Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Energiewende im Kinderzimmer
Nachhaltigkeit wird für Spielwarenhersteller immer wichtiger, das wird auf der Messe in Nürnberg deutlich. Jetzt kommen die erneuerbaren Energien auch in den Spielwelten an.
Nürnberg Die Jugend denkt grüner als ihre Elterngeneration, das weiß man nicht erst seit Fridays for Future und den deutlich radikaleren Klimaklebern. Eine Branche, die von den nachkommenden Generationen lebt, tut also gut daran, diese gesellschaftliche Strömung aufzugreifen. Nachhaltigkeit ist darum nicht zum ersten Mal eines der Leitthemen der Spielwarenmesse in Nürnberg, die seit Mittwoch für Fachbesucher geöffnet ist.
Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es auch einiges zu tun. Die Branche macht gute Geschäfte. Allein in Deutschland haben die Menschen im Jahr 2022 von Januar bis Oktober nach den aktuellsten Schätzungen des Bundesverbands des Spielwareneinzelhandels 4,7 Milliarden Euro für Spielzeug ausgegeben. Das war nicht mehr ganz so viel wie im Rekordjahr 2021, aber immer noch so viel wie im starken Jahr 2020. Und Spielzeug
hinterlässt oft einen großen Umweltfußabdruck. Es enthält viel Plastik, es wird oft um den halben Globus transportiert, und es ist zunächst einmal kein unverzichtbares Gut – auch wenn dieser Punkt wohl von den meisten Kindern mit Hand und Fuß bestritten würde, wenn sie denn Zutritt zu den Hallen dieser weltweiten Leistungsschau hätten.
Doch die Erwartungshaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher macht die Branche auch einfallsreich. Beispiel Playmobil: Mit drei neuen Themenserien wagt die fränkische Traditionsmarke den Einstieg in die Verwendung von nachhaltigem Kunststoff. Das heißt in diesem Fall mit mindestens 80 Prozent Recyclingmaterial. Diesen Kunststoff gewinnt das Unternehmen über einen Partner aus altem Kunststoff in entsorgten Kühlschränken.
Bis zum Jahr 2030 will das Unternehmen den Umstieg auf geschlossene Kunststoffkreisläufe komplett bewältigt haben. Doch die Produktion ist für die Kinder noch nicht so interessant. Sie dürfen dafür zum Beispiel Solarpaneele auf einen neuen Biobauernhof stecken oder den strombetriebenen Traktor an die E-ladesäule anstecken. Man sieht: Spielzeug ist der Realität manchmal sogar voraus. Ebenfalls aus Franken kommt ein anderer Kinderzimmerklassiker, das Bobbycar. Sein Hersteller Simba Dickie Group gehört ebenfalls zu den großen Plastikverbrauchern der Branche. Zumindest das Bobbycar gibt es nun auch komplett aus recyceltem Polyethylen und wird im Recyclingkarton ausgeliefert.
Großes Problem bei der Umstellung auf recycelte oder pflanzenbasierte Kunststoffe ist für alle Hersteller die Verfügbarkeit des Materials. Zudem muss das neue Material die gleichen Qualitätskriterien erfüllen wie das herkömmliche. Das ist komplex, wie man auch am Stand von Fischertechnik erfährt. Rizinusöl ist die Basis eines neuen Kunststoffs, aus dem eine neue Produktlinie schon zu 60 Prozent gefertigt ist.
Das Familienunternehmen aus dem Schwarzwald hat einen eindeutig technischen Schwerpunkt. Kein Wunder, dass die Energiewende hier schon umgesetzt ist. Kleiner Hinweis an Berlin: Technologieoffenheit wird hier im Automobilsektor großgeschrieben. So gibt es zum Beispiel mehrere Sets mit Solarpaneelen, die Autos oder Maschinen antreiben. Aber die Wasserstofftechnik hat hier gleichberechtigt den Durchbruch geschafft: Bei einem Brennstoffzellenauto spaltet Strom destilliertes Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff, die in zwei beschrifteten Behältern gespeichert werden. Den Prozess zu beherrschen schaffen schon Tüftler ab neun Jahren.
Playmobil packt nun Solarpaneele auf den Biobauernhof