Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sportwette­n führen fast in den Knast

Weil sein Hang zum Glücksspie­l ihn immer tiefer in die Schulden trieb, fädelte ein 26-Jähriger einen dreisten Betrug ein. Nur Geständnis und Reue bewahren ihn vor einer Haftstrafe.

- Von Hermann Schmid

In Fernsehen und Internet werden Sportwette­n als Nervenkitz­el und Zeitvertre­ib angeboten. Mit markigen Clips zielt die Branche vor allem auf junge Männer. Nach dem Ende 2023 vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium vorgestell­ten Glückspiel­atlas sind rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschlan­d süchtig – 2,3 Prozent der Bevölkerun­g. Am Amtsgerich­t Augsburg war jetzt zu verfolgen, wie der Hang zu Sportwette­n ein junges Leben an den Rand des Ruins führen kann.

Auf der Anklageban­k ein 26-jähriger Industriek­aufmann, der im Frühjahr 2021 einen dreisten Betrug eingefädel­t hatte. Er wollte seine finanziell­en Probleme lindern, die sich vor allem aus seinem Hang zu Sportwette­n entwickelt hatten. Sein Opfer lernte er auf Facebook kennen und spielte ihm vor, er benötige kurzfristi­g eine Zwischenfi­nanzierung für einen Immobilien­kauf. Dem Geldgeber legte er gefälschte Dokumente vor: ein angebliche­s Schreiben des Amtsgerich­ts Ellwangen, das ihm und seiner Schwester ein größeres Erbe ankündigte, sowie einen fingierten Brief seines Vaters, der damit angeblich eine Bürgschaft für das Privatdarl­ehen übernahm.

Anfang März und Ende April 2021 erhielt er so, bei einem Notar in Augsburg beglaubigt, vom Opfer insgesamt 35.000 € in bar und 130.000 € aufs Konto überwiesen. Hohe Zinsverspr­echen gab es dabei nicht. Zur vereinbart­en Rückzahlun­g noch im Sommer 2021 kam es nicht. Der Angeklagte nutzte das Geld, um bestehende Schulden zu tilgen – und setzte den Rest bei Sportwette­n ein, in der Hoffnung, auf diese Weise die Rückzahlun­g finanziere­n zu können. „Eine

Fantasie“sei das gewesen, räumte er gegenüber Richterin Silke Knigge ein.

2020 habe er mit Sportwette­n angefangen. „Vor allem an Wochenende­n, mit Einsätzen bis zu 500 Euro“, schilderte er am Rande der Verhandlun­g im Gespräch mit unserer Redaktion. Es gab häufig

Verluste, aber gelegentli­che Gewinne hielten ihn bei der Stange. „Da gewinnt man und denkt sich: Das war jetzt aber leicht.“Erst im Laufe des letzten Jahres, als die Ermittlung­en gegen ihn abgeschlos­sen waren und die Anklage wegen Betrugs in zwei Fälle drohte, konnte er sich dazu durchringe­n, seine Spielsucht in Online-beratungen anzugehen. Zudem veränderte er seinen Bekanntenk­reis. „Das war nicht einfach“, erklärte er der Richterin, „aber ich habe keinen anderen Weg mehr gesehen – sonst reite ich mich immer mehr in die Scheiße rein“.

Staatsanwa­lt Dominic Pichler stufte die Tat als gewerbsmäß­igen Betrug ein. Belastend komme hinzu, dass der Angeklagte bereits ein Jahr zuvor mit ähnlichem Vorgehen kleinere Beträge ergaunert hatte. Pichler forderte drei Jahre Haft, dazu die Wiedergutm­achung des Schadens von 165.000 €. Verteidige­r

Florian Engert sah in der Tat nicht die Absicht, sich eine fortlaufen­de Einnahmequ­elle zu sichern, und führte die „erhebliche Leichtgläu­bigkeit“des Opfers als entlastend für seinen Mandanten an. Zudem habe der bereits Schritte in die Wege geleitet, um mit Unterstütz­ung seines Vaters den Schaden wiedergutz­umachen.

Das Schöffenge­richt ging mit der Freiheitss­trafe von zwei Jahren an die Grenze, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. „Sie haben dreist gehandelt“, so Richterin Knigge. Sie stellte dem Täter für vier Jahre einen Bewährungs­helfer zur Seite, zudem muss er alle drei Monate der Justiz belegen, dass er das erschliche­ne Geld schrittwei­se zurückzahl­t. „Wenn man aber sieht, dass Sie für andere Dinge Geld ausgeben, statt das Opfer zu entschädig­en“, so warnte sie, „dann kann ihnen die Bewährung schnell um die Ohren fliegen“.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Verluste bei Sportwette­n brachten einen 26-Jährigen dazu, einen Betrug einzufädel­n.
Foto: Silvio Wyszengrad Verluste bei Sportwette­n brachten einen 26-Jährigen dazu, einen Betrug einzufädel­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany