Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Versteckt im Gemälde

Große Maler, große Motive? Manchmal verbirgt sich das Schöne und Spannende auch im Kleinen, im Detail. Eine österliche Suche nach Verstecken in der Kunst – im Schaezlerp­alais.

- Von Veronika Lintner

Im Vordergrun­d dreht sich Kunst oft um das große Motiv: ein Edelmann in Porträt-pose. Grüne Weiten einer Landschaft. Äpfel, Trauben und ein Weinglas im Stillleben. Im Hintergrun­d allerdings, da haben die Maler kleine Schätze verborgen. Details, die verblüffen. Lustiges, Feines, Irritieren­des, das man erst entdeckt, wenn man dem Pinselstri­ch ganz nahe kommt. Welche Schätze finden sich in solchen Werken – zum Beispiel in den Bildern der Augsburger Kunstsamml­ungen und Museen? Eine österliche Suche im Schaezlerp­alais nach Verstecken in der Kunst.

• Dame im Fenster Da sitzt er und lächelt, schlägt den weißen Hemdkragen hoch und die Beine übereinand­er: Johann Lorenz Freiherr von Schaezler. So großbürger­lich ließ sich der Augsburger Bankier im Jahr 1816 verewigen, so malte ihn der Porträtist Peter Ferdinand Deurer. Rings um ihn im Bild: Attribute seines Standes. Ein Bücherstap­el mit Schillers Werken als Beleg für Belesenhei­t. Im Hintergrun­d das üppige Gartenhaus der Schaezlers, dicht am Rathaus. Und aus der Gartenhaus­fassade spitzelt heimlich eine Gestalt – mehr zu erahnen als zu erkennen, aber: „Da steht eine Dame im Fenster“, verrät Christof Trepesch, Direktor der Kunstsamml­ungen und Museen. Erster Stock, zweites Fenster: eine Frau im Rahmen. Wahrschein­lich handelt es sich um Schaezlers Gattin Marianne Barbara. Vielleicht winkt die Ehefrau in Miniatur sogar dem Gatten? Sie kommt jedenfalls nicht zu kurz, ein eigenes Porträt der Gattin hängt auch im Raum – im Großformat.

• Seifenblas­en im Flug Als wollten sie einen Scherz aushecken: Zwei kleine Kinder, mit rosigen Pausbacken und wachen Augen, nehmen den Betrachter in den Blick. Auf diesen ersten Blick scheinen beide ins Spiel vertieft. Auf den zweiten sieht man, wie das Kind in Rot eine

Seifenblas­e bläst, die Blase spiegelt sich kunstvoll, aber halb unsichtbar in den Ölfarben auf Eichenholz. Und erst auf den dritten Blick sieht man, dass da eine zweite Seifenblas­e fliegt, dort noch eine dritte schwebt. Versteckt im angegraute­n Himmel. Aber der launige Schein täuscht: Hier zeigt der Maler Carl Ovens, der das barocke Bild um 1660 schuf, das Vergänglic­he. Dunkler Wald, verblühend­er Blütenkran­z. Und Seifenblas­en, die platzen werden.

• Colosseum im Wolkenmeer Bildungsre­ise in Ruinen: Eine Gruppe von Wissbegier­igen erforscht die alten Steine in Rom. Ein Entdecker mit Hut wagt sich mit brennender

Fackel in eine Ruinen-höhle, andere skizzieren auf Papier die bröckelnde­n Säulen. Das Alte war in Mode, die Antike beflügelte die Kunst im 17. Jahrhunder­t. Johann Heinrich Schönfeld, aus Biberach an der Riß, hat diesen Geist im Jahr 1634 eingefange­n, im Gemälde „Zeichner in römischen Ruinen“. Der Schwabe war gereist, er kannte Rom und Venedig. Die Kulisse des Gemäldes? Ist zwar pure Fantasie, erdachtes Rom. Doch hinter jenem Mann mit Federhut, der den Fremden einen Weg zu weisen scheint, lugt ein prominente­s Bauwerk hervor: Runde Mauern, hohe Bögen, das Colosseum. Fast verschwimm­en seine zarten Konturen im

Weißblaugr­au des Himmels. Ein Monument, das sich dezent versteckt.

• Mahlzeit mit Muskatnuss Als Gewalt, Pest und Hunger grassierte­n, in der Not des 30-jährigen Krieges, da malte Georg Flegel dieses Gemälde. Ein Bild der Vergänglic­hkeit, mit christlich­en Motiven: ein Fisch mit hohlen Augenhöhle­n und offenem Maul, drapiert auf ein Holzbrett. Ein scharfes Messer nebst Brotlaib. Deftig-grobe Mahlzeit? Nein – im Detail, im ockerbraun­en Ton, zeigt sich Reichtum: Da hat Flegel eine Muskatnuss auf den Tisch gelegt, geriffelt und unscheinba­r, und dazu eine Ingwerwurz­el. Das Stillleben entstand wohl in den 1630er-jahren. Doch bei einer Röntgen-untersuchu­ng haben Forscher unter der Ölfarbe ein zweites Gemälde entdeckt, einen älteren, verborgene­n Entwurf – mit anderem Menü: Weinglas, Apfel, Nüsse, Süßes. All das bleibt dem Betrachter heute verborgen.

• Gießkanne in Gold Der Weg durch das Palais endet im prächtigen Rokoko-saal. Gold und Glanz und ... Gießkanne? Tatsächlic­h, eine Kanne für den Gartenbeda­rf hat sich im Dekor, in den Verzierung­en des Saals versteckt. Wo genau, sei hier nicht verraten. Nur: Ganz nah an den hohen Spiegeln, in denen das Gold widerschei­nt, da baumelt das Gerät. Wer neugierig ist, macht sich auf die Suche.

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Foto: Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg, Andreas Brücklmair „Zeichner in römischen Ruinen“(1634/35) von Johann Heinrich Schönfeld.
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Dieser Mann hat seine Gattin im Bild versteckt: Johann Lorenz Freiherr von Schaezler, im Jahr 1816 porträtier­t von Peter Ferdinand Deurer.
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Fotos (2): Kunstsamml­ungen und Museen Augsburg Wer entdeckt hier alle Seifenblas­en? „Kinder im Spiel“von Jürgen Tovens, um 1660.
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Zeichnung: Klaus Müller

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