Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hightech auf dem Acker
Roboter sind in der Landwirtschaft angekommen. Auf dem Hof von Familie Reiner im Landkreis Aichach-friedberg sät und hackt ein Farmdroid. Und das ist erst der Anfang.
An diesem Dienstagvormittag herrschen keine besonders guten Arbeitsbedingungen für einen solarbetriebenen Feldroboter. Die Sonne scheint nicht, was zu einem gewissen Energieproblem führt. Stattdessen hat es geregnet, der Boden ist feucht, die Reifen versinken in der lehmigen Erde. Christoph und Sebastian Reiner lassen Farmdroid für eine kleine Runde über das Feld fahren, aber nach der Vorführung bringen sie ihren Helfer wieder zurück in die Maschinenhalle.
Der Feldroboter mit dem futuristischen Namen Farmdroid gehört zum Hof von Familie Reiner in Petersdorf im Landkreis Aichachfriedberg. Das Fahrzeug bringt Saatgut aus und hackt Unkraut – bei Tag und Nacht, völlig eigenständig, ohne dass dafür ein Mensch am Lenkrad sitzen muss. Farmdroid steht womöglich sinnbildlich dafür, wohin sich Ackerbau in diesem Land entwickeln könnte. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass bei der überwiegenden Mehrheit der Betriebe schon jetzt intelligente Systeme zum Einsatz kommen. Wie digital also geht es auf deutschen Höfen und Feldern zu?
Als sich die Reiners vor gut fünf Jahren ihren Roboter anschafften, waren sie so etwas wie Pioniere. Sie hatten sich für ein autonomes Fahrzeug entschieden, um den ökologischen Anbau von Rüben und Zwiebeln effizienter zu gestalten. „Das hat uns wirklich sehr weit vorangebracht“, sagt der 51-jährige Christoph Reiner.
Der Roboter sät nicht nur selbstständig aus. Im Sommer hackt er auf dem Feld auch Unkraut, und zwar innerhalb der Saatreihe genauso wie zwischen den Reihen. Eine Aufgabe, die auf dem Biohof noch vor fünf Jahren mit einem klassischen Hackgerät und viel Handarbeit erledigt wurde, wie Reiner sagt. Die Arbeitszeit pro Hektar hat sich für die Landwirte aus Petersdorf drastisch reduziert:
Während es früher 150 bis 200 Stunden pro Hektar waren, sind es mittlerweile nur noch 30 – eine echte Ersparnis.
Die Trends bei modernen Erntemaschinen hat auch Philipp Hölscher vom Thünen-institut in Braunschweig im Blick. Wie der Agrarwissenschaftler sagt, zählen Roboter wie der Farmdroid im Moment zu den innovativsten Landmaschinen, die hierzulande zugelassen sind. Vollautomatische Hacksysteme gebe es mittlerweile auch als Anbaugeräte, die an Traktoren befestigt werden.
Zwar sind in den USA, wo die Felder größer und Auflagen weniger streng sind, die Entwicklungen
schon weiter vorangeschritten. Agrarforscher Hölscher stellt aber fest: „Im europäischen Vergleich gehört Deutschland zu den Vorreitern bei der Digitalisierung des Ackerbaus.“Fahrzeuge, die zwar nicht komplett selbstständig fahren, aber mit sogenannten Assistenten ausgestattet sind, seien auf deutschen Feldern schon heute breitflächig im Einsatz.
Eine aktuell laufende Umfrage des Thünen-instituts, deren vorläufiges Ergebnis unserer Redaktion in Teilen vorliegt, belegt das deutlich: Rund 80 Prozent der bislang befragten Landwirtinnen und
Landwirte im Haupterwerb geben an, bei der Aussaat mit dem Traktor schon auf satellitengestützte Lenksysteme zu setzen. „Das ist ein Schlüsselelement bei der digitalen Landwirtschaft im Ackerbau“, sagt Hölscher, der als Wissenschaftler an der Studie beteiligt ist. Sogenannte Fahrerassistenzsysteme seien besonders bei kompliziert zu bedienenden Landmaschinen wie modernen Mähdreschern und Rübenrodern beliebt. Wo Erntefenster kurz sind und der Maschinenpreis hoch, gebe es großen Optimierungsbedarf.
Auch auf dem Hof von Familie
Reiner in Petersdorf sind alle Traktoren mit dieser Gps-technologie ausgestattet. Wenn Christoph und Sebastian Reiner zum Beispiel Kartoffeln anbauen, merkt sich der Traktor die Position der Pflanzreihen. Später wissen Pflege- und Erntemaschinen deshalb genau, wo Kartoffeln liegen – und wo nicht.
Bei so viel moderner Technik kommt schnell die Frage nach den Kosten auf. Für ihren Feldroboter Farmdroid haben Christoph und Sebastian Reiner vor fünf Jahren rund 70.000 Euro bezahlt. Eigentlich kein übertrieben hoher Preis für so viel Technik, finden die beiden. Zumal der Freistaat Bayern die Anschaffung mit rund 40 Prozent bezuschusste. „Heute wäre so was viel teurer“, sagt der 22-jährige Sebastian Reiner.
Hohe Investitionskosten zählen laut einer Umfrage unter bayerischen Landwirten aus dem Jahr 2020 zu den Hauptgründen, warum sie sich bislang gegen moderne Technologien auf dem Bauernhof entschieden haben. Rund die Hälfte der Befragten äußerte damals Zweifel, ob sich die Anschaffung von digitalen Technologien wirtschaftlich auch lohnt. Zudem gaben viele Landwirte an, fehlende Computerkenntnisse und Probleme mit der Kompatibilität zwischen einzelnen Geräten hielten sie von einer Anschaffung ab.
„Bei ganz modernen Geräten müssen sich Landwirte auch mit der Software beschäftigen“, stimmt Agrarwissenschaftler Hölscher zu. „Das geht dann schon in Richtung Programmieren.“Auch Landwirt Christoph Reiner warnt, dass man in Feldroboter wie den Farmdroid viel Arbeit stecken müsse. „Da steckt schon enorm viel Betreuungsaufwand drin“, stöhnt der 51-jährige Hofinhaber. Am meisten Zeit gehe neben der Wartung des Roboters für die Überwachung auf dem Feld drauf. „Ich muss bei jeder Fehlermeldung sofort aufs Feld und nachschauen“, sagt der Landwirt.
Agrarforscher Hölscher glaubt, dass sich hochmoderne Landmaschinen nur bei Höfen durchsetzen werden, die der Landwirtschaft im Haupterwerb nachgehen. „Der Strukturwandel begünstigt das, denn immer größer werdende Betriebe müssen mit immer weniger Personal immer präziser arbeiten“, argumentiert der Wissenschaftler. Auch der Hof von Familie Reiner in Petersdorf zählt mit deutlich über 150 Hektar zu den größeren Betrieben in der Region.
In Bayern, so hat es der 22-jährige Sebastian Reiner gehört, seien mittlerweile rund 130 Feldroboter vom Typ Farmdroid im Einsatz. Als die Reiners die Maschine vor fünf Jahren kauften, waren es keine zehn.