Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Blaue Lebensadern im Stadtwald
Bis 2027 will die Forstverwaltung den ehemaligen Auwald wiederherstellen. Davon profitieren sollen Fische und Kleinstlebewesen. Welche Schritte vorgesehen sind.
Am Alten Mühlbach bleibt Alexander Herz stehen. Das Wasser ist kristallklar, die Frühlingssonne schimmert auf der Oberfläche des Quellbachs. „Hier, sehen Sie, eine Köcherfliegenlarve“, sagt Herz. Er holt die Larve mitsamt hölzernem Kokon aus dem flachen Wasser und betrachtet sie. „Solche Tierchen sollen sich künftig vermehrt hier aufhalten.“Herz ist Projektmanager des Life-programms, das bis 2027 die Bäche im Stadtwald ökologisch aufwerten soll. Für Kleinstlebewesen und Fische bedeutet das eine Verbesserung ihres Lebensraums, für den Stadtwald im Ganzen einen Schritt hin zum ursprünglichen Auwald-charakter.
Über Jahre seien die Vorbereitungen und Planungen gelaufen, erklärt Eva Ritter, stellvertretende Leiterin des Forstamts. Schließlich habe man die Bewerbung eingereicht und den Zuschlag bekommen. Das „Life-programm Stadtwald-bäche“ist Teil des Projekts „Natura 2000“, das ein europaweites Schutzgebiet für bedrohte Arten und Lebensraumtypen schaffen soll. Für den Augsburger Stadtwald steht ein Budget von 6,6 Millionen Euro zur Verfügung. 60 Prozent davon trägt die Europäische Union, der Rest verteilt sich auf das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, den Bayerischen Naturschutzfonds und die Stadt Augsburg. Die Stadt trägt mit gut 650.000 Euro rund zehn Prozent der Kosten.
Geplant ist, die Bäche bis 2027 in den natürlichen Zustand zu versetzen. Konkret bedeute das, die
Bäche für Fische aber auch Kleinstlebewesen ökologisch durchgängig zu machen, erklärt Ritter. „Ihnen geben wir die Möglichkeit, vom Lech über die jeweiligen Bäche bis zum Lochbach zu gelangen, um an unterschiedlichen Stellen laichen oder ihre Larven ablegen zu können.“Durch den größeren Strukturreichtum profitiere der gesamte Stadtwald. Gelingen soll dies vor allem über zwei Maßnahmen. „Wir nehmen künstlich geschaffene Schwellen raus und vergrößern die Durchlässe“, so Ritter. Der Anschluss des Bachsystems an den Lech ermöglicht es sowohl der kleinen, eher langsamen Mühlkoppe als auch der großen Huche sich hinaufzubewegen. Die zwei Arten sind die Extreme auf der Skala, dazwischen befinden sich beispielsweise die Barbe oder die Äsche. Mit dem größeren Strukturreichtum siedelten sich in den bachbegleitenden Lebensräumen vermehrt Insektenarten an. Angrenzende Fichten- und Kiefernbestände würden zudem aufgelichtet, um ursprüngliche Lebensräume wiederherzustellen. Dafür würden lebensraumtypische Arten wie Eichen, Schwarzerlen oder Flatterulmen gepflanzt, sagt Ritter.
Ziel der Maßnahmen ist, den ursprünglichen Auwald-charakter des Stadtwaldes wiederherzustellen. In früheren Jahrhunderten gab es hier noch regelmäßig Überschwemmungen
und einen höheren Grundwasserstand. Mit der Begradigung des Lechs und der Abholzung
des Mischwalds vor mehr als 100 Jahren wurde der natürliche Charakter des Auwalds beseitigt. 1924 kaufte die Stadt Augsburg das Areal und forstete mit Nadelbäumen, vor allem Fichten, auf – das erklärt die Monokulturen, die dem Standort eigentlich nicht entsprechen. Die Forstverwaltung setzt deshalb auf eine Diversifizierung des Waldes.
Beim Bachumbau, der 2025/2026 erfolgen soll, spielt der Trinkwasserschutz eine zentrale Rolle. Die Quellbäche dienten über Jahrhunderte hinweg als Trinkwassergarant für Augsburg, während der Lech die Stadt mit Brauchwasser versorgte. Damit die Fische künftig aus dem Lech in die jeweiligen Bäche zum Laichen gelangen, wird das zusätzlich eingeleitete Wasser oberhalb des Hochablasses wieder in den Lech zurückgeleitet. Dafür muss an der Mündung ein Bauwerk mit Absperrvorrichtung gebaut werden, um zu verhindern, dass der Stadtwald bei Hochwasser unkontrolliert geflutet wird. Das wäre für das Trinkwasser ein Problem.
Bis zum voraussichtlichen Start im kommenden Jahr gebe es noch kleinere Hürden zu nehmen, sagt Ritter. Die Idee zur Wiederherstellung des ehemaligen Lechauwalds sei über Generationen hinweg getragen worden. „Dass es bald konkret wird, ist ein befreiendes Gefühl“. Der Schatz des Stadtwaldes liege in seinen trockenen und feuchten Lebensräumen und deren enger Verknüpfung wie in einem Mosaik. Dass nun vor allem die Bäche aufgewertet würden, sei logisch, so Ritter. „Sie sind die Lebensadern des Stadtwaldes.“
Der Schatz des Stadtwaldes liegt in seinen trockenen und feuchten Lebensräumen.