Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum Nazihäftlinge im alliierten Bombenhagel sterben mussten
Eine Bombe zerstöre 1944 das Kz-außenlager Haunstetten und tötete viele Gefangene. Im Hermann-frieb-park informiert jetzt eine Tafel über die Geschichte des Ortes.
Georg Burghart war Goldschmied, ledig und hatte den Kriegsdienst verweigert. Als politisch Unzuverlässiger wurde er 1943 nach Haunstetten überstellt. Am 13. April 1944 starb Burghart zusammen mit 17 seiner Mithäftlinge bei einem Bombenangriff. Sein Grab ist unbekannt. 80 Jahre nach dem verheerenden Angriff auf das Kz-außenlager in Haunstetten, wurde jetzt im Park an der Hermann-frieb-straße eine Informationstafel enthüllt, die über das Schicksal von Burghart und seinen Mitgefangenen informiert. Der Kulturkreis Haunstetten recherchierte dazu über mehrere Jahre, die Kosten für die Infotafel trägt die Stadt.
1985 wurde von der Stadt Augsburg anlässlich ihrer 2000-Jahr-feier das stählerne Mahnmal, gestaltet von Claus Scheele, an dieser Stelle aufgestellt. 2008 wurde es durch eine Gedenktafel mit den Namen der durch die Bombenangriffe Getöteten ergänzt. Doch welche Geschichte hinter dem Mahnmal steht, sei selbst vielen Augsburgern unbekannt, sagt die Vorsitzende des Kulturvereins, Jutta Goßner. Es sei der Besuch von Eva Weber an der Gedenkstätte kurz nach der Wahl zur Oberbürgermeisterin gewesen, die den Anstoß für die Informationstafel gegeben hat, erzählt sie. Denn auch der Oberbürgermeisterin sei nicht im Detail bekannt gewesen, dass sich an dieser Stelle eines der
größten KZ Außenlager der deutschen Luftfahrtindustrie befand.
Das Lager, das auf Betreiben der Messerschmitt AG von der SS in der alten Kiesgrube an der Inninger Straße errichtet wurde, war ein Arbeitslager für die Rüstungsindustrie. Die Häftlinge waren im April 1944 fast 3000 arbeitsfähige, meist junge Männer aus über 14 Nationen. Ab Mitte 1943 lebten fast genauso viele Arbeitskräfte für den Rüstungsbetrieb in Haunstetten wie Haunstetten
zu Beginn der Ns-zeit Einwohner hatte, hat der Kulturkreis recherchiert. Die Historie der Zwangsarbeiterlager sowie der Holzhaussiedlung sei bis heute noch nicht ansatzweise aufgearbeitet, betont Goßner.
Warum die Alliierten das Lager im April 1944 bombardierten, sei nicht geklärt, so Goßner. Jedenfalls wurde es so schwer beschädigt, dass es aufgegeben wurde. Die überlebenden Gefangenen wurden nach einigen Tagen auf
dem Schießplatz Haunstetten in andere für Messerschmitt eingerichtete Lager verlegt. Heute ist der größte Bereich des Lagers mit Wohnbebauung, Geschäften, Parkplätzen und einem Spielplatz belegt. Es umfasste ein riesiges Areal: Inninger Straße, dann die Römerstraße (heute Via-claudiastraße), dann Kiesgrubenstraße, heute Afrastraße, dann wieder die Inninger Straße.
Über lange Zeit wurmte es die Mitglieder des Kulturkreises, dass
in Augsburg vor allem die Halle 116 für die Verbrechen der Nationalsozialisten steht, wohingegen das gewaltige Lager in Haunstetten von der Erinnerungskultur eher stiefmütterlich behandelt wurde. „Wäre das Lager nicht getroffen worden, hätte es Pfersee und die Halle 116 so gar nicht gegeben“, sagt dazu Altstadtrat Heinrich Bachmann. Immer wieder hätte man das Gespräch mit Menschen gesucht, die nichts von der Geschichte des Haunstetter
KZ gewusst hätten. „Wir finden es wichtig, deutlich zu machen, wie es zur Halle 116 kam“, so Bachmann.
Umso glücklicher war man, als die Stadt das Projekt Infotafel aufgriff und die ehrenamtlichen Geschichtsforscher des Kulturkreises unterstützte. „Erinnerungsorte haben eine zentrale Bedeutung für die Stadt und die Gesellschaft. Es ist wichtig, an den jeweils authentischen Orten dezentrale Erinnerungsmarken zu schaffen. Als Orte der Aufklärung und der historischpolitischen Bildung sind diese Orte auch Mahnungen und zugleich wichtige Bausteine zur Stärkung unseres Demokratieverständnisses“, heißt es auf Anfrage aus dem Amt für Erinnerungskultur. Dort verweist man auf den Erinnerungsund Lernort „Halle 116“, der die unmenschlichen Lagerbedingungen der im heutigen Stadtgebiet befindlichen Außenlager des Kz-dachau darstellt. Hierzu gehöre auch das 1943 eröffnete Lager in Haunstetten. Die Gedenktafel erinnere nun an die Historie des Kzaußenlagers Haunstetten und dokumentiere auf diese Weise einen Ort, von dem baulich keine Spuren mehr sichtbar sind.
„Das Andenken an die jungen Opfer einer grausamen Diktatur und eines grausamen Krieges muss auch für die nachfolgenden Generationen lebendig bleiben“, erklärte Jutta Goßner bei der Einweihung der Infotafel die Motivation des Kulturkreises. Man stelle die Informationstafel als Anstoß auf, sich mit den Opfern und Tätern auseinanderzusetzen.