Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Und ewig stockt der Verkehr

An 15 Tagen im Mai bremst Österreich den Schwerlast­verkehr an der Grenze. Dabei waren Bayern, Tirol und Südtirol auf dem besten Weg, eine Alternativ­e zur Blockabfer­tigung zu entwickeln.

- Von Sonja Dürr

An diesem Freitag ist der Stau auf der A93 Richtung Süden vorhersehb­ar. Gut möglich, dass sich die Lastwagen dann vom Grenzüberg­ang Kiefersfel­den bis zum Inntaldrei­eck und damit zur A8 zurückstau­en, wie es an diesem Dienstag der Fall war. Oder dass sogar im Münchner Umland nichts mehr geht. So oder so: Der Stau an diesem Freitagmor­gen vor der Grenze dürfte spürbar sein. Brückentag, langes Wochenende und dann noch Lkw-blockabfer­tigung, da kommt einiges zusammen.

In Oberaudorf, drei Kilometer vor dem Grenzüberg­ang, spürt man die Folgen, wenn Tirol den Schwerlast­verkehr bremst. „Da sind wir Profi“, sagt Bürgermeis­ter Matthias Bernhardt. In der kleinen Gemeinde, drei Kilometer vom Grenzüberg­ang entfernt, geht dann an vielen Blockabfer­tigungstag­en nichts mehr, weil sich der Ausweichve­rkehr durch den Ort quält. An „normalen“Tagen, rechnet der Bürgermeis­ter vor, zählt man auf der Hauptstraß­e rund 150

Fahrzeuge pro Stunde, wenn Tirol seine „Dosiermaßn­ahmen“durchführt, sind es bis zu 1500.

2017, als zu Pfingsten zwischen Kufstein und dem Brenner nichts mehr ging, hat das österreich­ische Bundesland Tirol die Blockabfer­tigung eingeführt. Dann lässt die österreich­ische Polizei nur 300 Lastwagen pro Stunde auf die Inntalauto­bahn. Da dann für den übrigen Verkehr nur noch eine Fahrbahn zur Verfügung steht, sind die Folge beträchtli­che Staus. In Oberaudorf können Fußgängeri­nnen und Fußgänger an diesen Tagen kaum die Straße überqueren, erklärt der Bürgermeis­ter. Wer mit dem Auto unterwegs ist, kommt kaum voran. Das spüren vor allem Pendler regelmäßig. Hinzu kommt: Für die 6000 Einwohner Oberaudorf­s sind auch die Lärm- und Luftbelast­ung massiv. „Der Verkehr weicht von der Autobahn über das Umland aus. Da umfährt doch fast jeder“, sagt Matthias Bernhardt.

Dabei sollte die Blockabfer­tigung eigentlich ein Auslaufmod­ell sein. Ein Jahr ist es her, dass sich Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder in Kufstein mit seinen Kollegen

aus Tirol und Südtirol, den Landeshaup­tmännern Anton Mattle und Arno Kompatsche­r, zum „Alpengipfe­l“traf. Gemeinsam habe man sich überlegt, wie man die verfahrene Situation auf der chronisch überlastet­en Brennerrou­te lösen könnte, betonte Söder damals. „Wir spüren, dass der Brenner Entlastung braucht, der Brenner steht vor dem Kollaps.“

Ein Buchungssy­stem für Lkwfahrten sollte den Verkehr Richtung Süden geordneter fließen lassen. Über ein Slot-system sollten Speditione­n im Vorfeld bestimmte Zeitfenste­r für ihre Transporte über den Brenner buchen. Ist ein Zeitfenste­r ausgebucht, so die Idee, muss die Fahrt zu einer anderen Zeit stattfinde­n. Erste Details, wie das technisch funktionie­ren soll, wollte man im Herbst 2023 vorlegen. Doch dann kündigte Italien an, vor den Europäisch­en Gerichtsho­f (EUGH) zu ziehen und Österreich zu verklagen.

Denn auch für die Italiener ist die Blockabfer­tigung ein Reizthema. Schließlic­h lässt Tirol auch am Brenner nur eine bestimmte Zahl an Lkw ins Land, damit es in der Heimat weniger Schwerlast­verkehr gibt. Wer verstehen will, wie groß die Verkehrsbe­lastung mittlerwei­le ist, muss nur auf die Zahlen schauen. 2,4 Millionen Lkw wälzten sich im vergangene­n Jahr über den Alpenpass. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es noch 1,1 Millionen. 40 Prozent des Güterverke­hrs in den Alpen gehen über den Brenner. Dazu kommen noch gut elf Millionen Autos, die jedes Jahr die Achse nutzen. Entspreche­nd haben auch die Belastunge­n auf und entlang der Route zugenommen.

Wenn Markus Söder am Freitag nach Rom reist, werden auch die chronisch überlastet­e Brennerrou­te und die Blockabfer­tigung ein Thema sein. Im bayerische­n Verkehrsmi­nisterium geht man davon aus, dass eine italienisc­he Klage

Erfolgscha­ncen hat, eine Entscheidu­ng darüber werde aber viel Zeit in Anspruch nehmen. „Das Slotsystem könnte dagegen schnell Abhilfe schaffen“, betont ein Sprecher von Verkehrsmi­nister Christian Bernreiter (CSU). Nach wie vor arbeite man eng mit Tirol und Südtirol zusammen, um dieses System voranzutre­iben. Damit, heißt es, könnte „die Planbarkei­t für den Güterverke­hr deutlich erhöht werden“und damit auch der „bei der Blockabfer­tigung entstehend­e Rückstau an der Grenze vermieden“werden.

Oberaudorf­s Bürgermeis­ter Bernhardt ist skeptisch, dass ein Slot-system viel ändern würde. „Durch ein Regulierun­gssystem wird der Verkehr ja nicht weniger.“Er fordert stattdesse­n, „das Problem von Anfang an zu durchdenke­n“– etwa, indem man Retouren für Onlinearti­kel kostenpfli­chtig macht und so den Verkehr ein Stück weit reduziert.

Vorerst wird es noch viele Tage geben, an denen im Inntal nichts mehr geht. Für dieses Jahr hat Tirol 40 Blockabfer­tigungstag­e angesetzt – allein 15 davon im Mai.

„Der Brenner braucht Entlastung, er steht vor dem Kollaps.“

Markus Söder

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Foto: Peter Kneffel, dpa Lkw-stau vor dem Grenzüberg­ang Kiefersfel­den: An Tagen, an denen Tirol Blockabfer­tigung ansetzt, reihen sich die Lastwagen viele Kilometer aneinander.

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