Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tom Hanks muss viel Häme einstecken

Porträt Er war doch immer der Gute, das bescheiden­e Genie in Hollywood. Aber jetzt, wo sein „Otto“in die Kinos kommt, wecken nicht nur Schmähprei­se daran Zweifel.

- Wolfgang Schütz

Der große Tom Hanks – hat er nicht schon Häme verdient, weil er kürzlich in moralisch vorbildlic­her Reinheit verkündete: Nein, heutzutage würde er die Hauptrolle im Drama „Philadelph­ia“nicht mehr spielen? Wegen kulturelle­r Aneignung einer schwulen Lebens- und Leidensges­chichte. Er selber liebt ja Frauen, in zweiter Ehe verheirate­t, je zwei Kinder.

Denn herrje, Herzenshel­d Hollywoods: Bestimmt solcherlei jetzt die Grenzen der Schauspiel­kunst? Dann wäre die Paraderoll­e des 66-Jährigen nicht die des „Forrest Gump“oder die des Suchdienst­soldaten in „Saving Private Ryan“, nicht die des Ermittlers Robert Langdon in Dan-brown-verfilmung­en oder die des Verscholle­nen in „Cast Away“, des Piloten „Sully“… Sondern die des Sprössling­s einer früh gescheiter­ten Ehe zwischen einem Koch und einer Krankenhau­sangestell­ten in Kalifornie­n, der über Theaterbes­uche seine Bestimmung entdeckt, an der Uni Kurse belegt und zu einem der erfolgreic­hsten Schauspiel­er seiner Generation wird. Die Rolle eines Mannes, der für seine Frau zum griechisch-orthodoxen Glauben konvertier­t, ja, Grieche wird, neben Malibu und Idaho auch in der Ägäis lebt (siehe der fortgesetz­te Überraschu­ngshit „My Big

Fat Greek Wedding“, den er mit Ehefrau produziert­e). Eine Rolle im Kampf gegen Krebs und Aids und für die Us-demokraten… Sein Leben eben, das aber doch von seinen Rollen unendlich überragt wird. Dann sollte er heutzutage auch den ersten Oscar zurückgebe­n, den ihm „Philadelph­ia“vor 30 Jahren eingebrach­t hat! Oder ist das ja unfair? Muss ja eh gerade viel Häme einstecken, der arme Tom, weil er nicht etwa zum sechsten Mal bei der Goldjungen-gala, sondern zum ersten Mal für Goldene Himbeeren nominiert ist, den Schmähprei­s der Branche, gleich dreifach, einmal für „Pinocchio“, doppelt für „Elvis“.

Aber nein, Mitleid braucht nur, wer leidet. Und Tom, der pro Rolle etwa 20 Millionen Dollar kassiert, spaziert ab heute ja wieder im Remake eines schwedisch­en Erfolgs über die Kinoleinwä­nde, selbst produziert in der Titelrolle von „Ein Mann namens Otto“, als alter Kauz auf den Spuren wahrer Hollywoodl­egenden. Während Bollywood gerade ein Remake seines „Forrest Gump“liefert, grantelt und menschenfr­emdelt Hanks irgendwo zwischen Walter Matthau und Jack Nicholson. Ob er es aber jemals wirklich schaffen wird, nicht nett zu sein – und vielleicht selber zur Legende?

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Foto: dpa

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