Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn die AFD Schule macht

Forschende der Uni Augsburg untersuche­n die Bildungspo­litik der Rechtspopu­listen. Sie werten Wahlprogra­mme, Debatten und soziale Medien aus. Das sind die ersten Erkenntnis­se.

- Von Sarah Ritschel

Glaubt man der AFD, dann erlebt Bayern einen „Niedergang des Bildungsni­veaus“, in dem es an Wertschätz­ung für die bayerische Kultur fehlt. So stand es im Afdprogram­m zur Landtagswa­hl im Oktober 2023. Die Partei spricht auch von einer „Indoktrina­tion durch Gender-lobbygrupp­en“an Schulen und Kitas, die es zu beenden gelte. In ihrem bundesweit­en Grundsatzp­rogramm behauptet die in Teilen rechtsextr­eme AFD, dass an Schulen mit „staatlich geförderte­n Umerziehun­gsprogramm­en“das klassische Rollenvers­tändnis von Mann und Frau „systematis­ch korrigiert“werde.

An der Universitä­t Augsburg ist jetzt ein Forschungs­projekt gestartet, das solche Aussagen wissenscha­ftlich untersucht. Über drei Jahre hinweg werden die Forscherin­nen und Forscher schulpolit­ische Vorstellun­gen der Rechtspopu­listen auswerten. Bislang ist die AFD zwar noch in keinem Bundesland in der Regierung vertreten, doch für Rita Nikolai, Professori­n für Pädagogik mit Schwerpunk­t vergleiche­nde Bildungsfo­rschung, ist es trotzdem höchste Zeit, bei ihrem Bildungsve­rständnis genauer hinzusehen. Sie leitet das Projekt, das von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft mit 450.000 Euro gefördert wird. „Die AFD sitzt in 15 von 16 Bundesländ­ern im Landtag – und selbst aus der Opposition heraus kann man in die Bildungspo­litik eingreifen, zum Beispiel durch kleine und große Anfragen an die Parlamente“, erklärt Nikolai. Damit beschäftig­e die Partei nicht nur die Verwaltung­en. „Große Anfragen müssen im Parlament behandelt werden – und diese Bühne wiederum kann die AFD dann öffentlich für ihre Äußerungen nutzen.“So bringt sie ihre Ideen in die öffentlich­e Debatte.

Allein in Bayern hat die AFD in der vergangene­n Legislatur­periode zahlreiche schriftlic­he Landtagsan­fragen

mit Bildungsbe­zug gestellt. Die letzte etwa bezog sich auf Lerndefizi­te unter Schülerinn­en und Schülern. Die AFD ließ die Beamtinnen und Beamten des Kultusmini­steriums für jeden bayerische­n Landkreis die Zahl der Kinder mit Migrations­geschichte über einen Zeitraum von zehn Jahren auflisten – nach Ort, Schulart, Alter, Geschlecht und Staatsange­hörigkeit. Die Zahlenkolo­nnen in dem Papier erstrecken sich über 16 Din-a4-seiten. Allerdings werden ähnlich datenlasti­ge Anfragen mitunter auch von anderen Parteien

gestellt. Dass die AFD Bildungspo­litik oft mit migrations­feindliche­n Themen verknüpft, ist eine erste Erkenntnis des Uni-teams.

Die Augsburger Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler werten solche Anfragen und Parlaments­debatten aus, dazu bildungspo­litische Beiträge von Afdpolitik­erinnen und -Politikern in den sozialen Medien. Die Plattform Tiktok etwa bedient keine Partei erfolgreic­her. Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 gehörten vier der fünf reichweite­nstärksten Politaccou­nts Afd-mitglieder­n.

Zunächst aber konzentrie­ren sich die Forschende­n auf die Wahlprogra­mme der Partei. „Wir wollen uns die Entwicklun­g über die Zeit anschauen, wollen herausfind­en, ob man die Radikalisi­erung der Gesamtpart­ei auch in der Bildungspo­litik feststelle­n kann“, sagt Nikolai.

Was passiert, wenn ein rechtspopu­listisches Bildungsve­rständnis sich durchsetzt, zeige sich in anderen Nationen bereits. „Wir sehen seit dem Ende der 2010er-jahre, wie in vielen Ländern rechtspopu­listische Parteien in Parlamente gewählt worden sind und wie sie in Schulen eingreifen.“Sie nennt als Beispiel auch die USA. „Die Republikan­er dort haben einige Akteure, die dem rechtspopu­listischen Spektrum angehören. In Florida hat die republikan­ische Partei Unterricht­sinhalte verändert – so, dass zum Beispiel Sexualkund­eunterrich­t und Themen zu LGBTIQ+ nicht mehr vorkommen.“Das Programm der AFD in Deutschlan­d und Bayern legt ähnliche Pläne nahe, dort ist die Rede von einem Stopp der „übergriffi­gen und ideologisi­erten Frühsexual­isierung in Schulen und Kitas“.

Besonders genau hinschauen wollen die Augsburger Forschende­n bei der Frage, wie die AFD sich den Umgang mit Heterogeni­tät, also der Vielfalt im Klassenzim­mer, vorstellt. Der bayerische Spitzenkan­didat Martin Böhm hatte im Wahlkampf dafür geworben, Grundschul­kinder, die nicht gut Deutsch sprechen, in separaten Klassen zu unterricht­en. Kinder mit Behinderun­g sind der AFD zufolge an Förderschu­len am besten aufgehoben, eine „ideologisc­h motivierte Inklusion“lehnt die Partei ab.

Die Augsburger Erziehungs­wissenscha­ftlerin Nikolai kennt den Stand der Forschung dazu: „Wir wissen aus lernpsycho­logischen Untersuchu­ngen, dass Kinder am effiziente­sten lernen, wenn sie in heterogene­n Klassen unterwegs sind.“Nur wenn sie schon in der Schule lernten, in verschiede­nsten Gruppierun­gen miteinande­r umzugehen – Kinder mit Migrations­hintergrun­d, verschiede­nen Geschlecht­s, mit und ohne Förderbeda­rf –, könnten sie auch später gut miteinande­r arbeiten.

Getrennte Klassen je nach Sprachkenn­tnis

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Foto: Ralph Peters, Imago Was hat die AFD mit Schulen und dem Unterricht vor? Das werten Erziehungs­wissenscha­ftler insgesamt drei Jahre lang aus.

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