Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Es kreucht und fleucht in den Gärten
Ein Modellprojekt in der Schafweidsiedlung liefert Ergebnisse zum Insektenvorkommen. Was die Expertinnen für mehr Artenreichtum im Garten empfehlen.
In wenigen Wochen bricht der Frühling an, dann kreucht und fleucht es wieder in Augsburgs Gärten. Wie viele Insekten jedoch im hauseigenen Grün heimisch werden, hängt maßgeblich von der Struktur des Gartens ab. Um herauszufinden, welche Tierchen sich im Augsburger Siedlungsgebiet niederlassen und ob bestimmte Maßnahmen die Artenvielfalt tatsächlich steigern können, hat das Bayerische Artenschutzzentrum (BAYAZ) zusammen mit der Insektenrangerin Tine Klink vom Umweltbildungszentrum Augsburg in der Schafweidsiedlung ein Modellprojekt durchgeführt. Die Ergebnisse sind eindeutig – und doch gibt es Überraschungen.
Hintergrund der Studie ist, dass es bisher keine Datenbasis zum Insektenvorkommen im Siedlungsbereich der Stadt Augsburg gegeben habe, erklärt Klink. „Wir sehen zwar, dass es in Blühwiesen mehr Insekten gibt. Aber das konnten wir nicht mit Zahlen unterlegen.“Deshalb forcierte Klink zusammen mit Michaela Spindler vom BAYAZ das Modellprojekt. Die Schafweidsiedlung eigne sich hervorragend, weil es hier viele größere Gärten gebe, sagt Spindler. Dass Gärten eine gewichtige Rolle unter Bayerns Grünflächen einnehmen, zeigen die Zahlen.
Mit knapp zwei Prozent der Landesfläche machen diese beinahe so viel aus wie die gesamte Fläche der Naturschutzgebiete im Freistaat. Zwischen April und September 2022 stellten die Expertinnen deshalb sieben Malaise-fallen – Zeltfallen für fliegende Insekten – in fünf Privatgärten und auf zwei bewirtschafteten Streuobstwiesen auf. Ergebnis: In den rund sechs Monaten flatterten 1409 verschiedene Insektenarten in die Netze, 39 davon stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. „Insekten sind die artenreichste Spezies der Welt“, sagt Klink. Von den Millionen Arten, die die Welt bevölkern, seien bei Weitem nicht alle bekannt. In der Schafweidsiedlung flogen in die Malaise-fallen neben den häufigen
Arten wie dem Admiral, der Honigbiene oder dem Siebenpunktmarienkäfer auch seltene Tiere. So etwa der stark gefährdete Weinreben-prachtkäfer, der Schwarze Kohltriebrüssler sowie die gefährdete Schmale Urameise. Insgesamt sei zu erkennen, dass die extensive Streuobstfläche die mit Abstand größte Anzahl an verschiedenen sowie gefährdeten Arten aufweist, erklärt Spindler. Überraschend sei für sie gewesen, dass weder eine Gewöhnliche noch eine Deutsche Wespe in die Fallen geflogen sei. „Woran das liegt, können wir aktuell nicht sagen“, so Spindler.
Gärten sind unterschiedlich angelegt und gestaltet. Ein zentrales Ergebnis des Modellprojekts sei, dass sich sowohl das Fanggewicht
als auch die Artenzusammensetzung unterschieden, so Spindler. „Die Ursachen können verschiedene sein: umgebende Bebauung und Bewuchs, angrenzende Infrastruktur, Strukturvielfalt im Garten“. Auch die Belichtungsverhältnisse und das Blütenangebot spielten eine zentrale Rolle. Einer der Gärten habe nach der Streuobstwiese die meisten Arten aufgewiesen. „Der Garten ist strukturreich, bietet über die gesamte Vegetationsperiode blühende Pflanzen und besitzt Totholz sowie eine dichte Hecke aus heimischen Gehölzen“, sagt Spindler. Es werde außerdem seltener gemäht. Das sind wichtige Faktoren, damit sich die Insekten wohlfühlen.
Klink und Spindler empfehlen, strukturreiche Gärten anzulegen
mit beschatteten und besonnten Bereichen. Darüber hinaus sei wichtig, für ein heimisches Blühangebot während der gesamten Vegetationsperiode zu sorgen. Klink nennt die Kornelkirsche als Frühblüher und das Gewöhnliche Leinkraut als spät blühende Staude. Auch Totholz bereitzustellen, könne zusätzlichen Lebensraum für die Tiere schaffen. „Wir erwarten nicht, dass die Menschen ihre Gärten umgraben. Gut ist aber, wenn man etwas Neues anlegt, einheimische Gartenpflanzen einzusetzen“, sagt Klink. „Je mehr es blüht, desto besser.“2026 werden die Expertinnen erneut Malaisefällen in den Gärten der Schafweidsiedlung aufstellen. Dann wird sich zeigen, wie sich die Artenvielfalt vor Ort entwickelt hat.