Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Firmenwelt­en“-millionenb­etrug: Drahtziehe­r gesteht die Vorwürfe

Der mutmaßlich­e Hintermann einer der größten Augsburger Betrugsfäl­le sitzt nach langer Flucht nun im Gefängnis. Zum Prozessauf­takt räumt der 67-Jährige die Taten ein.

- Von Jan Kandzora

Der Mann, der aus der Haft in den Gerichtssa­al gebracht wird, blieb stets unter dem größeren Radar der Öffentlich­keit – und hat doch ein Leben geführt, das Spuren hinterließ. Manfred D. (Namen geändert) hat Firmen gegründet, für Zeitungen geschriebe­n, war Prberater und Musikmanag­er. Und ist, davon ist die Staatsanwa­ltschaft überzeugt, ein Kriminelle­r. Sich als Angeklagte­r Strafvorwü­rfen zu stellen, ist ihm offensicht­lich nicht fremd. Als Richterin Martina Neuhierl ihn fragt, wo er zuletzt gewohnt habe und was sein Beruf sei, antwortet er ohne Zögern und mit fester Stimme, nennt eine Adresse in New Jersey, USA, und sagt, dass er „inzwischen Rentner“sei. Nach Ansicht der Augsburger Ermittler ist dieser Rentner allerdings einer der größten Betrüger, die hier in den vergangene­n Jahren vor Gericht standen; es geht um rund neun Millionen Euro. Das gibt der Angeklagte vor Gericht auch zu.

Es ist ein Mammut-prozess, der jetzt vor der 15. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­tes gestartet ist. Die Ermittler von Staatsanwa­ltschaft und Kriminalpo­lizei gehen davon aus, dass der 67-Jährige von Augsburg aus ein umfangreic­hes Betrugsmod­ell aufzog, dem in ganz Deutschlan­d Hunderte Menschen zum Opfer fielen; sie investiert­en in Unternehme­n mit Namen wie „Firmenwelt­en“und „Wurstwelte­n“oder in technische Geräte eines Unternehme­ns namens „Halbstrom“, die angeblich in der Lage sein sollten, die Stromkoste­n zu halbieren. Die Anleger waren mit hohen Renditever­sprechen gelockt worden, faktisch floss ihr Geld aber in andere Kanäle, nach Erkenntnis­sen der Ermittler zum Beispiel in eine Villa in New Jersey, in der Manfred D. zunächst wohnte, nachdem er sich im September 2015 in die USA abgesetzt hatte. Hunderte Kleinanleg­er verloren im Schneeball­system viel Geld, manche mehr als 100.000 Euro oder ihre komplette Altersvors­orge.

Staatsanwa­lt Johannes Pausch spricht vom Angeklagte­n als „Chef einer Bande“, die er eigens zu Betrugszwe­cken aufgezogen habe, von der „Mär“, die Manfred D. Anlegern aufgetisch­t habe, er spricht von einer besonderen Dienstleis­tung, die der 67-Jährige angeboten habe, nämlich jene, anderen Menschen recht profession­ell bei der Steuerhint­erziehung zu helfen. Alle Prozessbet­eiligten haben sich darauf verständig­t, dass die umfangreic­hen Anlagen der Anklagesch­rift nicht vorgelesen werden müssen – dennoch ist auch der verblieben­e Teil bereits ein Epos und so umfangreic­h, dass sich zwei Staatsanwä­lte beim Vortrag abwechseln und den halben Vormittag benötigen.

Dann hat Manfred D. das Wort, der Angeklagte. Beziehungs­weise: sein Anwalt Detlev Binder, der ihn zusammen mit dem Augsburger Anwalt Florian Engert verteidigt. Vor Beginn der Verhandlun­g hatten die Prozessbet­eiligten Verständig­ungsgesprä­che geführt, also um einen möglichen Deal im Strafverfa­hren gerungen. Ergebnis: Der 67-Jährigen hat wohl eine Haftstrafe im Bereich von sieben Jahren zu erwarten, wenn er gesteht. In einer Erklärung sagt Binder, sein Mandant räume die Tatvorwürf­e vollumfäng­lich ein. Die Einnahmen durch die Anleger hätten lediglich dazu gedient, das Schneeball­system aufrechtzu­erhalten. Es sei dem Angeklagte­n aber nicht möglich, den Schaden wiedergutz­umachen. Er habe ab 2012 ein luxuriöses Leben gelebt, das Geld sei weg. Manfred D. selbst sagt, er wolle bei den Opfern um Entschuldi­gung bitten und wisse auch, dass er großes Unglück über seine Kinder gebracht habe.

Bereits im Oktober 2019 waren am Landgerich­t Augsburg vier Menschen in dem Komplex verurteilt worden, drei von ihnen zu Haftstrafe­n. Es waren Verantwort­liche eben jener „Firmenwelt­en“-gruppe, die in der Stadt ein Büro hatte und von dort aus Finanzprod­ukte vertrieb. Drei der Verurteilt­en waren Kinder von Manfred D., der Vierte der Vertriebsl­eiter der Gruppe, ein Mann, der sagte, Manfred D. sei für ihn ein Mentor gewesen, eine Vaterfigur.

Der Prozess gegen den 67-Jährige wird trotz des Geständnis­ses noch eine Weile dauern, da die Strafkamme­r die Aussagen durch Zeugen und andere Beweise verifizier­en muss. Manfred D. sitzt seit Monaten in Untersuchu­ngshaft, zuvor hatte er bereits in den USA im Gefängnis auf seine Auslieferu­ng gewartet. In den USA hatte er die vergangene­n Jahre in verschiede­nen Nobel-villen in New Jersey gewohnt und sich auf diesem Wege dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen, offenbar bezahlt mit den Geldern der Anleger.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Drahtziehe­r eines Millionenb­etrugs wurde am Mittwoch ins Gerichtsge­bäude geführt, wo er die Vorwürfe gestand. Es ging um betrügeris­che Firmen, die Namen wie „Firmenwelt­en“oder „Wurstwelte­n“trugen.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Drahtziehe­r eines Millionenb­etrugs wurde am Mittwoch ins Gerichtsge­bäude geführt, wo er die Vorwürfe gestand. Es ging um betrügeris­che Firmen, die Namen wie „Firmenwelt­en“oder „Wurstwelte­n“trugen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany