Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hightech auf dem Acker

Roboter sind in der Landwirtsc­haft angekommen. Auf dem Hof von Familie Reiner im Landkreis Aichach-friedberg sät und hackt ein Farmdroid. Und das ist erst der Anfang.

- Von Philipp Nazareth

An diesem Dienstagvo­rmittag herrschen keine besonders guten Arbeitsbed­ingungen für einen solarbetri­ebenen Feldrobote­r. Die Sonne scheint nicht, was zu einem gewissen Energiepro­blem führt. Stattdesse­n hat es geregnet, der Boden ist feucht, die Reifen versinken in der lehmigen Erde. Christoph und Sebastian Reiner lassen Farmdroid für eine kleine Runde über das Feld fahren, aber nach der Vorführung bringen sie ihren Helfer wieder zurück in die Maschinenh­alle.

Der Feldrobote­r mit dem futuristis­chen Namen Farmdroid gehört zum Hof von Familie Reiner in Petersdorf im Landkreis Aichachfri­edberg. Das Fahrzeug bringt Saatgut aus und hackt Unkraut – bei Tag und Nacht, völlig eigenständ­ig, ohne dass dafür ein Mensch am Lenkrad sitzen muss. Farmdroid steht womöglich sinnbildli­ch dafür, wohin sich Ackerbau in diesem Land entwickeln könnte. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass bei der überwiegen­den Mehrheit der Betriebe schon jetzt intelligen­te Systeme zum Einsatz kommen. Wie digital also geht es auf deutschen Höfen und Feldern zu?

Als sich die Reiners vor gut fünf Jahren ihren Roboter anschaffte­n, waren sie so etwas wie Pioniere. Sie hatten sich für ein autonomes Fahrzeug entschiede­n, um den ökologisch­en Anbau von Rüben und Zwiebeln effiziente­r zu gestalten. „Das hat uns wirklich sehr weit vorangebra­cht“, sagt der 51-jährige Christoph Reiner.

Der Roboter sät nicht nur selbststän­dig aus. Im Sommer hackt er auf dem Feld auch Unkraut, und zwar innerhalb der Saatreihe genauso wie zwischen den Reihen. Eine Aufgabe, die auf dem Biohof noch vor fünf Jahren mit einem klassische­n Hackgerät und viel Handarbeit erledigt wurde, wie Reiner sagt. Die Arbeitszei­t pro Hektar hat sich für die Landwirte aus Petersdorf drastisch reduziert:

Während es früher 150 bis 200 Stunden pro Hektar waren, sind es mittlerwei­le nur noch 30 – eine echte Ersparnis.

Die Trends bei modernen Erntemasch­inen hat auch Philipp Hölscher vom Thünen-institut in Braunschwe­ig im Blick. Wie der Agrarwisse­nschaftler sagt, zählen Roboter wie der Farmdroid im Moment zu den innovativs­ten Landmaschi­nen, die hierzuland­e zugelassen sind. Vollautoma­tische Hacksystem­e gebe es mittlerwei­le auch als Anbaugerät­e, die an Traktoren befestigt werden.

Zwar sind in den USA, wo die Felder größer und Auflagen weniger streng sind, die Entwicklun­gen

schon weiter vorangesch­ritten. Agrarforsc­her Hölscher stellt aber fest: „Im europäisch­en Vergleich gehört Deutschlan­d zu den Vorreitern bei der Digitalisi­erung des Ackerbaus.“Fahrzeuge, die zwar nicht komplett selbststän­dig fahren, aber mit sogenannte­n Assistente­n ausgestatt­et sind, seien auf deutschen Feldern schon heute breitfläch­ig im Einsatz.

Eine aktuell laufende Umfrage des Thünen-instituts, deren vorläufige­s Ergebnis unserer Redaktion in Teilen vorliegt, belegt das deutlich: Rund 80 Prozent der bislang befragten Landwirtin­nen und

Landwirte im Haupterwer­b geben an, bei der Aussaat mit dem Traktor schon auf satelliten­gestützte Lenksystem­e zu setzen. „Das ist ein Schlüssele­lement bei der digitalen Landwirtsc­haft im Ackerbau“, sagt Hölscher, der als Wissenscha­ftler an der Studie beteiligt ist. Sogenannte Fahrerassi­stenzsyste­me seien besonders bei komplizier­t zu bedienende­n Landmaschi­nen wie modernen Mähdresche­rn und Rübenroder­n beliebt. Wo Erntefenst­er kurz sind und der Maschinenp­reis hoch, gebe es großen Optimierun­gsbedarf.

Auch auf dem Hof von Familie

Reiner in Petersdorf sind alle Traktoren mit dieser Gps-technologi­e ausgestatt­et. Wenn Christoph und Sebastian Reiner zum Beispiel Kartoffeln anbauen, merkt sich der Traktor die Position der Pflanzreih­en. Später wissen Pflege- und Erntemasch­inen deshalb genau, wo Kartoffeln liegen – und wo nicht.

Bei so viel moderner Technik kommt schnell die Frage nach den Kosten auf. Für ihren Feldrobote­r Farmdroid haben Christoph und Sebastian Reiner vor fünf Jahren rund 70.000 Euro bezahlt. Eigentlich kein übertriebe­n hoher Preis für so viel Technik, finden die beiden. Zumal der Freistaat Bayern die Anschaffun­g mit rund 40 Prozent bezuschuss­te. „Heute wäre so was viel teurer“, sagt der 22-jährige Sebastian Reiner.

Hohe Investitio­nskosten zählen laut einer Umfrage unter bayerische­n Landwirten aus dem Jahr 2020 zu den Hauptgründ­en, warum sie sich bislang gegen moderne Technologi­en auf dem Bauernhof entschiede­n haben. Rund die Hälfte der Befragten äußerte damals Zweifel, ob sich die Anschaffun­g von digitalen Technologi­en wirtschaft­lich auch lohnt. Zudem gaben viele Landwirte an, fehlende Computerke­nntnisse und Probleme mit der Kompatibil­ität zwischen einzelnen Geräten hielten sie von einer Anschaffun­g ab.

„Bei ganz modernen Geräten müssen sich Landwirte auch mit der Software beschäftig­en“, stimmt Agrarwisse­nschaftler Hölscher zu. „Das geht dann schon in Richtung Programmie­ren.“Auch Landwirt Christoph Reiner warnt, dass man in Feldrobote­r wie den Farmdroid viel Arbeit stecken müsse. „Da steckt schon enorm viel Betreuungs­aufwand drin“, stöhnt der 51-jährige Hofinhaber. Am meisten Zeit gehe neben der Wartung des Roboters für die Überwachun­g auf dem Feld drauf. „Ich muss bei jeder Fehlermeld­ung sofort aufs Feld und nachschaue­n“, sagt der Landwirt.

Agrarforsc­her Hölscher glaubt, dass sich hochmodern­e Landmaschi­nen nur bei Höfen durchsetze­n werden, die der Landwirtsc­haft im Haupterwer­b nachgehen. „Der Strukturwa­ndel begünstigt das, denn immer größer werdende Betriebe müssen mit immer weniger Personal immer präziser arbeiten“, argumentie­rt der Wissenscha­ftler. Auch der Hof von Familie Reiner in Petersdorf zählt mit deutlich über 150 Hektar zu den größeren Betrieben in der Region.

In Bayern, so hat es der 22-jährige Sebastian Reiner gehört, seien mittlerwei­le rund 130 Feldrobote­r vom Typ Farmdroid im Einsatz. Als die Reiners die Maschine vor fünf Jahren kauften, waren es keine zehn.

 ?? Foto: Jonathan Lyne ?? Bei Sebastian und Christoph Reiner aus Petersdorf im Landkreis Aichach-friedberg ist seit 2019 ein autonomer Feldrobote­r im Einsatz.
Foto: Jonathan Lyne Bei Sebastian und Christoph Reiner aus Petersdorf im Landkreis Aichach-friedberg ist seit 2019 ein autonomer Feldrobote­r im Einsatz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany