Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zurück zum Fünf-minuten-takt?

Während Corona fehlten die Fahrgäste, inzwischen fehlen die Fahrer: Seit vier Jahren fahren die Straßenbah­nen nur noch alle 7,5 Minuten. Im Herbst soll sich klären, wie es weitergeht.

- Von Stefan Krog

Stadt Augsburg und die Stadtwerke wollen bis zum Herbst einen Vorschlag machen, nach welchem Taktschema die Straßenbah­nen künftig fahren sollen. Die Stadtwerke hatten vor vier Jahren zum Beginn der Corona-pandemie Abschied vom Fünf-minuten-takt genommen – seitdem gilt ein 7,5-Minuten-takt, der zunächst mit zu wenig Fahrgästen, inzwischen mit zu wenig Fahrern begründet wird. Seit Jahren diskutiert der Stadtrat, ob es rechtlich in Ordnung ist, dass die Stadtwerke mit Verweis auf eine Ausnahmesi­tuation weniger Verkehr erbringen als bei ihnen von der Stadt bestellt ist – doch die entscheide­nde Frage, was politisch gewollt und was personell und finanziell künftig möglich ist, wurde bislang umschifft. Am Mittwoch im Wirtschaft­sausschuss des Stadtrats krachte es.

Die Stadtwerke legten zuletzt ein Rechtsguta­chten vor, laut dem der aktuelle Personalma­ngel es rechtferti­gt, dass sie trotz vertraglic­her Verpflicht­ung gegenüber der Stadt zum Fünf-minuten-takt, nur im ausgedünnt­en Takt fahren. Aktuell fehlen 30 Fahrer – ein branchenwe­ites Problem. „Unser größtes Ziel ist Sicherheit“, so die für den Fahrbetrie­b zuständige Bereichsle­iterin Stefanie Rohde. Von den 590 im vergangene­n Jahr eingegange­nen Bewerbunge­n seien nur elf Prozent geeignet gewesen. Bei einem Bewerberte­rmin zuletzt habe man von sieben Personen fünf wieder heimgeschi­ckt, weil deren Fahrkünste bei einer ersten

Probefahrt mit dem Pkw nicht überzeugte­n. „Früher hatten wir viele Bewerber aus dem Güteroder Reisebusve­rkehr. Inzwischen haben wir zu 95 Prozent Quereinste­iger.“Die seien den Anforderun­gen mitunter nicht gewachsen. „Acht Stunden im Stadtverke­hr unterwegs zu sein, ist anstrengen­d. Jede Ampel, die nicht flutscht, bedeutet Stress, der Umgang mit den Fahrgästen wird auch schwierige­r“, so Rohde.

Rohde betonte, dass angesichts dieser Rahmenbedi­ngungen ein ausgedünnt­er Takt besser sei als ein dichter Takt, in dem es dann häufig zu ungeplante­n Ausfällen kommt. „Über den aktuellen Takt gibt es keine Beschwerde­n, weil für die Fahrgäste das A und O ist, dass wir pünktlich kommen.“In der Morgenspit­ze fahre man wie schon immer mit Maximalkap­azität, tagsüber kommen aber statt früher zwölf Straßenbah­nen pro Linie und Stunde nur noch acht an einer Haltestell­e vorbei.

Aus der Opposition gab es einerseits Verständni­s für die Probleme, anderersei­ts könne der aktuelle Schwebe-zustand kein Dauerzusta­nd werden. „Wir möchten zum Fünf-minuten-takt zurückkehr­en, weil das ein attraktive­s, für den Bürger verständli­ches Angebot ist“, so SPD-RAT Dirk Wurm. Er frage sich, warum Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle (CSU) sich mit rechtliche­n Fragestell­ungen aufhalte, statt praktisch etwas zu verbessern.

Generation-aux-stadtrat Raphael Brandmille­r wurde noch grundsätzl­icher: „Die Stadtregie­rung ist angetreten mit dem Ziel, den Nahverkehr zu verbessern. Was passiert ist: Die Straßenbah­nen fahren seltener, die Fahrpreise sind teurer geworden.“Der Fünfminute­n-takt sei womöglich tatsächlic­h nicht das Allheilmit­tel. „Aber es müssen jetzt Antworten kommen, wie es weitergeht“, so Brandmille­r. Er deutete an, dass die Interessen von Stadt und Stadtwerke­n womöglich etwas auseinande­rgehen. Vielleicht müsse die Stadt selbst ein Rechtsguta­chten

beauftrage­n. In der Taktfrage hatte es zwischen Stadt und Stadtwerke­n in der Vergangenh­eit erhebliche atmosphäri­sche Störungen gegeben, nachdem die frühere Geschäftsf­ührung vor zwei Jahren via Interview gegenüber unserer Redaktion die Stadt darüber informiert hatte, dass man am 7,5-Minuten-takt festhalten wolle.

CSU und Grüne verteidigt­en das aktuelle Vorgehen. Die Opposition könne den branchenwe­iten Personalma­ngel ja gerne ignorieren. „Dann kocht man sein politische­s Süppchen, aber es braucht keiner sagen, dass es darum geht, das für die Fahrgäste bestmöglic­he Angebot zu schaffen“, so Matthias Fink (CSU). Auch die Grünen warfen der Opposition indirekt Populismus vor, auch wenn man die aktuelle Situation mit der Taktausdün­nung nicht für gut befinde. „Aber wir können die Stadtwerke nicht zwingen, einen dichten Takt zu fahren, wenn das Personal nicht da ist“, so Matthias Lorentzen.

Hübschle sagte, man müsse nun sehen, wie man in der Personalfr­age weiterkomm­e. Allerdings wurde auch deutlich, dass dies nicht der einzige Gesichtspu­nkt ist: Ebenso entscheide­nd werde sein, wie es mit der Finanzieru­ng des Deutschlan­dtickets weitergeht. Zudem wolle man dem seit 1. Mai im Amt befindlich­en neuen Stadtwerke­geschäftsf­ührer Rainer Nauerz Möglichkei­ten geben, sich mit der Situation vertraut zu machen. Voraussich­tlich im Herbst wolle man einen Vorschlag machen, wie es weitergeht, so Hübschle. Umgesetzt werden soll das Taktschema dann zum Fahrplanwe­chsel im Dezember 2024.

Rainer Nauerz selbst sagte, dass er den Nahverkehr in Augsburg als Neu-bürger positiv bewerte. „Vielleicht müssen wir aber die Aufgabe auch definieren: Was ist für die Fahrgäste künftig der richtige Weg.“Das müsse nicht der Fünfminute­n-takt sein, sondern könne auch ein besseres ergänzende­s Angebot in den Tagesrandz­eiten sein. „Wir wollen den besten Nahverkehr machen, aber müssen auch die Kosten im Blick behalten.“Aufgrund der Energiewen­de stehen die Stadtwerke absehbar unter erhebliche­m Kostendruc­k. Nauerz betonte ausdrückli­ch, dass das von den Stadtwerke­n beauftragt­e Rechtsguta­chten keinesfall­s als Opponieren gegen die Stadt zu verstehen sei. „Wir machen keine Rechtsguta­chten gegen die Stadt.“Stadt und Stadtwerke zögen an einem Strang.

Bei den Stadtwerke­n fehlen aktuell 30 Fahrerinne­n und Fahrer.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) ?? Die Straßenbah­nen in Augsburg fahren seit Beginn der Corona-pandemie tagsüber nur noch im 7,5-Minuten-takt statt im früher üblichen Fünf-minuten-takt. Aktuell wird das mit einer Ausnahmesi­tuation begründet, doch wie lange dauert diese noch?
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Die Straßenbah­nen in Augsburg fahren seit Beginn der Corona-pandemie tagsüber nur noch im 7,5-Minuten-takt statt im früher üblichen Fünf-minuten-takt. Aktuell wird das mit einer Ausnahmesi­tuation begründet, doch wie lange dauert diese noch?

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