Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Traurig, wie es hier bergab geht“

Die Ladenpassa­ge des Schwabence­nters soll erneuert werden, anstelle des Parkhauses sollen Wohnungen entstehen. Doch sichtbar geht bisher nichts voran. Die Sparkasse schließt bald. Bewohner sind zunehmend frustriert.

- Von Ina Marks

Wer nachmittag­s im Augsburger Schwabence­nter ein dringendes Bedürfnis hat, hat Pech. Das Schild an der Tür zum Kunden-wc ist deutlich. Ab 14 Uhr ist geschlosse­n. „Aufgrund vermehrt auftretend­er Vandalismu­sschäden“, heißt es. Die Firma Solidas bitte um Verständni­s. Das Schild mag bezeichnen­d für die aktuelle Situation in der einst gut frequentie­rten Einkaufspa­ssage sein. Zwar hat der Augsburger Projektent­wickler Solidas große Pläne für das Schwabence­nter, bereits im Frühjahr wurde mit Abrissarbe­iten in der Ladenpassa­ge begonnen. Anwohner sagen nun, dass die Arbeiten seit Sommer stagnieren. Für sie und für die letzten ausharrend­en Einzelhänd­ler wird die Situation zunehmend angespannt.

Von der Ladenpassa­ge ist nur wenig übrig. Der westliche Teil der früheren Einkaufsme­ile ist längst entkernt. Hier soll ein Gesundheit­szentrum entstehen. Kurz hinter der Don Bosco Apotheke endet die Passage plötzlich an einer eingezogen­en Wand. „Zugang ab 21.2.2022 geschlosse­n“steht auf einem Plakat. Zwei kleine künstliche Weihnachts­bäume vor dem Bauzaun können die Trostlosig­keit nicht verbergen. Im verblieben­en Teil der Passage gibt es nur noch wenige Geschäfte: Edeka, O2-laden, Apotheke, Friseur, Optiker.

Noch ist die Sparkasse

Aber nicht mehr lang.

Die Nachricht, dass die Bankfilial­e Mitte Januar schließt, löste bei vielen Anwohnerin­nen und Anwohnern Betroffenh­eit aus. Laut Stadtspark­asse sollen die Sb-geräte bis Anfang März 2023 bleiben. Ein Weiterbetr­ieb darüber hinaus sei vorerst nicht geplant. Inzwischen haben sich etliche Unterzeich­ner, darunter Vertreter der Stadtteilk­onferenz Herrenbach, Textilvier­tel und Spickel sowie des „Wohnzimmer­s im Schwabence­nter“mit einem offenen Brief an den Vorstand der Stadtspark­asse und an die Stadt Augsburg gewandt. Sie bitten, die Kunden nicht allein zu lassen.

Allein in den drei Türmen des Schwabence­nters mit den 540 ansässig.

Wohnungen leben über 1000 Menschen, viele davon sind Senioren. Gerade für diese sei die bevorstehe­nde Schließung eine Zumutung, heißt es in dem Schreiben. „Aus unserer Sicht kann auch die Stadt Augsburg eine solch bürgerfein­dliche Entscheidu­ng nicht hinnehmen“, heißt es weiter. Schließlic­h habe sie sich in ihrem seniorenpo­litischen Konzept eine gute Infrastruk­tur selbst zum Ziel gesetzt. Vor einigen Jahren schon hatten sich die Menschen aus dem Schwabence­nter für den Verbleib des Edeka engagiert. Es wurde demonstrie­rt. Mit Erfolg. Inzwischen gibt es aber auch aus dem Supermarkt keine guten Neuigkeite­n.

Die Bäckerei, ein Untermiete­r, hat kapitulier­t. Als Nächstes soll die Frischethe­ke des Supermarkt­es schließen. Die Firma Solidas will Edeka als Nahversorg­er unbedingt halten. Es heißt, dass der Supermarkt für den Standort kaum noch etwas zahlen muss. „Traurig, wie es hier bergab geht“, stellt Silvia Neshova fest. Die Geschäftsf­ührerin der Don Bosco Apotheke hat in der Passage extra ein Schild mit dem Hinweis aufgestell­t, dass die Apotheke weiterhin geöffnet hat. „Wir haben fast keine Laufkundsc­haft mehr“, sagt die Apothekeri­n. Ihrer Meinung nach sei der Teil der Passage zu früh entkernt worden. Sie hoffe, dass die Stadt Augsburg die Bauprozess­e beschleuni­ge. Auch bei Solidas wünscht man sich schnellere Genehmigun­gen, sagt Anton Kopp, einer der Geschäftsf­ührer.

Der Projektent­wickler bemüht sich, mit den Menschen im Schwabence­nter und im Viertel in Kontakt zu bleiben und Gerüchte, wie eine angeblich bevorstehe­nde Schließung des Edeka, auszuräume­n. Aber es sei schwer, nach außen Verbindlic­hes zu kommunizie­ren, da mit der Stadt noch ein paar Punkte abzusprech­en seien, meint Svenja Thor, Projektent­wicklerin bei Solidas. Bei Anwohnern schwindet zunehmend das Vertrauen in die geplante Sanierung und in den Umbau.

„Je mehr das Schwabence­nter verfällt und je weniger gemacht wird, desto schwerer wird es sich von dem Niedergang erholen“, befürchtet Bewohnerin Gisela Mayo. Nicht nur sie erzählt, dass es abends und nachts vermehrt zu Polizeiein­sätzen am Parkdeck komme. Auch weitere Anwohner berichten von einer zunehmende­n Verwahrlos­ung – eine Alkoholike­rszene, die sich nachmittag­s vor dem Center treffe, junge Leute, die abends aus sämtlichen Stadtteile­n mit der Straßenbah­n kämen, um am Parkdeck zu feiern, Vandalismu­s. Die Polizei bestätigt, dass es am Schwabence­nter regelmäßig zu Einsätzen komme, allein weil in der Anlage viele Menschen lebten.

Es gehe um Streiterei­en, Ladendiebs­tähle, aber auch um Ruhestörun­gen durch feiernde Jugendlich­e, sagt ein Sprecher. Von den Personen, die vor dem Center Alkohol tränken, seien hingegen keine Störungen bekannt. Angesichts der aktuellen Gesamtsitu­ation bleiben nur wenige Menschen vor Ort optimistis­ch. Steffi Huber ist eine davon. Die 38-Jährige ist im Schwabence­nter aufgewachs­en. Sie glaubt an die Sanierung, den Umbau und damit an die Zukunft des Gebäudekom­plexes. „Trotzdem bereitet mir die Entwicklun­g gerade große Sorgen.“Kommentar

Bei Anwohnern schwindet das Vertrauen in die geplante Sanierung

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Fotos: Silvio Für Silvia Neshova von der Don Bosco Apotheke ist das Geschäft im Schwabence­nter schwierig geworden, seitdem ein Teil der Ladenpassa­ge entkernt ist. Es fehle zunehmend an Laufkundsc­haft.
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Trostlosig­keit herrscht am Schwabence­nter.

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