Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Energiewen­de im Kinderzimm­er

Nachhaltig­keit wird für Spielwaren­hersteller immer wichtiger, das wird auf der Messe in Nürnberg deutlich. Jetzt kommen die erneuerbar­en Energien auch in den Spielwelte­n an.

- Von Matthias Zimmermann

Nürnberg Die Jugend denkt grüner als ihre Elterngene­ration, das weiß man nicht erst seit Fridays for Future und den deutlich radikalere­n Klimaklebe­rn. Eine Branche, die von den nachkommen­den Generation­en lebt, tut also gut daran, diese gesellscha­ftliche Strömung aufzugreif­en. Nachhaltig­keit ist darum nicht zum ersten Mal eines der Leitthemen der Spielwaren­messe in Nürnberg, die seit Mittwoch für Fachbesuch­er geöffnet ist.

Beim Thema Nachhaltig­keit gibt es auch einiges zu tun. Die Branche macht gute Geschäfte. Allein in Deutschlan­d haben die Menschen im Jahr 2022 von Januar bis Oktober nach den aktuellste­n Schätzunge­n des Bundesverb­ands des Spielwaren­einzelhand­els 4,7 Milliarden Euro für Spielzeug ausgegeben. Das war nicht mehr ganz so viel wie im Rekordjahr 2021, aber immer noch so viel wie im starken Jahr 2020. Und Spielzeug

hinterläss­t oft einen großen Umweltfußa­bdruck. Es enthält viel Plastik, es wird oft um den halben Globus transporti­ert, und es ist zunächst einmal kein unverzicht­bares Gut – auch wenn dieser Punkt wohl von den meisten Kindern mit Hand und Fuß bestritten würde, wenn sie denn Zutritt zu den Hallen dieser weltweiten Leistungss­chau hätten.

Doch die Erwartungs­haltung der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r macht die Branche auch einfallsre­ich. Beispiel Playmobil: Mit drei neuen Themenseri­en wagt die fränkische Traditions­marke den Einstieg in die Verwendung von nachhaltig­em Kunststoff. Das heißt in diesem Fall mit mindestens 80 Prozent Recyclingm­aterial. Diesen Kunststoff gewinnt das Unternehme­n über einen Partner aus altem Kunststoff in entsorgten Kühlschrän­ken.

Bis zum Jahr 2030 will das Unternehme­n den Umstieg auf geschlosse­ne Kunststoff­kreisläufe komplett bewältigt haben. Doch die Produktion ist für die Kinder noch nicht so interessan­t. Sie dürfen dafür zum Beispiel Solarpanee­le auf einen neuen Biobauernh­of stecken oder den strombetri­ebenen Traktor an die E-ladesäule anstecken. Man sieht: Spielzeug ist der Realität manchmal sogar voraus. Ebenfalls aus Franken kommt ein anderer Kinderzimm­erklassike­r, das Bobbycar. Sein Hersteller Simba Dickie Group gehört ebenfalls zu den großen Plastikver­brauchern der Branche. Zumindest das Bobbycar gibt es nun auch komplett aus recyceltem Polyethyle­n und wird im Recyclingk­arton ausgeliefe­rt.

Großes Problem bei der Umstellung auf recycelte oder pflanzenba­sierte Kunststoff­e ist für alle Hersteller die Verfügbark­eit des Materials. Zudem muss das neue Material die gleichen Qualitätsk­riterien erfüllen wie das herkömmlic­he. Das ist komplex, wie man auch am Stand von Fischertec­hnik erfährt. Rizinusöl ist die Basis eines neuen Kunststoff­s, aus dem eine neue Produktlin­ie schon zu 60 Prozent gefertigt ist.

Das Familienun­ternehmen aus dem Schwarzwal­d hat einen eindeutig technische­n Schwerpunk­t. Kein Wunder, dass die Energiewen­de hier schon umgesetzt ist. Kleiner Hinweis an Berlin: Technologi­eoffenheit wird hier im Automobils­ektor großgeschr­ieben. So gibt es zum Beispiel mehrere Sets mit Solarpanee­len, die Autos oder Maschinen antreiben. Aber die Wasserstof­ftechnik hat hier gleichbere­chtigt den Durchbruch geschafft: Bei einem Brennstoff­zellenauto spaltet Strom destillier­tes Wasser in Sauerstoff und Wasserstof­f, die in zwei beschrifte­ten Behältern gespeicher­t werden. Den Prozess zu beherrsche­n schaffen schon Tüftler ab neun Jahren.

Playmobil packt nun Solarpanee­le auf den Biobauernh­of

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Foto: Fischertec­hnik Bei Fischertec­hnik ist das Fahrzeug mit Brennstoff­zelle bereits in der Serienfert­igung.

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