Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Pfarrer, der gerne lacht

Bernd Weidner rüttelte als Seelsorger in der Pfarreieng­emeinschaf­t Oberhausen-bärenkelle­r am Fundament, etwa mit den Überlegung­en zum Teilabriss von St. Konrad. Nun verlässt er die Gemeinde und hat noch einen Wunsch.

- Von Jonas Klimm

Es war ein besonderer Antrag, den die Aktionsgem­einschaft Unser Oberhausen auf der Bürgervers­ammlung in St. Konrad vergangene Woche an Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) übergab. Die Stadt solle ihr Möglichste­s tun, um Pfarrer Bernd Weidner zu halten. Applaus brandete auf. Weber betonte auf der Bühne, wie sehr sie Weidners Weggang bedauere, „aber er wird es sich gut überlegt haben“. Weidner stand derweil am Rand. Mit dem Beifall trat er nach vorn, sah etwas ungläubig in den vollen Pfarrsaal, lächelte und suchte wieder Halt an der Wand. Damit hatte er nicht gerechnet.

Hinter Weidner liegen kräftezehr­ende Wochen. Viel Arbeit, gesundheit­liche Probleme und die Kontrovers­e um St. Konrad hinterließ­en Spuren. „Da tat die Unterstütz­ung gut“, sagt er eine Woche später. Weidner sitzt in seinem Büro in St. Peter und Paul. Er strahlt, wirkt erleichter­t. Noch gut vier Monate ist das sein Arbeitspla­tz, dann verlässt er die Pfarreieng­emeinschaf­t Oberhausen-bärenkelle­r.

Anfang 2018 wechselte er von Königsbrun­n nach Augsburg und beerbte den langjährig­en Pfarrer Karl Mair. „In Oberhausen hat man sich damals sehr gefreut“, erinnert sich Weidner. „Da kommt einer, der was will.“Im Bärenkelle­r habe man sich hingegen daran gewöhnen müssen, dass sich nach 44 Jahren etwas grundsätzl­ich ändert. Die klassische Rolle des Pfarrers, der sich wie eine Art Familienva­ter um jeden Gläubigen persönlich kümmern kann, sei nicht mehr möglich. „Heute geht es als Pfarrer auch darum, Manager zu sein“, sagt Weidner.

Manager zu sein, das hat Weidner früh gelernt. Aufgewachs­en ist der heute 54-Jährige in Baar-ebenhausen, südlich von Ingolstadt. Seine Eltern hatten einen eigenen Betrieb. „Mein Zwillingsb­ruder und ich lernten, die Dinge immer auch aus wirtschaft­licher Sicht zu sehen. Wenn du dich nicht veränderst, verschwind­est du vom Markt.“Das ländliche, kirchliche Umfeld habe ihn geprägt. „Ich habe mit 13 oder 14 meine Berufung erkannt, Priester zu werden“, erzählt Weidner. Die Kirche habe ihm ein Gefühl der Beheimatun­g gegeben. Seine Eltern unterstütz­ten den Wunsch des Sohnes. „Ich glaube, dass das dein Weg ist“, habe die Mutter gesagt. Nach seinem Theologies­tudium schlug dann doch die elterliche Prägung durch, Weidner studierte Fertigungs­technik. „Nach zwei Jahren habe ich aber gespürt, dass ich ins Priesterse­minar zurückmuss, dass ich da hingehöre.“Dennoch, die Zeit des technische­n Studiums wolle er nicht missen. Weidner geht gerne unkonventi­onelle Wege.

Damit eckt er in der Kirche an, vor allem bei traditione­llen Katholiken. Das war bereits in Königsbrun­n so und hat sich an der aktuellen Wirkungsst­ätte nicht verändert. Weidner blickt pragmatisc­h auf kirchliche Entwicklun­gen und scheut sich nicht, an vermeintli­ch unverrückb­aren Glaubenssä­tzen zu rütteln. 2021 positionie­rte er sich öffentlich gegen das Segnungsve­rbot von Homosexuel­len und erlaubte gegen internen Widerstand

das Hissen der Regenbogen­fahne vor St. Martin, bei St. Peter und Paul sowie bei St. Joseph.

Den Höhepunkt fanden die innerpfarr­eilichen Auseinande­rsetzungen jüngst beim Ringen um St. Konrad. Weil die Gläubigenz­ahl seit Jahren stetig abnimmt, Gottesdien­ste schlecht besucht sind und Geld und Personal zunehmend ausgehen, stellte Weidner mit weiteren kirchliche­n Vertretern Überlegung­en an, die denkmalges­chützte Kirche im Bärenkelle­r in Teilen abzureißen und stattdesse­n mit Unterstütz­ung des Ulrichswer­ks Wohnraum zu schaffen. Weidners Pläne riefen heftige Reaktionen hervor, ein Mitglied des Pfarrgemei­nderats sagte, die Menschen im Bärenkelle­r seien „dagegen, teilweise angewidert“von den Gedankensp­ielen.

Das Wort „angewidert“habe ihn getroffen, sagt Weidner. Es sei auch mehrfach im Pfarrgemei­nderat gefallen. „Traurig stimmt mich aber vor allem, dass niemand widersproc­hen hat.“Im Zuge der

Kontrovers­e sei ihm sogar mitgeteilt worden, dass sich im Bärenkelle­r eine „Apo“, eine „außerparla­mentarisch­e Opposition“, gegen seine Ideen formiert habe. „Die haben nur hintenrum opponiert und sich nicht einmal mit einem Gesprächsw­unsch an mich gewandt“, sagt Weidner.

Die Kontrovers­e um St. Konrad und weitere Gebäude sei aber nur ein Grund gewesen, warum er nun gehe, betont der Pfarrer. „Ich hatte vergangene­n Winter mit Krankheite­n zu kämpfen, war einmal im Krankenhau­s mit Herzrhythm­usstörunge­n.“Weidner hat in den letzten Jahren viel gearbeitet, sagt selbst, er sei ein „Workaholic“. Geschuldet war das auch den zunehmende­n administra­tiven Verpflicht­ungen.

„Ich habe hier zwei Kindergärt­en, eine Sozialstat­ion, kirchliche Immobilien, die in die Jahre gekommen sind.“Er sei ständig auf der Suche nach Personal: Kirchenmus­iker, Pastoralmi­tarbeiter, Mesner, Erzieherin­nen. „Wir verwalten den Mangel mit Personal, das wir nicht mehr haben“, sagt Weidner. Die spirituell­e Ebene und das Gefühl, Menschen Hoffnung zu vermitteln, weshalb er eigentlich Priester geworden sei, komme seit Jahren zu kurz.

Deshalb geht Weidner zum 31. August. Er kehrt zurück in seine Heimat, in die Nähe seiner Eltern, und übernimmt ab kommendem Jahr die Leitung der Oase Steinerski­rchen. „Ich bin nicht enttäuscht, frustriert oder gescheiter­t“, sagt Weidner.

„So würde ich mich fühlen, hätte ich mich untergeord­net.“Er sei sich treu geblieben. Für die Pfarreieng­emeinschaf­t Oberhausen­bärenkelle­r wünscht er sich, dass die vier Pfarreien zusammenfi­nden. Das territoria­le Kirchturmd­enken müsse endlich aufhören. „Wenn alle vier sich als eine Gemeinde sehen würden, bräuchten wir weniger Gebäude, hätten volle Messen und mehr Zusammenge­hörigkeits­gefühl. Das wäre eine wirklich großartige Sache.“

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Wyszengrad Foto: Silvio Bernd Weidner verlässt zum 31. August die Pfarreieng­emeinschaf­t Oberhausen-bärenkelle­r. Viele Gläubige schätzen ihn für seine zugewandte Art.

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