Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sportvereine bangen um ihre Existenz
Die Stadtwerke haben die ersten Gasverträge bei den Klubs mit eigenen Anlagen gekündigt. Jetzt flattern die ersten Rechnungen über Abschlagszahlungen ins Haus. In der Sportverwaltung geht es nun um die Verteilung der Hilfen.
Hans Wengenmeir ist ein erfahrener Sportfunktionär, einer, den so leicht nichts schockt. Seit über 20 Jahren ist der 68-Jährige im Führungsgremium des Polizei SV. Seit fünf Jahren leitet der ehemalige Kriminalhauptkommissar den Verein. Doch bei dem Brief der Stadtwerke Augsburg, den er vergangene Woche erhielt, musste sogar er schlucken. Sein Gasversorger hatte im Oktober den Vertrag gekündigt und jetzt die Rechnung über die erste neue Abschlagszahlung geschickt. „Für die Monate Oktober bis Dezember sind es 11.800 Euro. Bisher waren es 850 Euro im Monat. Wir müssen jetzt 3.000 Euro im Monat mehr zahlen. Wie soll das gehen?“, erzählte er im Sportbeirat der Stadt Augsburg.
Auch Herbert Hafner, Präsident der TSG Augsburg, ist geschockt: „Wir haben bisher rund 40.000 Euro im Jahr für das Gas bezahlt, jetzt sind es wohl 120.000 Euro. Ich weiß nicht, wie wir das umlegen sollen. Wir stehen vor einem Riesenproblem.“
Der seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine durch die Decke geschossene Gaspreis erreicht jetzt auch die Augsburger Sportvereine, deren Verträge gekündigt worden sind. Derzeit sind es sieben. Die haben zwar einen neuen Sammelvertrag mit den Stadtwerken abgeschlossen, doch zu deutlich höheren Konditionen. „Wenn ich das auffangen will, ohne alle Mittel, die wir die letzten Jahre zurückgelegt haben, aufzubrauchen, müssten wir spätestens Mitte nächsten Jahres eine Beitragserhöhung machen, die sich bei vier bis fünf Euro pro Mitglied und Monat bewegt“, sagt Wengenmeir. „Dann zerreißt es mich.“Er befürchtet eine Austrittswelle. „Dann haben wir keine 900 Mitglieder mehr, sondern 500 oder 600.“
Der Polizei SV gehört zu den 40 Vereinen im Stadtgebiet mit eigenen Sportanlagen. Glück haben die, deren Gasverträge noch länger laufen. Aber bei allen ehrenamtlichen Vorständen läuten die Alarmglocken schrill: Sie haben Existenzsorgen. Die Belastungen, die viele Vereine in den Grundfesten erschüttern, versucht die Stadt Augsburg abzufedern.
Sportreferent Jürgen
Enninger ist betteln gegangen und hat noch Geldquellen neben der normalen städtischen Sportförderung aufgetan. So werden zusätzliche 62.800 Euro noch in diesem Jahr über den Betriebs- und Pflegekostenzuschuss an die berechtigten Vereine verteilt. Für 2023 sind noch einmal 40.000 Euro sicher hinterlegt und für weitere 100.000 Euro gibt es positive Signale aus der Finanzverwaltung. „Leider sind die 62.800 Euro nicht übertragbar, um ein Gesamtpaket zu schnüren. Wir müssen sie jetzt ausschütten“, erklärte Enninger dem Sportbeirat, dem beratenden Gremium des Sportausschusses.
Wie die zu erwartenden 140.000 Euro im nächsten Jahr verteilt werden sollen, wird ein Arbeitskreis erarbeiten. Enninger will damit vor allem energetische Sanierungen fördern. Wengenmeir steht dem kritisch gegenüber. Denn er hat bereits mit einem Vollwärmeschutz am Gebäude und Solaranlage auf dem Dach kräftig investiert, stellt in Kürze die Flutlichtanlage auf LED um. „Bekommen wir dann nichts?“, fragte er provokant.
Zudem mahnte er an, die zusätzlichen Gelder zielgerichtet zu verteilen. „Eine Förderung in der Breite durch die Stadt hilft uns derzeit nicht weiter.“Man braucht jetzt maßgeschneiderte Lösungen, darin waren sich alle Mitglieder des Sportbeirates einig.
Denn wie bei der Corona-pandemie werden die Bundes- und Landeshilfen weiter nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Die Gaspreisbremse vom Bund greift wie bei den Privathaushalten und kleineren und mittleren Unternehmen auch bei den Vereinen. Die Bayerische Staatsregierung hat einen Härtefallfonds beschlossen, der auch Vereinen in einer existenzbedrohenden Lage helfen soll. Zudem soll die Vereinspauschale für das Jahr 2023 wie schon 2020 und 2021 während der Coronapandemie verdoppelt werden. Hier zeigt sich das Dilemma. Die erhöhte Vereinspauschale erhielten bayernweit alle Vereine. Auch die ohne eigenen Besitz, ohne Fixkosten. Die konnten während der Coronakrise aber keine Sportanlagen mieten, weil die geschlossen waren. Sie konnten das zusätzliche Geld gar nicht ausgeben.
Auch jetzt spüren diese Vereine die gestiegenen Kosten noch nicht. Die Stadt hat ihre Mietpreise noch nicht angepasst. Doch das wird kommen, wenn auch erst mit Verzögerung. Daran ließen Enninger und Ulrike Greiffenberg, eine der beiden Leiterinnen des Sport- und Bäderamtes, keinen Zweifel.
Noch ist die genaue Umsetzung der staatlichen und städtischen Hilfen offen, vieles unsicher. Trotzdem appelliert Hans-peter Pleitner, der Vorsitzende des Sportbeirates, an seine Kollegen, die Hausaufgaben zu machen. Er kennt als Vorsitzender des TSV Schwaben beide Seiten. Sein Verein ist Mieter und hat vereinseigene Anlagen zu finanzieren: „Ich warne Vereine davor, zu sagen, die Stadt wird uns schon Geld geben. Das wird sie nicht, weil sie es nicht hat und weil es keine originäre kommunale Aufgabe ist. Wir werden wohl unsere Beiträge drastisch erhöhen müssen.“