Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Er managt das Gögginger Märchensch­loss

Rund 190 Veranstalt­ungen gehen in einem der schönsten Theater Europas jährlich über die Bühne. Kurhaus-geschäftsf­ührer Stefan Weippert hat dabei alle Hände voll zu tun.

- Von Wolfgang Langner

Wenn dieses Glück nicht perfekt ist? Er im eleganten, grauen Anzug. Rote Fliege, weißes Einstecktu­ch. Sie im figurbeton­ten weißen Brautkleid. Die Hobbyfotog­rafen bestehend aus Freunden, Bekannten und Familienmi­tglieder halten diesen Moment für die Ewigkeit fest, wenn sich das Paar vor dieser atemberaub­enden Kulisse küsst. Wer sich diesen besonderen Tag etwas kosten lässt, der kann mit einer Hochzeitsf­eier im Gögginger Kurhaus beeindruck­en. Was kostet dort der schönste Tag im Leben?stefan Weipper, Chef im Kurhaus, gibt die Antwort: „Das kann man pauschal nicht beantworte­n. Wir haben ja unterschie­dliche Säle.“Es gebe den kleinen Saal, dann habe man Seitenflüg­el, die teilweise vermietet werden. Und auch der Theatersaa­l stehe zur Verfügung. Diesen Saal könne man auch unterschie­dlich bestuhlen. Weippert: „Die Basismiete für den kleinen Saal beträgt 600 Euro. Das kann sich bis zu mehreren 1000 Euro steigern.“

Der 59-jährige Weippert, der in Ochsenfurt geboren wurde und das Kulturhaus in Lüdenschei­d leitete, kam zu seinem Job als Geschäftsf­ührer des Kurhauses in Göggingen im Jahr 2016 wie die Jungfrau zum Kind. „Es war eine lustige Geschichte. Bei mir klingelte das Telefon und der Anrufer war der damalige Augsburger Kulturrefe­rent Thomas Weitzel und der sagte: Ich habe gehört sie wollen wieder zurück in den Süden.

Weippert lächelt: „Ich hatte mich zwar beworben, als dort ein Platz frei wurde, aber ich hatte trotzdem nicht damit gerechnet und habe nachgefrag­t, was ausschlagg­ebend war.“Weitzel sagte: „Ich bin auch aus Lüdenschei­d. Meine Mutter wohnt immer noch da und sagte zu mir, Sie machen da ein tolles Theater-programm.“

Für Weippert war Augsburg in Sichtweite: „Natürlich musste ich noch alle Verfahren durchlaufe­n.“Dabei hatte Weippert seine erste Begegnung mit dem Kurhaus bereits im Jahr 1997. Damals spielte der Musiker (Kontrabass) mit seiner Frau Hanna und dem „Adonis Salonorche­ster“auf einer privaten Feier und war begeistert. Obwohl das Gebäude damals teilweise noch eingerüste­t war, fasziniert­e ihn das Gebäude: „Eines der schönsten Theater in Europa und ich habe viele gesehen.“Das mit dem „schönsten Theater“hat er schon oft gehört, seit er in Augsburg ist. Mittlerwei­le hat er selbst aber die Musik aufgegeben: „Das bringt nichts, wenn man nicht

üben kann und dann die Töne nicht mehr trifft.“Dazu sei er zu beschäftig­t mit den Aufgaben als Geschäftsf­ührer.

Im Stadtteil Göggingen wirkt der Prachtbau, der im Jahr 1885 als „Orthopädis­che Heilanstal­t“entstand und eine wechselvol­le Geschichte hinter sich hat, wie ein kleines Märchensch­loss. Während des 2. Weltkriege­s wurde es zu einem Lichtspiel­haus umgebaut und auch als Kriegsgefa­ngenenlage­r zweckentfr­emdet. Anfang der 1970er Jahre „zündelten“dann fünf Buben im Innern des Gebäudes und das Kurhaus wurde schwer beschädigt. Erst 1996 fand dann die Wiedereröf­fnung statt. Damals war sogar im Gespräch dort eine Spielbank zu eröffnen. Im Internetfo­rum „Geheimtipp Augsburg“schrieb ein Fotograf: Die ganze Gegend erinnert an Starnberg nur ohne See. Um das Gebäude selbst kümmert sich der Zweckverba­nd Augsburg-göggingen.

„Wir sind hier nur der Mieter“, so Weippert.

Im Jahr finden rund 190 Veranstalt­ungen statt. 372 Plätze sind vorhanden. Attraktiv ist das Kurhaus auch für Veranstalt­ungen im Außenberei­ch. So hat der traditione­lle Weihnachts­markt viele Anhänger. Zum großen Teil bestehen Veranstalt­ungen aus Klassik und Kabarett. Pop fehlt nicht ganz. So spielt am 13. April das Duo Graceland, dass sich spezialisi­ert hat auf Coverversi­onen von Simon & Garfunkel. „Wir haben in Augsburg ein Staatsthea­ter, das das klassische Repertoire bedient. Es würde keinen Sinn machen, wenn wir etwas Ähnliches anbieten. „

Weippert ergänzt: „Als ich 2016 hierherkam, hat in Augsburg die Kresslesmü­hle ihren Betrieb eingestell­t und deshalb war es für Kabarettis­ten schwer etwas anderes zu finden.“er habe bereits in Lüdenschei­d viel mit Kleinkunst zu tun gehabt. So tritt demnächst im Kurhaus

auch Django Asül (13. Juni) auf. Weippert hat keine speziellen Favoriten: „Ich freue mich immer, wenn eine Veranstalt­ung gut gemacht ist. Es muss nicht alles intellektu­ell sein. Es muss stimmig und handwerkli­ch gut gemacht sein.“

Am schlimmste­n war für ihn die Coronazeit. „Da waren wir wirklich geschockt, aber es haben uns dann doch einige Rettungs- und Förderungs­programme geholfen. Auch mit den Kurzarbeit­ergeldern hat alles geklappt und wir konnten alle unsere Mitarbeite­r nach Corona halten.“Zur Coronazeit war das Kurhaus nur mager besetzt. „Nur die Buchhalter­in und ich haben jeden Tag gearbeitet. Kartenrück­gabe, Terminände­rungen, nur am Abend gab es halt kein Theater.“

Das Kurhaus konnte ein Zuckerl anbieten. „Wir haben unser Haus auch da gut vermarktet, weil die Metropolit­an Oper hier war und das Neujahrsko­nzert live gestreamt hat“, meint Weippert. Außerdem

wurde für den Film „der Passfälsch­er“das Gebäude für Dreharbeit­en zur Verfügung gestellt. Das Kurhaus hat derzeit eine Auslastung von 80 Prozent, eher mit Tendenz nach oben. Festgestel­lt hat Weippert, dass einige Besucher nach der Coronazeit „schroffer“geworden sind – Thema Garderoben­pflicht. „Viele sträuben sich, die Jacken oder Mäntel abzugeben. Das ist eine immerwähre­nde Diskussion. Da geht es den Kollegen in ganz Deutschlan­d so.“

Stefan Weippert, der mit seiner Frau und dem 23-jährigen Sohn Wieland mitten in der Stadt wohnt, hat nicht mehr vor, den Standort zu wechseln. Sein Job macht ihm – Garderobe hin, Garderobe her – sichtlich Spaß. „Ich freue mich über die Gäste, die neugierig sind. Wenn man nichts riskiert, kann man nichts erleben. Unser schönes Haus ist auch Urlaub vom Alltag. Das ist der Bonus.“

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Stefan Weippert ist Geschäftsf­ührer des Kurhauses in Göggingen. Der Weg führte ihn von Lüdenschei­d nach Augsburg.
Foto: Annette Zoepf Stefan Weippert ist Geschäftsf­ührer des Kurhauses in Göggingen. Der Weg führte ihn von Lüdenschei­d nach Augsburg.

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