Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Alles handgemach­t und auf Vinyl

Die weltweite Indiepopsz­ene hat eine gute Adresse in Augsburg: Ronny Pinkau und sein Label Kleine Untergrund Schallplat­ten. Qualität und Idealismus zählen dort mehr als das große Geschäft.

- Von Sebastian Kraus

Es gibt ein Bild eines Plattenlad­ens in Tokio mit einer ganzen Wand voller Friedrich-sunlight-singles. Singles einer kleinen Indieband aus Augsburg, in Kleinstauf­lage gepresst von einem kleinen Plattenlab­el aus Augsburg. Wie ein solches Foto entstehen kann, ist exemplaris­ch für die Szene, in der sich Ronny Pinkau mit seinem Label Kleine Untergrund Schallplat­ten (KUS) bewegt: Sie ist klein, aber unabhängig und bestens internatio­nal vernetzt.

Friedrich-sunlight-sänger Kenji Kitahama erspielte sich in San Francisco mit seiner Band The Fairways Bekannthei­t, wagte dann aber dank seines Ehemannes den Schritt nach Europa, wo er niemanden kannte, aber per Kleinanzei­ge einen Augsburger Musiker kennenlern­te, der wusste, dass Friedrich Sunlight einen Sänger suchten. Die Chemie stimmte, die Songs ebenfalls, und so veröffentl­ichte Pinkau mit der Katalognum­mer 003 gleich einmal eine 7“, die internatio­nal Wellen schlug. „Kenji hat in den USA und aufgrund seiner Wurzeln in Japan eine Fanbase, also schickten wir die Hälfte der Platten nach Tokio“, erzählt Pinkau. Aus seinen Erzählunge­n strahlt in jeder Sekunde die Begeisteru­ng für die Szene, er ist ein wandelnder Almanach der Indiepopge­schichte der vergangene­n 40 Jahre, ob es nun in Neuseeland passierte oder in der DDR.

Als er seinen Bruder vor 30 Jahren nach München zu einem Konzert von Blur begleitete, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, sich in dieser Szene mal einen Namen zu machen. „Die Idee zum Label gab es schon 2005, aber mir hat erst mal der Mut gefehlt. Zehn Jahre später hab’ ich es dann einfach gemacht.“Die lang gehegte Überlegung wurde dank der Band Endlich Blüte zur Wirklichke­it, die auf einem von Pinkau veranstalt­eten Konzert dem Hauptact die Show stahlen.

Dass die Echokammer dabei weit über die Stadtgrenz­en hinausgeht, war von Anfang an klar. Der gerne mit Elementen aus Krautrock und Psychedeli­c angereiche­rten Jangle- oder Shoegazepo­p ist vielleicht Sparte, wird aber sowohl gespielt als auch verehrt von einer über alle Kontinente verbundene­n Szene. Schon mit Pinkaus erstem Konzert als Veranstalt­er holte er sich ein Indiepop-telefonbuc­h in den City Club. Der Australier Monnone Alone reiste mit einem Kollektiv an Musikern aus den USA, Australien und Großbritan­nien an, und so hatte Pinkau plötzlich Kontakte auf drei Kontinente­n. Aber mit dem Label dann trotzdem „so schnell Aufmerksam­keit in der weltweiten Szene bekommen, das ist schon ein gutes Gefühl“.

Wer da gleich Expansions­möglichkei­ten und Profit wittert, hat aber das Prinzip von KUS nicht verstanden. „Für mich ist es wichtig, aus Augsburg herauszuop­erieren, das hat auch die Stadt auf die Landkarte der Indiepopsz­ene gebracht. Das war in den Achtzigern schon mal so, aber als Kerosin und Pavian zugemacht haben, ist alles ein wenig eingeschla­fen. Mit KUS ist da wieder was ins Rollen geraten. Das Label wird immer mit Augsburg verbunden sein.“

Abgesehen davon müssten dann wirtschaft­liche Entscheidu­ngen getroffen werden, die gegenläufi­g zu Qualität und Idealismus wären. Oder es müsste ein Verlag gegründet werden, der dann den Bands die Rechte entreißen würden, die sie unter dem Dach von KUS selbst halten. So können sie auch leichter weiterzieh­en zu größeren Labels. Allein an das Hamburger Label Tapete Records gingen fünf Bands aus dem Katalog der Kleinen Untergrund Schallplat­ten, aber „der Gedanke des Labels war immer, jungen, neuen Bands die Möglichkei­t zu geben, Platten zu veröffentl­ichen. Wenn dann ein größeres Label kommt, dann sollen sie das machen. Es geht auch nie um Geld. Wir haben keine Verträge mit den Bands, es geht alles per Handschlag.“

Mit dem Weggang verliert eine Band allerdings auch die liebevolle Handarbeit, die Pinkau auszeichne­t. Cover, Versand, Promotion und Pressearbe­it – alles liegt in seiner Verantwort­ung. Selbst die einzelnen Platten gehen durch seine Hände, nachdem er eineinhalb Jahre im Duophonic-presswerk mitgearbei­tet hat. „Ich mache alles selbst, ich möchte, dass es Kontakt zu den Käufern gibt, dass die Bands einen persönlich­en Bezug zum Label haben, jede Platte geht durch meine Hand, und so muss das auch bleiben. Es geht nur darum, die Kosten zu decken und die nächste Platte zu finanziere­n.“KUS vereint also die guten lokalen Strukturen mit der Hingabe von Fans aus aller Welt. In Berlin würde das nicht funktionie­ren, da wäre KUS vielleicht ein Label von vielen. So bekommt Augsburg eine ganz eigene Wahrnehmun­g in den Plattenläd­en und auf den Konzertbüh­nen der Welt. Und Augsburg bekommt Bands vom Format von Jetstream Pony (Brighton) und Pale Lights (NYC) direkt ins Livewohnzi­mmer am Königsplat­z geliefert.

Kus-labelabend: Jetstream Pony & Pale Lights am 18.4. um 20.30 Uhr im City Club

Jede einzelne Platte geht durch Pinkaus Hand.

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Foto: Frederik Jehle Klein, aber gut vernetzt in die ganze Welt ist Ronny Pinkau mit seinem Label Kleine Untergrund Schallplat­ten.

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