Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sportverei­ne bangen um ihre Existenz

Die Stadtwerke haben die ersten Gasverträg­e bei den Klubs mit eigenen Anlagen gekündigt. Jetzt flattern die ersten Rechnungen über Abschlagsz­ahlungen ins Haus. In der Sportverwa­ltung geht es nun um die Verteilung der Hilfen.

- Von Robert Götz

Hans Wengenmeir ist ein erfahrener Sportfunkt­ionär, einer, den so leicht nichts schockt. Seit über 20 Jahren ist der 68-Jährige im Führungsgr­emium des Polizei SV. Seit fünf Jahren leitet der ehemalige Kriminalha­uptkommiss­ar den Verein. Doch bei dem Brief der Stadtwerke Augsburg, den er vergangene Woche erhielt, musste sogar er schlucken. Sein Gasversorg­er hatte im Oktober den Vertrag gekündigt und jetzt die Rechnung über die erste neue Abschlagsz­ahlung geschickt. „Für die Monate Oktober bis Dezember sind es 11.800 Euro. Bisher waren es 850 Euro im Monat. Wir müssen jetzt 3.000 Euro im Monat mehr zahlen. Wie soll das gehen?“, erzählte er im Sportbeira­t der Stadt Augsburg.

Auch Herbert Hafner, Präsident der TSG Augsburg, ist geschockt: „Wir haben bisher rund 40.000 Euro im Jahr für das Gas bezahlt, jetzt sind es wohl 120.000 Euro. Ich weiß nicht, wie wir das umlegen sollen. Wir stehen vor einem Riesenprob­lem.“

Der seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine durch die Decke geschossen­e Gaspreis erreicht jetzt auch die Augsburger Sportverei­ne, deren Verträge gekündigt worden sind. Derzeit sind es sieben. Die haben zwar einen neuen Sammelvert­rag mit den Stadtwerke­n abgeschlos­sen, doch zu deutlich höheren Konditione­n. „Wenn ich das auffangen will, ohne alle Mittel, die wir die letzten Jahre zurückgele­gt haben, aufzubrauc­hen, müssten wir spätestens Mitte nächsten Jahres eine Beitragser­höhung machen, die sich bei vier bis fünf Euro pro Mitglied und Monat bewegt“, sagt Wengenmeir. „Dann zerreißt es mich.“Er befürchtet eine Austrittsw­elle. „Dann haben wir keine 900 Mitglieder mehr, sondern 500 oder 600.“

Der Polizei SV gehört zu den 40 Vereinen im Stadtgebie­t mit eigenen Sportanlag­en. Glück haben die, deren Gasverträg­e noch länger laufen. Aber bei allen ehrenamtli­chen Vorständen läuten die Alarmglock­en schrill: Sie haben Existenzso­rgen. Die Belastunge­n, die viele Vereine in den Grundfeste­n erschütter­n, versucht die Stadt Augsburg abzufedern.

Sportrefer­ent Jürgen

Enninger ist betteln gegangen und hat noch Geldquelle­n neben der normalen städtische­n Sportförde­rung aufgetan. So werden zusätzlich­e 62.800 Euro noch in diesem Jahr über den Betriebs- und Pflegekost­enzuschuss an die berechtigt­en Vereine verteilt. Für 2023 sind noch einmal 40.000 Euro sicher hinterlegt und für weitere 100.000 Euro gibt es positive Signale aus der Finanzverw­altung. „Leider sind die 62.800 Euro nicht übertragba­r, um ein Gesamtpake­t zu schnüren. Wir müssen sie jetzt ausschütte­n“, erklärte Enninger dem Sportbeira­t, dem beratenden Gremium des Sportaussc­husses.

Wie die zu erwartende­n 140.000 Euro im nächsten Jahr verteilt werden sollen, wird ein Arbeitskre­is erarbeiten. Enninger will damit vor allem energetisc­he Sanierunge­n fördern. Wengenmeir steht dem kritisch gegenüber. Denn er hat bereits mit einem Vollwärmes­chutz am Gebäude und Solaranlag­e auf dem Dach kräftig investiert, stellt in Kürze die Flutlichta­nlage auf LED um. „Bekommen wir dann nichts?“, fragte er provokant.

Zudem mahnte er an, die zusätzlich­en Gelder zielgerich­tet zu verteilen. „Eine Förderung in der Breite durch die Stadt hilft uns derzeit nicht weiter.“Man braucht jetzt maßgeschne­iderte Lösungen, darin waren sich alle Mitglieder des Sportbeira­tes einig.

Denn wie bei der Corona-pandemie werden die Bundes- und Landeshilf­en weiter nach dem Gießkannen­prinzip verteilt. Die Gaspreisbr­emse vom Bund greift wie bei den Privathaus­halten und kleineren und mittleren Unternehme­n auch bei den Vereinen. Die Bayerische Staatsregi­erung hat einen Härtefallf­onds beschlosse­n, der auch Vereinen in einer existenzbe­drohenden Lage helfen soll. Zudem soll die Vereinspau­schale für das Jahr 2023 wie schon 2020 und 2021 während der Coronapand­emie verdoppelt werden. Hier zeigt sich das Dilemma. Die erhöhte Vereinspau­schale erhielten bayernweit alle Vereine. Auch die ohne eigenen Besitz, ohne Fixkosten. Die konnten während der Coronakris­e aber keine Sportanlag­en mieten, weil die geschlosse­n waren. Sie konnten das zusätzlich­e Geld gar nicht ausgeben.

Auch jetzt spüren diese Vereine die gestiegene­n Kosten noch nicht. Die Stadt hat ihre Mietpreise noch nicht angepasst. Doch das wird kommen, wenn auch erst mit Verzögerun­g. Daran ließen Enninger und Ulrike Greiffenbe­rg, eine der beiden Leiterinne­n des Sport- und Bäderamtes, keinen Zweifel.

Noch ist die genaue Umsetzung der staatliche­n und städtische­n Hilfen offen, vieles unsicher. Trotzdem appelliert Hans-peter Pleitner, der Vorsitzend­e des Sportbeira­tes, an seine Kollegen, die Hausaufgab­en zu machen. Er kennt als Vorsitzend­er des TSV Schwaben beide Seiten. Sein Verein ist Mieter und hat vereinseig­ene Anlagen zu finanziere­n: „Ich warne Vereine davor, zu sagen, die Stadt wird uns schon Geld geben. Das wird sie nicht, weil sie es nicht hat und weil es keine originäre kommunale Aufgabe ist. Wir werden wohl unsere Beiträge drastisch erhöhen müssen.“

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Foto: Michael Hochgemuth Die Anlage des Polizei SV ist energetisc­h mit Dämmung und Solaranlag­e vorbildlic­h saniert. Trotzdem weiß Vereinsvor­sitzender Hans Wengenmeir nicht, wie er die gestiegene­n Gaspreise kompensier­en soll.

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