Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Lehrer und Youtuber: Daniel Reichenberger dreht seinen zweiten Film
Der Geschichtslehrer dreht seit fünf Jahren mit seinen Freunden Erklärvideos für das Internet. Nun haben sie einen 45-minütigen Thriller produziert.
Das Entsetzen ist Daniel Reichenberger ins Gesicht geschrieben. Als Markus Lehmann macht sich der Augsburger Lehrer im Thriller „Martyrium“auf Spurensuche. Es gilt, einen grausamen Ritualmord aufzuklären, der den Schauspieler bis in seine Träume verfolgt. Kameraerfahrung hat Reichenberger: Seit fünf Jahren produziert er mit seinen Freunden Youtube-videos zu geschichts- und gesellschaftswissenschaftlichen Themen. Und er verwendet sie auch in seinem Unterricht.
Manche Videos auf Youtube haben ein paar Hundert Aufrufe, manche wurden mehrere Tausend Mal aufgerufen, ein Tiktok-video wurde bereits über 250.000 Mal geklickt. „Darin haben wir erklärt, was im Verlauf der Geschichte alles am 9. November geschehen ist“, erzählt er. Geschichte erlebbar und greifbar machen und damit junge Menschen begeistern ist das Ziel einer Gruppe von ehemaligen Studenten um Daniel Reichenberger. Sie lernten sich während ihres Studiums in Regensburg kennen. Vor fünf Jahren starteten sie als Youtube-kollektiv Flossen TV durch und begannen, ihre Erklärvideos zu drehen.
Die guten Zugriffszahlen animierten sie zu regelmäßigen Drehs. „Mal von einer Winter- und Sommerpause abgesehen bringen wir einmal wöchentlich ein Video heraus“, sagt er. Alle paar Wochen fährt er deswegen am Wochenende nach Regensburg und produziert dort mit seinen Freunden die Erklärstücke vor. Gedreht wurde aber auch schon in der Toskana, in Leipzig, Dresden oder dem Bundestag in Berlin. An Themen mangelt es nie, mal kommen sie durch den aktuellen Schulstoff ihrer Schülerinnen und Schüler auf Ideen, mal ist es das Tagesgeschehen. Seit März 2021 unterrichtet der 29-Jährige Französisch und Geschichte am Gymnasium Maria Stern. Ursprünglich stammt er aus Amberg in der Oberpfalz. „Ich zeige auch schon einmal einen Film von uns im Unterricht. Sie sind meist fünf bis maximal zehn Minuten lang und haben so eine optimale Länge dafür“, sagt er. Die Videos haben eine große Bandbreite: „Die Eisenbahn – Motor der Industrialisierung“, „Judenhass im Mittelalter“und auch aktuelle Stücke wie „Lambrechtrücktritt: Wer wird Verteidigungsminister?“können beispielsweise online auf dem Videoportal abgespielt werden.
Kürzlich gesellte sich ein 45-minütiger Thriller hinzu, der zweite Film der Gruppe. Zum Fünfjährigen hätten sie ihrem Publikum etwas Besonderes bieten wollen und rankten eine spannende Geschichte rund um die Gemälde eines berühmten Sohnes der Stadt – Albrecht Altdorfer. Im Oktober vergangenen Jahres wurde der Dreh beschlossen. Gemeinsam mit Johannes Haider spielten sie sich die Ideen für das Drehbuch zu. Schließlich ging es an die Planung für die drei Drehtage in Regensburg.
„Das war das Aufwendigste. Wir hatten alle nicht viel Zeit und mussten genau planen, wann was wo gedreht wird“, berichtet
Eine Stadtrallye durch das historische Augsburg als Schülerprojekt auf Instagram
Daniel Reichenberger. Zwölf Freunde und Bekannte beteiligten sich, gedreht wurde an verschiedenen Orten und aus unterschiedlichen Perspektiven. „In den fünf Jahren von Flossen TV ist einiges an Videoausrüstung zusammengekommen. Wir hatten auch eine Drohne im Einsatz oder einen Gimbal für die Systemkamera. Damit kann verhindert werden, dass das Bild zu sehr verwackelt.“
Im Anschluss wurde der Film geschnitten und mit der Filmmusik, die Johannes Haider eigens komponierte, versehen. Zum Jahreswechsel ging er online. Viele Freunde und Kollegen sahen sich die Premiere an und meldeten sich anschließend bei dem 29-Jährigen. Und auch die Schülerinnen und Schüler reagieren immer mal wieder auf sein Hobby. „In unserem Logo befindet sich ein Fisch, der immer mal wieder auf die Tafel gemalt wird, bevor ich ins Klassenzimmer komme“, erzählt er und lacht. Von seinen interaktiven Fähigkeiten und Kenntnissen im Bereich der sozialen Netzwerke profitieren auch die Jugendlichen. Derzeit betreut er ein P-seminar „Raus aus dem Glaskasten – Geschichte erleben“, in dem seine Schülerinnen und Schüler Projekte unter anderem auf Instagram realisieren wollen. Dabei soll etwa eine Stadtrallye durch das historische Augsburg abgebildet werden oder Episoden aus dem Leben von Jakob Fugger. Seinen Lehrerberuf liebe er. Neben seinen Schülern vor Ort will er aber mit seinen Mitstreitern, weiterhin auch seine Zuschauer im Internet für Geschichte begeistern. „Wir werden auf jeden Fall weitermachen“, betont er.