Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Alles handgemacht und auf Vinyl
Die weltweite Indiepopszene hat eine gute Adresse in Augsburg: Ronny Pinkau und sein Label Kleine Untergrund Schallplatten. Qualität und Idealismus zählen dort mehr als das große Geschäft.
Es gibt ein Bild eines Plattenladens in Tokio mit einer ganzen Wand voller Friedrich-sunlight-singles. Singles einer kleinen Indieband aus Augsburg, in Kleinstauflage gepresst von einem kleinen Plattenlabel aus Augsburg. Wie ein solches Foto entstehen kann, ist exemplarisch für die Szene, in der sich Ronny Pinkau mit seinem Label Kleine Untergrund Schallplatten (KUS) bewegt: Sie ist klein, aber unabhängig und bestens international vernetzt.
Friedrich-sunlight-sänger Kenji Kitahama erspielte sich in San Francisco mit seiner Band The Fairways Bekanntheit, wagte dann aber dank seines Ehemannes den Schritt nach Europa, wo er niemanden kannte, aber per Kleinanzeige einen Augsburger Musiker kennenlernte, der wusste, dass Friedrich Sunlight einen Sänger suchten. Die Chemie stimmte, die Songs ebenfalls, und so veröffentlichte Pinkau mit der Katalognummer 003 gleich einmal eine 7“, die international Wellen schlug. „Kenji hat in den USA und aufgrund seiner Wurzeln in Japan eine Fanbase, also schickten wir die Hälfte der Platten nach Tokio“, erzählt Pinkau. Aus seinen Erzählungen strahlt in jeder Sekunde die Begeisterung für die Szene, er ist ein wandelnder Almanach der Indiepopgeschichte der vergangenen 40 Jahre, ob es nun in Neuseeland passierte oder in der DDR.
Als er seinen Bruder vor 30 Jahren nach München zu einem Konzert von Blur begleitete, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, sich in dieser Szene mal einen Namen zu machen. „Die Idee zum Label gab es schon 2005, aber mir hat erst mal der Mut gefehlt. Zehn Jahre später hab’ ich es dann einfach gemacht.“Die lang gehegte Überlegung wurde dank der Band Endlich Blüte zur Wirklichkeit, die auf einem von Pinkau veranstalteten Konzert dem Hauptact die Show stahlen.
Dass die Echokammer dabei weit über die Stadtgrenzen hinausgeht, war von Anfang an klar. Der gerne mit Elementen aus Krautrock und Psychedelic angereicherten Jangle- oder Shoegazepop ist vielleicht Sparte, wird aber sowohl gespielt als auch verehrt von einer über alle Kontinente verbundenen Szene. Schon mit Pinkaus erstem Konzert als Veranstalter holte er sich ein Indiepop-telefonbuch in den City Club. Der Australier Monnone Alone reiste mit einem Kollektiv an Musikern aus den USA, Australien und Großbritannien an, und so hatte Pinkau plötzlich Kontakte auf drei Kontinenten. Aber mit dem Label dann trotzdem „so schnell Aufmerksamkeit in der weltweiten Szene bekommen, das ist schon ein gutes Gefühl“.
Wer da gleich Expansionsmöglichkeiten und Profit wittert, hat aber das Prinzip von KUS nicht verstanden. „Für mich ist es wichtig, aus Augsburg herauszuoperieren, das hat auch die Stadt auf die Landkarte der Indiepopszene gebracht. Das war in den Achtzigern schon mal so, aber als Kerosin und Pavian zugemacht haben, ist alles ein wenig eingeschlafen. Mit KUS ist da wieder was ins Rollen geraten. Das Label wird immer mit Augsburg verbunden sein.“
Abgesehen davon müssten dann wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, die gegenläufig zu Qualität und Idealismus wären. Oder es müsste ein Verlag gegründet werden, der dann den Bands die Rechte entreißen würden, die sie unter dem Dach von KUS selbst halten. So können sie auch leichter weiterziehen zu größeren Labels. Allein an das Hamburger Label Tapete Records gingen fünf Bands aus dem Katalog der Kleinen Untergrund Schallplatten, aber „der Gedanke des Labels war immer, jungen, neuen Bands die Möglichkeit zu geben, Platten zu veröffentlichen. Wenn dann ein größeres Label kommt, dann sollen sie das machen. Es geht auch nie um Geld. Wir haben keine Verträge mit den Bands, es geht alles per Handschlag.“
Mit dem Weggang verliert eine Band allerdings auch die liebevolle Handarbeit, die Pinkau auszeichnet. Cover, Versand, Promotion und Pressearbeit – alles liegt in seiner Verantwortung. Selbst die einzelnen Platten gehen durch seine Hände, nachdem er eineinhalb Jahre im Duophonic-presswerk mitgearbeitet hat. „Ich mache alles selbst, ich möchte, dass es Kontakt zu den Käufern gibt, dass die Bands einen persönlichen Bezug zum Label haben, jede Platte geht durch meine Hand, und so muss das auch bleiben. Es geht nur darum, die Kosten zu decken und die nächste Platte zu finanzieren.“KUS vereint also die guten lokalen Strukturen mit der Hingabe von Fans aus aller Welt. In Berlin würde das nicht funktionieren, da wäre KUS vielleicht ein Label von vielen. So bekommt Augsburg eine ganz eigene Wahrnehmung in den Plattenläden und auf den Konzertbühnen der Welt. Und Augsburg bekommt Bands vom Format von Jetstream Pony (Brighton) und Pale Lights (NYC) direkt ins Livewohnzimmer am Königsplatz geliefert.
Kus-labelabend: Jetstream Pony & Pale Lights am 18.4. um 20.30 Uhr im City Club
Jede einzelne Platte geht durch Pinkaus Hand.