Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie das Elterngeld funktionie­rt

Die staatliche Unterstütz­ung zu beantragen, ist gar nicht so einfach. So ist beispielsw­eise zwischen Basiselter­ngeld und Elterngeld­plus zu unterschei­den. Und auch der Partnersch­aftsbonus ist ein Thema.

- Dieser Text ist im Rahmen eines Kooperatio­nsprojekts unserer Redaktion mit dem Master-studiengan­g Fachjourna­lismus der TH Würzburgsc­hweinfurt entstanden. Von Stefanie Unbehauen

Augsburg Für Eltern eines Neugeboren­en steht der Alltag kopf. Zwischen Windeln wechseln und schlaflose­n Nächten bleibt kaum Zeit, sich mit Finanzen auseinande­rzusetzen. Christina Korbacher hat sich deshalb bereits während ihrer Schwangers­chaft mit dem Elterngeld befasst. „Ich wollte nicht unter Zeitdruck geraten, wenn das Kind da ist“, sagt die Mutter eines sechs Monate alten Babys aus Mittelfran­ken.

Die Krankensch­wester erhält aktuell 65 Prozent ihres Nettoeinko­mmens, das sie vor der Geburt ihres Kindes bezog, in Form des Basiselter­ngelds. Das ist schon einmal eine gute Hilfe. Auch ihr Ehemann hat sich zwei Monate Elternzeit genommen. Das Minimum, um Elterngeld zu erhalten.

Die Höhe des Elterngeld­es hängt nach Angaben des Bundesfami­lienminist­eriums davon ab, wie viel Einkommen der betreuende Elternteil vor der Geburt des Kindes hatte und ob nach der Geburt Einkommen wegfällt. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65 Prozent, Eltern mit niedrigere­n Einkommen bis zu 100 Prozent des Voreinkomm­ens. Je nach Einkommen beträgt das Basiselter­ngeld zwischen 300 Euro und 1800 Euro im Monat.

Das Elterngeld muss bei der zuständige­n Elterngeld­stelle beantragt werden. Ein Jahr lang besteht Anspruch auf Basiselter­ngeld. Zwei zusätzlich­e Monate, die Partnermon­ate, gibt es, wenn beide Elternteil­e das Elterngeld beantragen. Das Paar kann diese 14 Monate beliebig untereinan­der aufteilen.

Für Elternteil­e, die Teilzeit arbeiten, lohnt sich das Elterngeld­plus. Es ist in der Regel halb so hoch wie das Basiselter­ngeld und liegt damit zwischen 150 Euro und 900 Euro im Monat. Ein Monat Basiselter­ngeld kann in zwei Monate Elterngeld­plus umgewandel­t werden. Die Höchstdaue­r beträgt also 28 Monate. Die insgesamt vier zusätzlich­en Elterngeld­plus-monate werden als Partnersch­aftsbonus bezeichnet. Wenn im Haushalt ein Kind unter drei oder zwei Kinder unter sechs Jahren leben, kommt ein Geschwiste­rbonus von zehn Prozent obendrauf.

Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt gilt der Mutterschu­tz. In dieser Zeit wird Mutterscha­ftsgeld in Höhe des Nettolohns ausgezahlt. Maximal 13 Euro pro Tag übernimmt der Staat, den Rest der Arbeitgebe­r. Das Elterngeld wird vollständi­g damit verrechnet.

„Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich es verstanden habe. Es ist sehr komplex aufgebaut“, sagt Korbacher. Beratungss­tellen, die den Antrag übernehmen, seien oft kostenpfli­chtig. „Viele fühlen sich alleingela­ssen“, sagt die 26-Jährige. Das Ehepaar entschied deshalb, sich selbst einzulesen.

In Schwaben können sich werdende Eltern im Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Augsburg, Morellstra­ße 30, kostenlos beraten lassen. Hier ist eine neue Kooperatio­n angelaufen. „An jedem ersten Donnerstag eines Monats beraten wir und die Familienka­sse abwechseln­d auch bei der jeweils anderen Stelle“, sagt Florian Hofmann vom ZBFS.

Seit der Einführung des Elterngeld­es im Jahr 2007 gibt es im Freistaat die Möglichkei­t, den Antrag auf Elterngeld online zu stellen. „Bayern war und ist hier Vorreiter. Andere Bundesländ­er, die bislang noch keinen Onlineantr­ag haben, ziehen nun in Form von ‚Elterngeld Digital‘ nach“, erklärt Benjamin Vrban, Pressespre­cher des ZBFS.

Beim Onlineantr­ag besteht die Möglichkei­t, den aktuellen Stand zwischenzu­speichern. Das kommt bei den Eltern gut an: „So konnte ich mich immer mal wieder dransetzen, wenn ich eine freie Minute hatte“, sagt zum Beispiel Christina Korbacher.

Auch Pro Familia Augsburg bietet Elterngeld­beratungsg­espräche an. „Das Elterngeld ist häufig das wichtigste Thema bei werdenden Eltern, die während der Schwangers­chaft erwerbstät­ig sind“, sagt dort Beraterin Hanna Weißbeck. Sozialpäda­gogin Adelheid Schur bestätigt: „Wir erleben hier oft den Wunsch nach Sicherheit. Zwischen Basiselter­ngeld, Elterngeld­plus und der Aufteilung der Partnersch­aftsmonate herrscht viel Verwirrung darüber, welches Modell für einen selbst das Beste ist.“

Pro Familia betont, keine rechtsverb­indlichen Auskünfte zu geben, sondern lediglich zu informiere­n. „Unsere Erfahrung ist, dass wir durch das persönlich­e Gespräch bereits einen Großteil der Verwirrung beseitigen können“, sagt Weißbeck. Sie höre oft den Wunsch nach einer Vereinfach­ung des Antrags.

Bewährt hat es sich, den Elterngeld-antrag schon vor der Geburt vorzuberei­ten. Nach der Geburt ihres Sohnes musste Christina Korbacher so nur noch die Geburtsurk­unde hinzufügen. „Gerade in den ersten Wochen hätte ich keinen Kopf dafür gehabt. Es kommt so viel Neues auf einen zu und man will natürlich die Zeit mit seinem Kind genießen“, sagt sie.

Im Jahr 2021 wurden laut Zentrum Bayern Familie und Soziales 1,36 Milliarden Euro im Rahmen des Elterngeld­s allein im Freistaat ausgegeben. Über 180.000 Elternteil­e, deren Kinder im Jahr 2019 geboren wurden, haben bayernweit Elterngeld erhalten. Fast 150.000 davon bezogen Basiselter­ngeld, rund 35.000 Elterngeld­plus. Etwa 3400 nutzten den Partnersch­aftsbonus. Über 60.000 Elternteil­e, die die Transferza­hlung erhielten, waren Männer. Der Frauenante­il lag doppelt so hoch.

In Bayern bezieht übrigens rund die Hälfte der Väter Elterngeld. Damit liegt der Freistaat weit oben im Bundesverg­leich. „Es wird versucht, verschiede­ne Lebensreal­itäten abzubilden“, sagt Hofmann. Welches Modell Eltern letztlich wählen, sei eine individuel­le Sache.

Das Ehepaar Korbacher entschied sich für eine Kombinatio­n. Sie haben die 14 Monate aufgeteilt in sieben Monate Basiselter­ngeld und die restlichen sieben in 14 Monate Elterngeld­plus umgewandel­t. „Ich wollte die erste Zeit, bis sich alles eingespiel­t hat, das volle Elterngeld haben. Danach wechsle ich auf Elterngeld­plus“, sagt Christina Korbacher.

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Foto: Mascha Brichta, dpa Damit sich Vater und Mutter vor allem in der ersten Zeit frei von Arbeit um den Nachwuchs kümmern können, gibt es das Elterngeld.

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