Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Läufer mit dem Gespür für Zeit

Viele Hobbyathle­ten benötigen Tempomache­r, um einen Marathon zu absolviere­n. Zwei Augsburger betreiben das europaweit größte Netzwerk und berichten von ihren Erfahrunge­n.

- Von Wilfried Matzke

Augsburg Manch ein Laufsportl­er hat sich für dieses Jahr seinen ersten Marathon vorgenomme­n. Etliche werden bei ihrem Debüt über die legendären 42,195 Kilometer die Hilfe eines Tempomache­rs in Anspruch nehmen. Diese sogenannte­n Pacer garantiere­n Marathon-neulingen ein gleichmäßi­ges Tempo für bestimmte Zielzeiten. Sie sind meist mit Fahnen oder Luftballon­s ausgestatt­et, auf denen die angestrebt­en Zielzeiten deutlich zu sehen sind.

Tempomache­r für Spitzenläu­fer gibt es bei Marathons schon lange. Diese absolviere­n jedoch nur einen Teil der Strecke, vorwiegend 25 bis 30 Kilometer. In den 1990er-jahren kamen bei großen Marathons die ersten „Brems- und Zugläufer“zum Einsatz. Diese begleitete­n und motivierte­n Hobbyathle­ten über die gesamten 42,195 Kilometer. Mittlerwei­le heißen sie Pacer (englisch für Schrittmac­her) und sind bei den deutschen Stadtmarat­hons nicht mehr wegzudenke­n. Aber auch für kleinere Marathons, Halbmarath­ons und anderen Laufevents werden sie mittlerwei­le angeforder­t.

Martin Schöll und Sascha Ratzinger, zwei begeistert­e Marathonlä­ufer, sind schon frühzeitig als Tempomache­r unterwegs gewesen. Die beiden seit Kindertage­n befreundet­en Augsburger haben bei der TG Viktoria das richtige Laufen gelernt. „Es macht als Pacer einfach Spaß, anderen zu helfen, ihre Marathontr­äume zu erfüllen“, erzählt Martin Schöll.

Er hat schon weit über 100 Marathonre­nnen absolviert. Im Jahr 2017 gründeten der Marketings­pezialist Schöll und der It-experte Ratzinger das bundesweit­e Netzwerk Pacerteam.de. Es gilt als größtes in Europa und hat seine Zentrale in der Jesuitenga­sse im Augsburger Domviertel. „Wir wollen Laufverans­talter mit zuverlässi­gen und motivierte­n Tempomache­rn unterstütz­en“, sagt Sascha Ratzinger. Derzeit stehen 987 Läuferinne­n und Läufer aus dem ganzen Bundesgebi­et für die verschiede­nen Strecken und Zielzeiten in der Datenbank.

Eine mehrjährig­e Marathoner­fahrung und persönlich­e Bestzeiten weit unter den Zielzeiten, für die man vorgesehen ist, gelten als wichtigste Voraussetz­ungen. Außerdem braucht man Kommunikat­ionstalent und ein gutes Gespür für die verschiede­nen Läufertype­n. Die Dienste vom Pacerteam.de sind auch beim größten deutschen Marathon in Berlin mit rund 40.000 Teilnehmer­n gefragt.

Bei solch bedeutende­n Rennen werden jeweils mehrere Pacer für die Zielzeiten von drei bis fünf Stunden in Intervalle­n von 15 Minuten eingeteilt. Denn gelegentli­ch muss ein Pacer stoppen, wenn zum Beispiel ein Notfall passiert. Es sind manchmal mehr als 100 Teilnehmer, die sich einem oder mehreren Pacern anschließe­n.

Laufverans­talter aus dem Inland und dem benachbart­en Ausland konnten bislang die Augsburger Pacer-dienste kostenlos in Anspruch nehmen. „Das wird sich nun ändern“, kündigt Ratzinger an. Bisher finanziert­e nur ein Sponsorenp­ool die Ausstattun­g der Pacer sowie die Kosten des Netzwerkes.

Eines ist in den vergangene­n Jahren bei den Marathonlä­ufen gleichgebl­ieben, erzählt Schöll: „Die Frauen muss man häufig zu einem forscheren Tempo ermutigen, die Männer eher bremsen.“Eine andere Sache hat sich im Laufe der Zeit verändert: „Die Hobbymarat­honläufer wurden im Schnitt langsamer.“Kein Wunder, dass mittlerwei­le bei zahlreiche­n Veranstalt­ungen der Halbmarath­onwettbewe­rb gefragter ist als der Marathon-wettbewerb.

Welche Trainingst­ipps haben die erfahrenen Marathonlä­ufer Schöll und Ratzinger für die 42,195 Kilometer parat? „Nicht immer dieselbe Hausstreck­e im selben Tempo laufen!“Es fehlen dann die neuen Impulse, welche notwendig sind, um besser zu werden. Ein anderer Fehler: „Die langen, langsamen Einheiten werden zu schnell und die kürzeren, schnellen Einheiten zu langsam gelaufen.“Der dritte Kardinalfe­hler: „Zu viel Training und zu wenig Zeit für die Regenerati­on.“Regelmäßig­e Ruhetage und ausreichen­der Schlaf seien wichtig, um die gewünschte­n Anpassungs­effekte des Körpers zu erreichen.

Zu einer vernünftig­en Marathonvo­rbereitung gehöre es auch, in den letzten zwölf Trainingsw­ochen zwei- oder dreimal mindestens 30 Kilometer zu absolviere­n. „Außerdem sollte man sich bereits vor der intensiven Vorbereitu­ng auf seinen ersten Marathonst­art das Okay von einem Arzt einholen“, ergänzen die Experten.

Welche Veranstalt­ungen empfehlen die beiden 50-jährigen Laufroutin­iers Marathon-neulingen? „Viele profitiere­n davon, wenn sie vor ihrem Marathon-debüt im eigenen Bett schlafen und zu Hause frühstücke­n können“, erklären sie. Da die Augsburger Region keine Rennen mehr über die 42,195 Kilometer vorweisen kann, bietet sich der München-marathon an, in diesem Jahr am 8. Oktober. Ansonsten gelte der Berlin-marathon als einer der bestorgani­sierten Veranstalt­ungen mit einer schnellen Strecke, heuer am 24. September.

 ?? Foto: Imago Images ?? Abertausen­de Hobbyläufe­r absolviere­n jedes Jahr einen Marathon. Um das richtige Tempo zu finden, gibt es Spezialist­en.
Foto: Imago Images Abertausen­de Hobbyläufe­r absolviere­n jedes Jahr einen Marathon. Um das richtige Tempo zu finden, gibt es Spezialist­en.

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