Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ostern als zweites Weihnachten?
Ein paar bunte Eier und ein Schokohase? Damit kann man bei vielen Kindern nicht mehr punkten. Eine Psychologin und eine Professorin über Geschenke zum Fest.
Ostern, das war früher eine klare Sache. Ein Schokohäschen, ein paar von Mama selbst gefärbte Eier, vielleicht noch eine Handvoll Schokoeier, die der Hase hinter der Regentonne, im Blumenbeet oder der Gartenhütte versteckt hatte – fertig. Hört man sich heute in Elternkreisen um, so drängt sich der Eindruck auf, dass Ostern mittlerweile, was die Geschenke anbelangt, schon fast an Weihnachten heranreicht. Da ist die Rede von Kitakindern, die schon kurz nach Aschermittwoch damit beginnen, Wunschzettel für den Osterhasen zu verfassen. Von Schülern, die Spielzeugkataloge wälzen und ihre Eltern noch einmal darauf aufmerksam machen, welche Dinge das Christkind zu Weihnachten vergessen hat und die nun doch der Hase bringen könnte.
Dass Ostern immer mehr zum zweiten Weihnachten mutiert, diesen Eindruck hat auch die Psychologin Sabine Silaschi-fuchs, die in der Erziehungsberatungsstelle der Katholischen Jugendfürsorge tätig ist. Sie selbst kann sich noch gut an ihre eigene Kindheit erinnern, in der es zum Osterfest ein paar Schokoladeneier gab. „Später war es dann vielleicht das Fahrrad, was ja von der Jahreszeit her Sinn gemacht hat“, sagt sie. Doch mittlerweile, so weiß sie aus den Beratungen, werden die Wünsche und Erwartungen der Kinder immer größer. Ein neues Handy, eine Spielekonsole – die Psychologin erlebt, dass Eltern hier zunehmend unter Druck stünden. Dem standzuhalten, sei mitunter nicht einfach.
„Die Kinder gehen heute oft davon aus, dass sie reich beschenkt werden.“Denn auch sie stünden immer stärker unter dem Druck,
sich mit anderen zu vergleichen. „Da ist ganz oft das starke Gefühl: Wie stehe ich denn da, wenn ich nicht erzählen kann, was ich Tolles zu Ostern bekommen habe?“Denn zunehmend würden Geschenke in der Gesellschaft mit Liebe gleichgesetzt. Den Kindern zu vermitteln, dass dem eben nicht so ist, sei nicht nur zu Ostern wichtig, sagt die Psychologin. Sie wolle Eltern ermutigen, für sich im Vorfeld klar festzusetzen, welche Geschenkedimensionen das Osterfest annehmen soll, und das gegenüber den Kindern auch klar zu vertreten.
„Dann nehmen sie das in der Regel auch gut an.“Gerade an Ostern biete sich die Möglichkeit, das Fest mit gemeinsamen Aktivitäten als Familie zu gestalten. Sei es mit einer Ostereiersuche, bei der zur Abwechslung mal die Kinder die Eier verstecken, mit einem besonderen Ausflug zu einem Wunschziel des Nachwuchses oder dem gemeinsamen Gestalten von Ostereiern oder -kerzen.
Auch Michaela Neumann, die an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für Didaktik des katholischen Religionsunterrichts und
Religionspädagogik lehrt, hat beobachtet, dass die Geschenke zu Ostern und auch generell in den vergangenen Jahren immer größer geworden sind. Seit jeher seien die christlichen Feste mit Geschenken verbunden. An Weihnachten ging es ursprünglich darum, in der lebensbedrohlichen Zeit des Winters die Schwachen zu unterstützen, hauptsächlich mit Nahrungsmitteln. Der Brauch, sich an Ostern Eier zu schenken, gehe auf eine heidnische Tradition zurück – mit dem Ei als Symbol für das aufkeimende Leben im Frühling. Neumann findet, dass Geschenke die Bedeutung des Festes unterstreichen können. Wenn es jedoch zu stark um den Konsum gehe, sei das schade. „Schließlich ist Ostern das Zentrum des christlichen Glaubens.“
Kindern zu erklären, warum Christen dieses Fest feiern, das sei natürlich nicht so einfach wie an Weihnachten. Viele Eltern, sagt Neumann, sprächen vor allem über die Passionsgeschichte, über das Leiden und Sterben Christi. Die Auferstehung, das zentrale Element des Osterfestes, rücke da oft in den Hintergrund. „Die Freude und das Aufbrechen von ewigem Leben ist das Entscheidende. Das ist vielen nicht bewusst, die bleiben am Karfreitag stehen.“Neumann empfiehlt deshalb für die Ostertage einen Besuch in St. Moritz in der Augsburger Innenstadt, in der der auferstandene Jesus, und nicht der gekreuzigte, im Mittelpunkt steht. Vielleicht eine gemeinsame Teilnahme am Emmausgang anstelle des Kreuzwegs, dazu die Geschichte vom ungläubigen Thomas. So könne man Kindern die Hintergründe des Festes nahebringen. Die Geschichte eines ganz besonderen Geschenks an die Menschen.