Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die oberste Cum-ex-jägerin schmeißt hin
Anne Brorhilker ermittelte viele Jahre in dem riesigen Steuerskandal und machte auch vor Kanzler Scholz nicht Halt. Jetzt verlässt sie die Justiz und übt scharfe Kritik an der Politik.
Durch Zufall geriet Anne Brorhilker im Jahr 2012 an den größten Steuerskandal der deutschen Geschichte. Ihre Ermittlungen haben Finanzjongleure im Cum-ex-skandal hinter Gitter und Olaf Scholz in Erklärungsnot gebracht. Doch nun wirft Deutschlands oberste Cum-ex-ermittlerin hin und verlässt die Justiz.
Brorhilker hat um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten. Die 50-jährige Oberstaatsanwältin leitete die deutschlandweit einzige Hauptabteilung für Cum-ex-ermittlungen in Köln. Gegen mehr als 1700 Beschuldigte wird ermittelt. Berater, Banker und Aktienhändler hatten sich Steuern erstatten lassen, die nie jemand gezahlt hatte.
Die Cum-ex-jägerin geht mit einem Rumms. Dem WDR sagte sie, sie sei immer mit Leib und Seele Staatsanwältin gewesen, „aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird“. Die Politik habe elf Jahre nach den ersten Cum-ex-fällen noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt.
Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe.
Brorhilker wuchs in
Nordrheinwestfalen auf, studierte Rechtswissenschaften in Bochum und ging nach ihren Examen zur Staatsanwaltschaft. Die verheiratete Juristin gilt als scharfsinnig und extrem fleißig. Dass sie vor großen Namen und Gegenwind keine Angst hat, bewies sie früh im Cum-ex-verfahren. Sie veranlasste eine große Razzia in ganz Europa und auf den Cayman-inseln. Das machte Eindruck: Insider aus der Cum-ex-szene packten aus. 2021 stufte der Bundesgerichtshof Cum-ex als schwere Steuerhinterziehung ein. In Ermittlerkreisen galt Brorhilker als Star. Kritiker sagen dagegen, sie gehe mit ihren Methoden zu weit und sei voreingenommen. Für die Cum-ex-ermittlungen ist Brorhilkers Kündigung jedenfalls ein herber Schlag.
Brorhilker will sich künftig als Geschäftsführerin der „Bürgerbewegung Finanzwende“für den Kampf gegen Finanzkriminalität einsetzen. Es gehe ihr darum, das Übel an der Wurzel zu packen. „Täter mit viel Geld und guten Kontakten treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz und können sich aus diesen Verfahren schlicht herauskaufen“, sagt sie. Auf ihre staatlichen Pensionsansprüche verzichtet sie mit der Kündigung – das kann man durchaus als Hinweis sehen, dass es Brorhilker um die Sache geht.