Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn Alphamännchen an sich zweifeln
Eine chaotische jüdische Familie, eine Satire auf Realityshows und Neues von Benedict Cumberbatch: Das sind die interessantesten Serien-neuerscheinungen im Mai.
• Die Zweiflers (ab 3.5., – Eine Serie über den Alltag einer jüdischen Familie im heutigen Deutschland: Warum gab es das bisher noch nicht? „Die Zweiflers“erzählt als klassische Dreigenerationen-saga vom Holocaust-überlebenden Symcha Zweifler (Mike Burstyn), der in Frankfurt eine koschere Deli-kette betreibt, und seinen Lieben – allen voran Enkelsohn Samuel (Aaron Altaras), der zwischen allen Stühlen sitzt: Er ehrt die jüdische Tradition, will aber auch seinen Weg gehen. Als Freundin Saba einen Sohn bekommt, kristallisiert sich das Dilemma an der Frage heraus: Beschneidung oder nicht? Eine turbulent und humorvoll erzählte Geschichte, geprägt von jüdischem Humor, in der das Grauen des Holocausts zugleich präsent ist.
• The Tattooist of Auschwitz (ab 8.5., Sky) – Im Kinodrama „The Zone of Interest“über die Familie Rudolf Höß ist das Konzentrationslager Auschwitz nur von außen zu sehen. Anders in dieser Serie nach der Autobiografie von Lali Sokolov: Er wurde als junger Mann 1942 nach Auschwitz deportiert, dort machte ihn die SS zum Tätowierer: Er musste die Häftlingsnummern in die Unterarme seiner Mitgefangenen stechen. Dabei verliebte er sich in eine junge Frau, inmitten des Grauens wurden beide ein Paar. Die Geschichte des slowakischen Shoah-überlebenden Lali Sokolov wurde als Roman zum Bestseller; in der emotionalen, aber nicht kitschigen Serienadaption verkörpert Harvey Keitel den greisen Sokolov. In den Rückblenden spielt der deutsche Serienstar Jonas Nay als sadistischer Ss-offizier Baretzkyine Schlüsselrolle.
• Player of Ibiza (ab 10.5., Ard-mediathek) – Es ist zwar nur eine fiktive Realityshow, doch die Parodie auf Formate wie „Love Island“ist perfekt: In „Player of Ibiza“machen üblicherweise hormongesteuerte junge Männer mit gehörigem Alkoholpegel unter südlicher Sonne Party. Weil der profitgierige Tv-produzent (Martin Brambach) auf den Zeitgeist aufspringen will,
sollen die Kandidaten diesmal zu Feministen umgemodelt werden, wogegen sie sich wehren. Der satirische Fünfteiler „Player of Ibiza“parodiert die Mechanismen einschlägiger Sendungen bis ins Detail.
(ab 17.5., Appletv+) – Er war neben Martin Luther King oder Malcolm X einer der führenden Köpfe im Kampf für die Bürgerrechte
• The Big Cigar
von Afro-amerikanern in den USA: Huey Newton (André Holland) gründete 1966 die Blackpanther-bewegung. FBI-CHEF J. Edgar Hoover bezeichnete die „Black Panther Party“als größte Bedrohung für die USA, seine Behörde bekämpfte die Bewegung erbittert. Die Serie „The Big Cigar“beleuchtet ein spektakuläres Kapitel aus Newtons Leben: 1974 wurde er von der Polizei gesucht – ihm wurde vorgeworfen, eine 17-jährige Prostituierte getötet zu haben, und er rechnete nicht mit einem fairen Prozess. Die Serie schildert, wie der Aktivist mithilfe eines Fake-filmdrehs nach Kuba geschmuggelt wurde – und welche Rolle der politisch engagierte Hollywood-produzent Bert Schneider („Easy Rider“) dabei spielte.
• Viktor bringt’s (ab 30.5., Amazon Prime Video) – Moritz Bleibtreu mit Blaumann, Bohrmaschine und Berliner Dialekt: In diesen acht amüsanten Miniaturen spielt der Kinostar einen Service-installateur, der bei Kunden Fernseher oder Soundanlagen aufbaut und dabei vielen skurrilen Leuten begegnet, gespielt von Gaststars wie Caroline Peters als Hirnforscherin, die ungnädig auf den simpel gestrickten Elektriker mit dem verstaubten Weltbild reagiert. Großen Spaß macht Heino Ferchs Auftritt als Oberst a. D., der einen Kaiman sein Eigen nennt. Bei seinen Touren durch die Hauptstadt wird Viktor aushilfsweise von seinem Sohn Mika (Enzo Brumm) begleitet, einem woken Studenten. Im
Lauf der Zeit kommt sich das gegensätzliche Vater-sohn-gespann näher: Der emotionale Unterbau gibt der vergnüglichen Comedyserie Substanz.
• Eric (ab 30.5., Netflix) – New York in den 80er-jahren: Die Stadt ist ein Moloch, Drogendealer und mordende Banden machen die Straßen unsicher. In dieser dunklen Dekade spielt die neue Serie mit Benedict Cumberbatch. Der „Sherlock“-star verkörpert den Puppenspieler Vincent, Erfinder einer erfolgreichen Kindersendung. Als sein neunjähriger Sohn Edgar (Ivan Howe) auf dem Weg zur Schule spurlos verschwindet, sinkt Vincent in Verzweiflung. Während er seine Mitmenschen mit seinem destruktiven Verhalten immer mehr verprellt und Zuflucht zu Drogen nimmt, wird das blaue Monster Eric (für die Serie von einem Puppenspieler zum Leben erweckt) aus Edgars Zeichnungen zur fixen Idee für Vincent: Wenn er es schafft, den flauschigen Riesen ins Fernsehen zu bringen, so glaubt er, kehrt Edgar zurück: ein emotionales Thriller-drama.