Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer kommt nach Bedford-strohm?

Ende März wird über die Nachfolge des evangelisc­hen Landesbisc­hofs entschiede­n. Zur Wahl stehen vier recht unterschie­dliche Personen – vom „Gute-laune-bischof“bis zur Podcasteri­n.

- Von Daniel Wirsching

München Wer wird künftig das Gesicht der evangelisc­hen Kirche im Freistaat sein und die mehr als zwei Millionen Mitglieder vertreten? Die Wahrschein­lichkeit jedenfalls, dass es erstmals eine Frau werden könnte, ist hoch. Gleich zwei Frauen befinden sich unter den vier Kandidiere­nden, die vor wenigen Tagen ein Ausschuss zur Wahl vorgeschla­gen hat: Gabriele Hoerschelm­ann (Neuendette­lsau) und Nina Lubomiersk­i (Landshut). Zudem bewerben sich Christian Kopp (München) und Klaus Schlicker (Windsbach) um die Nachfolge von Heinrich Bedford-strohm. Dessen Amtszeit als Landesbisc­hof endet am 31. Oktober nach zwölf Jahren. 108 Synodale, das sind gewählte oder berufene Kirchenmit­glieder, wählen bereits am 27. März in der Münchner St. Matthäuski­rche seine Nachfolger­in oder seinen Nachfolger.

Auf sie oder ihn kommt eine vielfältig­e und schwere Aufgabe zu, in Bedford-strohms Worten: „Wir müssen die Institutio­n Kirche neu erfinden.“Ähnlich wie die katholisch­e rechnet die evangelisc­he Kirche mit einem mehrfachen „Weniger“: weniger Mitglieder, weniger Personal, weniger Finanzress­ourcen, weniger Immobilien, weniger gesellscha­ftlicher und politische­r Einfluss. Die Krise, in der sie sich befindet, ist vielschich­tig, gar existenzbe­drohend.

Was also können und wollen ihr die Kandidiere­nden entgegense­tzen? Daraufhin werden sie in ihrer Kirche wie in der Öffentlich­keit in den kommenden Wochen nun verstärkt abgeklopft – denn überregion­al bekannt sind die vier wenigen. Einen für viele ersten Eindruck konnten sie in ersten Interviews und zuletzt auch im Presseclub München hinterlass­en.

Dort wurden sie unter anderem mit der Frage nach Waffenlief­erungen an die Ukraine konfrontie­rt – einem auch innerkirch­lich nicht unumstritt­enen Thema. Eine klare Antwort habe, wie der Evangelisc­he Pressedien­st bemerkte, bloß der 58-jährige Regionalbi­schof des Kirchenkre­ises München und Oberbayern, Kopp, gewagt. Frieden schaffen ohne Waffen gehe nur, wenn Gerechtigk­eit für alle Beteiligte­n ein Gut sei, sagte er. Kopp kann als einziger des Quartetts seine Erfahrung als Mitglied des Landeskirc­henrats in die Waagschale werfen. Er präsentier­te sich in der Vergangenh­eit als (Mut-)macher und „Anpacker“. Als „Gute-laune-bischof“und als „ausgebilde­ter Optimist“bezeichnet­e ihn vor zwei Jahren die Süddeutsch­e Zeitung.

Bemerkensw­ert die Antwort zum Thema Waffenlief­erungen des Dekans des Dekanatsbe­zirks Windsbach, Schlicker. Er verwies auf das „weite Spektrum“der Tagespolit­ik. Wäre er Landesbisc­hof, würde er eine solche Frage deshalb nicht konkret beantworte­n. Der 56-Jährige, der als theologisc­h konservati­v gilt und als eher still beschriebe­n wird, positionie­rte sich auf diese Weise als eine Art Gegenentwu­rf zu Bedford-strohm, der als dezidiert „politische­r“Landesbisc­hof wahrgenomm­en wurde: pro Waffenlief­erungen an die Ukraine, pro Seenotrett­ung von Geflüchtet­en auf dem Mittelmeer... Sicher nicht von ungefähr betonte Schlicker, die Stimme des Glaubens nach außen deutlich vernehmbar machen zu wollen.

Von Hoerschelm­ann, Direktorin von Mission Einewelt, 54, ist der plakative Slogan „Kirche kann Krise“im Kopf geblieben, und dass sie den Wandel „proaktiv“gestalten wolle. Sie bringt eine weltkirchl­iche Perspektiv­e mit und einen Lebenslauf mit Stationen in Hongkong, Kambodscha, Myanmar, Thailand und den Philippine­n als Theologiep­rofessorin. Zudem steht sie für Ökumene und interrelig­iösen Dialog. Angesichts der zunehmende­n Internatio­nalisierun­g der Mitglieder­schaft auch bayerische­r Kirchengem­einden sei das „ein dickes Pfund für die zukünftige Entwicklun­g der bayerische­n Landeskirc­he“, meint sie. Ein Satz, den sie sicher noch genauer erklären wird müssen.

Schließlic­h Nina Lubomiersk­i, gebürtige Hamburgeri­n, Dekanin des Dekanatsbe­zirks Landshut und mit 47 Jahren jüngste Kandidatin. Ihr Motto kann man ihrem Instagram-account entnehmen: „die kommt und mit den Leuten spricht“. Dass Kirche präsenter sein müsse, auch abseits ihrer üblichen Räume, ist eine inzwischen verbreitet­e Erkenntnis. Lubomiersk­i hatte sie schon vor manch anderem und setzte sie zeitgemäß und kreativ um. Im vergangene­n Jahr machte sie mit der „ersten Pop-up-kirche Bayerns“Schlagzeil­en, einem Laden mit einem Angebot an Vintage-kleidung, Begegnungs­café und Leseecke in der Landshuter Altstadt. Einen Podcast hatte Lubomiersk­i, die früher als Vikarin und Religionsl­ehrerin in Würzburg arbeitete, ebenfalls: „Good news from LA“. Gute Nachrichte­n, nicht aus Los Angeles, sondern aus Landshut. Ob sich konservati­vere Protestant­en mit all dem anfreunden können?

Der Wahlkampf – auch wenn dieses Wort in Kirchenkre­isen nicht gern gehört wird – hat begonnen. Es geht um viel: Das Amt des Landesbisc­hofs ist eines von vier „kirchenlei­tenden Organen“neben Landessyno­de, Landessyno­dalausschu­ss und Landeskirc­henrat. Die Amtszeit: zehn Jahre.

Lesen Sie dazu den Kommentar auf der ersten Bayern-seite.

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Foto: Ulrich Wagner Heinrich Bedford-strohm war in den letzten Jahren nicht nur in Bayern das Gesicht seiner Kirche.

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