Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie sie zurück in den Berufsallt­ag fand

Nach Jahren ohne feste Anstellung hat Manuela Rehm endlich wieder einen Arbeitspla­tz. Mit Bewerbunge­n allein war das nicht möglich. Langzeitar­beitslose brauchen Hilfe.

- Von Andrea Wenzel Kommentar

Manuela Rehm kommt aus dem Lächeln nicht mehr heraus, als sie vor einigen Tagen ihren festen Arbeitsver­trag bei Tante Emma B.I.B in Augsburg unterschre­ibt. Nach vielen Jahren hat sie wieder einen festen Job und arbeitet in der Küche des Cafés im Ellinor-hollandhau­s. Die Zeiten, in denen sie von Minijobs, Arbeitslos­engeld und anderen Sozialleis­tungen lebte, sind vorbei. Sie hat als Langzeitar­beitslose den Weg zurück in den Job geschafft – aber nicht ohne Hilfe.

Manuela Rehm arbeitet als gelernte Schuhfachv­erkäuferin, als sie 2002 Mutter wird und aus dem Job aussteigt. Weil Ihr Sohn aufgrund einer Behinderun­g mehr Unterstütz­ung braucht, dauert die Auszeit länger. Dann kommen die Trennung vom Ehemann und eigene gesundheit­liche Probleme, die Rückkehr in eine sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung rückt in immer weitere Ferne, obwohl Rehm 2012 noch eine zweite Ausbildung zur Hauswirtsc­hafterin abschließt. Sie rutscht in die

Langzeitar­beitslosig­keit, aus der sie – wie viele andere der rund 3550 Langzeitar­beitslosen in Augsburg und der Region (Stand: Februar 2024) – nicht mehr aus eigener Kraft heraus kommt.

„Die Schwierigk­eiten meines Sohnes und meine eigenen gesundheit­lichen Probleme waren zeitweise für mich so belastend, dass ich mich nicht dazu motivieren konnte, mich um ein festes Arbeitsver­hältnis zu bemühen“, erzählt Rehm. Zwar habe sie zwischendu­rch immer wieder kleine Jobs gehabt, aber mehr sei es nie geworden. Dass sie noch dazu ohne Auto weit außerhalb Augsburgs in Fischach wohnte, habe die Sache noch schwierige­r gemacht. „Da ist die Auswahl an möglichen Arbeitgebe­rn eingeschrä­nkt. Näher an die Stadt ziehen konnte ich mir wegen der hohen Mieten aber nicht leisten“, berichtet sie von einem Teufelskre­is.

Eine Gemengelag­e, wie sie Christian Holzheuer kennt. Er kümmert sich beim Jobcenter Augsburg-land um Langzeitar­beitslose. „Viele von ihnen schaffen es nicht aus eigener Kraft zurück in den Job, weil sie in der Regel

mehrere Probleme haben“, so der Experte. So fehle einigen der Führersche­in, was sie unflexibel mache, andere hätten mit Suchtprobl­emen zu kämpfen oder hätten aufgrund einer langen Arbeitslos­igkeit nicht mehr den erforderli­chen Wissenssta­nd, um im (erlernten) Beruf Fuß zu fassen. Dazu kommt: „Eine Arbeitsauf­nahme verändert viel, da man plötzlich keine Zeit mehr hat, sich um seine persönlich­en Probleme zu kümmern. Das überforder­t manche“, beschreibt Holzheuer weiter. Das zuletzt immer wieder angeführte Argument, man könne dem aktuellen Personalma­ngel begegnen, in dem man Langzeitar­beitslose zurück in die Berufswelt hole, sei demnach nicht realistisc­h.

Auch Manuela Rehm hat eine Zeit lang gebraucht, um wieder im Arbeitsleb­en Fuß zu fassen. Ihr hat das Teilhabech­ancengeset­z geholfen, das es seit 2019 gibt und das sie als eine der Ersten nutzen konnte. Es finanziert Unternehme­n, die Langzeitar­beitslose beschäftig­ten, einen großen Teil der Lohnkosten über zwei oder fünf Jahre. Dafür gibt es für die Teilnehmen­den kein Bürgergeld mehr. Betreut

werden die Menschen die gesamte Dauer über individuel­l von einem Coach wie Christian Holzheuer. Das beginnt mit der Gewöhnung an einen geregelten Ablauf im Alltag und reicht bis – im Idealfall – zur Vertragsun­terzeichnu­ng nach Abschluss der Maßnahme. Seit 2019 hat das Jobcenter Augsburg-land bislang 101 Menschen auf diesem Weg unterstütz­t. In der

Stadt waren es zuletzt 65 Menschen. Etwa die Hälfte findet am Ende der Förderung erfolgreic­h den Weg zurück ins Berufslebe­n.

So auch Manuela Rehm. Seit einigen Tagen ist sie fest bei Tante Emma als Hauswirtsc­hafterin angestellt. „Ich arbeite eigentlich überall, wo ich gebraucht werde, aber vorwiegend und gerne in der Küche“, erzählt die 58-Jährige. Bei Kolleginne­n und Kollegen sowie den Gästen war sie von Beginn an beliebt und wegen ihrer Backkünste schnell als „Kuchenfee“bekannt, erzählt Holzheuer. Als nach einem gesundheit­lichen Rückschlag eine Anstellung bei Tante Emma auf der Kippe stand, sei für sie beinahe eine Welt zusammenge­brochen. „Ich wollte das doch unbedingt“. Also kämpfte sich Rehm zurück – mit Erfolg.

Wieder in einem festen Arbeitsver­hältnis zu sein, sei für sie wie ein Lottogewin­n. „Ich habe jetzt mein eigenes Geld, bin nicht aufs Amt angewiesen, muss nicht mehr regelmäßig meine Finanzen offenlegen und jeden zu viel ausgegeben­en Euro rechtferti­gen“, ist Rehm erleichter­t. Grundsätzl­ich habe sie für diese Vorgaben Verständni­s, dennoch sei das Gefühl aufgekomme­n, sich „nackig“machen zu müssen. Ihre Situation habe sie zur Außenseite­rin gemacht, zu Hause sei ihr zeitweise die Decke auf den Kopf gefallen. Nach wie vor wohnt Manuela Rehm in Fischach und pendelt mit dem ÖPNV täglich drei Stunden, um in Augsburg zu arbeiten. „Das ist es mir aber wert. Ich liebe diesen Job, ich mag die Menschen hier. Das ist mittlerwei­le ein Teil meiner Familie.“Sie sei dankbar, diese Chance bekommen zu haben.

Es beginnt mit der Gewöhnung an einen geregelten Alltag.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Manuela Rehm war viele Jahre lang arbeitslos. Über das Teilhabech­ancengeset­z hat sie den Weg zurück ins Berufslebe­n geschafft.
Foto: Peter Fastl Manuela Rehm war viele Jahre lang arbeitslos. Über das Teilhabech­ancengeset­z hat sie den Weg zurück ins Berufslebe­n geschafft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany