Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ex-chef der AFD von Beleidigungsvorwurf freigesprochen
Wegen eines Kommentars über die „Partei“-stadträtin Lisa Mcqueen wurde der ehemalige Vorsitzende der Augsburger AFD, Steffen Müller, zunächst wegen Beleidigung verurteilt. Er ging in Berufung – mit Erfolg.
Was ist im politischen Schlagabtausch noch erlaubt, wann werden Grenzen überschritten? Erneut hat ein Gericht diese heikle Frage zu entscheiden gehabt. Anlass bot ein Facebook-beitrag des damaligen Augsburger Afd-vorsitzenden Steffen Müller. Im September 2020 hatte Müller über Stadträtin Lisa Mcqueen - sie hatte im Kommunalwahlkampf für „Die Partei“als Obkandidatin kandidiert - geschrieben: Die Stadträtin sei „maximalpigmentiert“, „weiblich biologisch“und inhaltlich gesehen „ein dünnes Brett.“Doch anders als vor einem Jahr das Amtsgericht sprach jetzt eine Strafkammer des Landgerichts den 56-Jährigen vom Vorwurf der Beleidigung frei.
Dies sei jedoch für beide Parteien kein Freibrief, mahnte Richterin Tanja Horvath im Urteil. Es komme immer auf den Einzelfall an. Der Fall war im Herbst 2020 in den sozialen Medien und im Augsburger Stadtrat auf breite Empörung gestoßen. Die Entgleisung mache sie „sprachlos“sagte Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) im Stadtrat. Sie sicherte der Betroffenen ihre Unterstützung zu. Augsburger Stadträte sprachen von „ekelhafter, rassistischer Hetze“. Aufgrund einer Strafanzeige der Kommunalpolitikerin durchsuchte die Polizei Müllers Wohnung und beschlagnahmte sein Handy und Laptop.
Wie jetzt in der Verhandlung zur Sprache kam, hatte die AFD den Facebook-eintrag nach vier Stunden wieder aus dem Netz genommen. Doch da war dieser längst in der Internetwelt unterwegs. Auch sie selbst habe die Afd-schmähungen publiziert, sagte Lisa Mcqueen als Zeugin. „Die Leute sollen doch mitbekommen, was sich hinter der AFD verbirgt.“Müller überließ es in der Verhandlung seinem Verteidiger Moritz Bode, zu erläutern, was ihn zu dem Facebook-beitrag bewogen hatte. Demnach hatte er sich über den Vorwurf eines Mitglieds der Augsburger Satirepartei geärgert, wonach in der AFD Rassisten und Nazis versammelt seien. Mit der Weiterverbreitung der Aussage seines Mandanten hat für Anwalt Bode die Satirepartei selbst den Beleg dafür geliefert, dass solche Angriffe zum politischen Schlagabtausch gehören.
Anders als im ersten Prozess ließ die Anklage vor dem Landgericht den Vorwurf der Volksverhetzung fallen, sah aber die Beleidigung als bewiesen. Staatsanwältin Verena Dorn-haag sagte: „Im politischen Schlagabtausch ist der Angeklagte übers Ziel hinausgeschossen.“Stadträtin Mcqueen auf Hautfarbe und Geschlecht zu reduzieren, sei beleidigend. Hier überwiege der Ehrschutz, zumal sie an der Auseinandersetzung, die sich an dem Augsburger Klimacamp entzündet hatte, nicht beteiligt gewesen war. Die Staatsanwältin beantragte eine Geldstrafe von 11.000 Euro.
Das Gericht sah es aber anders als die Staatsanwaltschaft - deshalb folgte der Freispruch. Richterin Horvath wies im Urteil auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hin. Für den EUGH sind die Grenzen demnach weit zu ziehen, wann der politische Schlagabtausch strafwürdig wird. Nach dem Richterspruch ist der frühere Afd-vorsitzende von der Justiz für Nachteile, die ihm aus der Wohnungsdurchsuchung von Laptop und Handy entstanden sind, finanziell zu entschädigen.