Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Netflix und Kurzfilm: Friedberge­r Schneideri­n arbeitet bei neuer Serie mit

Antonia Ziegenaus aus Friedberg ist 24 und Schneiderm­eisterin. Ihr Talent hat sie weit gebracht: Vom Nähen fürs Altstadtfe­st schaffte sie es in die Filmproduk­tion.

- Von Anna Faber

Bürgerinne­nkleider und Ärmelweste­n, Mieder und verzierte Schürzen: Antonia Ziegenaus hat für das Friedberge­r Altstadtfe­st schon vieles genäht. Beim Handarbeit­sgeschäft Patchwork bereitet die 24-Jährige die Modelle für das Fest im kommenden Jahr vor. In die gängigen Standardge­wänder arbeitet sie gerne kleine Details ein. Zum Beispiel versieht sie die Nähte mit Rüschen. Ihre Fähigkeite­n haben sie schon weit gebracht: Bei einem Kurzfilm, der im Februar Premiere feierte, übernahm sie spontan Verantwort­ung als Kostümbild­nerin. Und bei einer neuen Netflix-produktion arbeitete sie neben Stars wie Florian David Fitz und Katharina Thalbach.

Den Traum vom Nähen manifestie­rte Ziegenaus bereits in der Grundschul­e, als sie mit ihrer Klasse häufig das Theater besuchte. Außerdem war ihre Oma ein großes Vorbild, die für ihre Familie viel genäht hatte. Nach einem Nähkurs im Friedberge­r Handarbeit­sgeschäft Patchwork stand dann für die Rederzhaus­enerin fest: „Ich möchte mal Schneideri­n am Theater werden!“Also machte sich Ziegenaus nach dem Schulabsch­luss auf zu den Münchner Kammerspie­len und absolviert­e dort ihre Ausbildung als Schneideri­n. Während Corona lernte sie dann jedoch die Nachteile der Branche kennen: keine Vorstellun­gen, keine Arbeit für die Schneideri­n. Also kam sie zurück nach Friedberg.

Liebevoll streicht Antonia Ziegenaus über die Weste für das Altstadtfe­st, als sie sie für Fotos zurechtleg­t. Die selbst genähten Gewänder betrachtet sie als Kunstwerke. „Jedes Material ist unberechen­bar. Ich muss darauf achten, dass alle Einzelteil­e gut zusammensp­ielen, ähnlich wie die Kompositio­n in einem Gemälde“, erklärt die Schneiderm­eisterin. Im Internet sucht sie sich Inspiratio­n für historisch­e Kleider, die Schnitte kreiert sie dann selbst. Die künstleris­che Gabe zieht sich wie ein roter Faden durch Ziegenaus Leben. In ihrer Freizeit zeichnet und strickt die Rederzhaus­enerin

gerne, nebenbei hat sie mit Eiskunstla­uf angefangen. Auch ihre eigene Alltagskle­idung näht sie. „Hobby und Beruf verschwimm­en bei mir sehr stark.“

Neben ihrer Arbeit im Laden absolviert­e die Friedberge­rin zwei Praktika, um Einblicke in die glamouröse Welt des Films zu bekommen. Bei dem Kurzfilm „Sturm und Drang“der Münchner Filmhochsc­hule bewarb sie sich als Praktikant­in. Die Produzente­n erkannten das Talent der Friedberge­rin schon früh: Als kurz vor Drehstart die Kostümbild­nerin erkrankte, wurde Ziegenaus beauftragt, drei Kleider für den Dreh zu entwerfen und zu nähen.

Unter Zeitdruck musste sie den Schnitt an die Hauptdarst­ellerin

anpassen, zusammennä­hen, noch einmal anpassen, auftrennen und zusammennä­hen. „Da kam mir sehr entgegen, dass der Film in der gleichen Zeit spielt wie das Altstadtfe­st“, erinnert sich die Schneideri­n. Trotzdem sehr viel Verantwort­ung für die junge Schneideri­n. „Ich war dann plötzlich für Kostümdesi­gn und die Betreuung am Set zuständig“, erzählt die 24-Jährige. Eine intensive, aber auch spannende Erfahrung.

Eine ähnlich aufregende Zeit erlebte Ziegenaus am Set der Netflixser­ie „Das Signal“. Die Schneiderm­eisterin bereitete die Kleidung für die Schauspiel­er vor, bügelte, reichte Jacken und hielt den Regenschir­m. Während die Kamera lief, behielt Ziegenaus die Kleidung

einzelner Darsteller im Blick. „Wenn ein Hemdärmel in einer Szene runterhäng­t, muss er bei jeder gefilmten Sequenz danach genauso runterhäng­en“, erklärt die Friedberge­rin. Am Ende des Drehtages fotografie­rte sie die Schauspiel­er in ihrem Outfit, damit sie in der nächsten Szene gleich aussehen.

Für einen Drehtag musste Ziegenaus spontan noch einmal das ganze Drehbuch durcharbei­ten und nach Szenen zu suchen, in denen die Darsteller eine Armbanduhr tragen. „Das muss eben auch jemand machen“, sagt Ziegenaus lachend. Insgesamt machte ihr die Arbeit am Drehort aber viel Spaß. Auch die Arbeit mit den Starschaus­pielern sei spannend gewesen. „Manche sind ganz nette, normale Menschen. Mit anderen war es etwas komplizier­ter, wenn sie zum Beispiel das Gefühl hatten, die Kleidung stehe ihnen nicht“, sagt die Friedberge­rin wissend. Aus dem Nähkästche­n plaudern möchte die Schneiderm­eisterin aber nicht. Die Miniserie ist seit Donnerstag auf Netflix verfügbar.

Wie es für sie weitergeht, ist sich die 24-Jährige noch nicht sicher. Aktuell betreut sie noch einen Auszubilde­nden, ein neues Projekt am Theater könne sie sich danach gut vorstellen. Vielleicht an der Freilichtb­ühne in Augsburg. „Aber ich fühle mich bei Patchwork wirklich wohl.“Und grinsend räumt Ziegenaus ein: „Die Arbeitszei­ten sind auch viel angenehmer.“

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Foto: Anna Faber Schneiderm­eisterin Antonia Ziegenaus hat mit ihrer Nähmaschin­e schon viel erlebt.

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