kämpfe. Auch der von Rupprecht seit langem angepeilte Vereinigungskampf gegen die Weltmeisterin eines anderen großen Verbandes kam (noch) nicht zustande.
Der Kampf gegen Gaspar ist eine freiwillige Titelverteidigung, wie Rupprecht sagt. „Ich wollte unbedingt in diesem Jahr noch kämpfen, egal was kommt.“Die Peruanerin steht im Ranking des WBC auf Platz vier, ist also eine durchaus ernst zu nehmende Gegnerin. Allzu viel wissen Rupprecht und ihr Trainer aber nicht über „La Bebé“(das Baby), wie Gaspar sich selbst nennt. Gerade mal ein Kampf-video habe man zur Verfügung. Das hat Haan genau analysiert und seine Schlüsse gezogen.
Welche, das will er nicht verraten. Allzu viel soll sich ohnehin niemand aus seinem Lager auf die Gegnerin konzentrieren. „Keiner weiß, wie sie dann tatsächlich kämpfen wird. Wir wollen unser Ding machen und müssen dann eben auf sie reagieren.“Wie in einem großen Schrank habe man dafür jede Menge Schubladen, in jeder befindet sich eine mögliche Variante. Während des Kampfs entscheidet dann der Trainer, in welche Schublade seine Boxerin greifen soll. „Das sind kurze Kommandos und Tina weiß sofort, was sie zu tun hat. Das ist ein bisschen wie in der Augsburger Puppenkiste. Ich ziehe an den Fäden und sie macht hoffentlich das, was ich will“, erklärt Haan mit einem breiten Grinsen, während er seinem Sohn die Nase putzt.
Rupprecht geht mit dem Kampf nicht nur sportlich ein Risiko ein. Auch finanziell ist es ein Drahtseilakt. Denn als Gastgeberin muss sie Reise und Aufenthalt der Gegnerin finanzieren. Das geschieht vor allem über Sponsoren, die im Frauenboxen aber eher rar gesät sind, und ihre Kampfbörse. „Ich hoffe, dass wir plus/minus Null raus kommen“, sagt Rupprecht. Ihr Kampf ist einer von zwei Hauptkämpfen eines ganzen Boxabends. Nach ihr geht es noch um den Wbo-global-titel der Männer im Mittelgewicht.
900 Zuschauerinnen und Zuschauer passen in die Halle. Darunter dürfte dann auch wieder ein ganzer Schwung aus Augsburger sein, die „Tiny Tina“, so Rupprechts Kampfname unterstützen. Für die soll das Duell mit der Peruanerin eine Durchgangsstation auf dem Weg zum zweiten Wmgürtel sein. Hinter den Kulissen werde schon eifrig darüber verhandelt. Spruchreif ist aber noch nichts, denn erst einmal wartet „La Bebé“.