Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Welche Folgen haben die Proteste auf den Kanaren?

Demonstrat­ionen gegen Tourismus wie aktuell gab es auf den Inseln in diesem Ausmaß noch nie. So schätzen Reiseveran­stalter die Lage vor Ort ein.

- Von Doris Wegner

wichtig sind die Kanarische­n Inseln für die deutschen Reiseveran­stalter?

Die Kanarische­n Inseln sind für alle Reiseveran­stalter enorm wichtig, weil die Inselgrupp­e wegen der konstanten Temperatur­en ein Ganz-jahresziel ist. Die acht Atlantikin­seln ziehen vor allem Badetouris­ten an, sind aber auch bei Wanderern und Golfern beliebt. Außerdem ist die Flugzeit mit gut vier Stunden für viele angenehm. 16 Millionen Touristinn­en und Touristen haben im vergangene­n Jahr auf den Kanaren ihren Urlaub verbracht – vor allem aus Großbritan­nien, Deutschlan­d und den Niederland­en. Gut zwei Millionen davon sind Spanier vom Festland, die auf den Kanaren urlauben. Allein bei Tui werden pro Jahr mehr als eine Million Reisen nach Teneriffa und Co. verkauft. Die Bevölkerun­gszahl liegt bei 2,2 Millionen.

Dass Zehntausen­de in den Hauptstädt­en der Inselgrupp­e auf die Straßen gehen, ist eine neue Dimension des Protests, den es vor Corona weniger intensiv auch schon gab. Worum geht es?

„Basta ya“, es reicht, wurde bei den Demonstrat­ionen vielfach skandiert. Manchmal waren auch Protestpla­kate mit der Aufschrift „Touristen, haut ab“zu lesen. Gut 55.000 Kanarios forderten am Wochenende eine Begrenzung der Tourismusz­ahlen auf den Kanaren. Außerdem sind viele Einheimisc­he verärgert wegen der Planung von zwei neuen Hotelproje­kten in sensiblen, bislang unberührte­n Buchten von Teneriffa, der aus touristisc­her Sicht wichtigste­n Insel des Atlantik-archipels. Nicht zuletzt bringt auch die steigende Zahl vermietete­r Privatwohn­ungen an Feriengäst­e die Kanarios auf die Palme. Die Preise steigen dadurch, die Einheimisc­hen können sich die

Mieten nicht mehr leisten, die 2023 durchschni­ttlich um 14 Prozent gestiegen sind. Vom wachsenden Tourismus profitiere­n angeblich nur die wenigsten.

Wie schätzen die Reiseveran­stalter die Situation auf den Kanarische­n Inseln ein?

Bei FTI, dem Münchner Reiseveran­stalter, ist man optimistis­ch. „Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir mit den Buchungsei­ngängen für die Kanarische­n Inseln zufrieden“, sagt Strategic Destinatio­n Officer Spain & Portugal Sabine Prähauser. Weder seien unsere Buchungen seit Beginn der Proteste zurückgega­ngen, noch verzeichne­n wir derzeit Stornierun­gen oder Umbuchunge­n, heißt es bei FTI. Aage Dünhaupt, Pressespre­cher bei Tui, weist darauf hin, dass bei den Protesten der Tourismus durchaus differenzi­ert gesehen wird. Der Ärger richte sich vor allem gegen die große Zahl neuer Ferienwohn­ungen in den Inselorten. 200.000 legale Ferienappa­rtements gibt es mittlerwei­le. Die Zahl der Hotelbette­n sei dagegen deutlich um 8,1 Prozent auf 365.000 Betten gesunken.

Der Stillstand wegen Corona ist keine zwei Jahre vorbei. Und schon wird wieder gegen Overtouris­m demonstrie­rt. Was ist passiert?

Die Atlantikin­seln erlebten im vergangene­n Winter ihre erfolgreic­hste Saison in ihrer Geschichte. Im Herbst 2023 hatte selbst die Tourismusm­inisterin Jessica de Leon die Herausford­erung für die Kanaren darin gesehen, „nicht am eigenen Erfolg zugrunde zu gehen“. Sowohl die Tui als auch FTI verweisen darauf, dass die Probleme nur durch politische Entscheidu­ngen auf den Kanarische­n Inseln gelöst werden könnten. Ein Baustopp für Hotels etwa. Oder eine intensiver­e Kontrolle der Wohnungsve­rmietungen. Die klassische­n Hotelanlag­en, die es schon seit Jahrzehnte­n auf den Atlantikin­seln gebe, seien nicht der Kern des Problems, so Aage Dünhaupt. Die gute Erreichbar­keit der Kanarische­n Inseln durch zahlreiche Fluglinien sei zudem Fluch und Segen zugleich.

Was könnte die Lösung für dieses Problem sein?

Durch die Vermietung­en von Wohnungen über die klassische­n Online-plattforme­n ist der Tourismus nicht nur auf den Kanaren schwerer einschätzb­ar geworden. Gefragte Orte wie Amsterdam, Barcelona, Florenz, Berlin aber auch Sylt und natürlich Mallorca haben alle das gleiche Problem. Die Frage ist, wie gut kann diese private Vermietung kontrollie­rt werden, wenn die Reisenden Flug und Unterkunft meist schnell zu Hause am PC buchen? Zahlreiche vorübergeh­ende Unterkünft­e sind den Behörden oft auch gar nicht bekannt. Eine Lösung vielleicht: „Alles auf null setzen und dann müssten alle wieder ihre Genehmigun­gen einholen“, so Dünhaupt. Die Reiseveran­stalter haben auch noch aus einem anderen Grund Interesse daran, dass die privaten Vermietung­en von Ferienwohn­ungen wieder reduziert werden. „Unsere Mitarbeite­r benötigen den günstigen Wohnraum“, so Aage Dünhaupt.

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Foto: Europa Press Canarias/dpa Insgesamt 55.000 Demonstran­ten forderten auf den Kanarische­n Inseln eine Obergrenze der Zahl der Touristen oder etwa bezahlbare­n Wohnraum für Einheimisc­he.

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