Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der letzte Devotional­ienladen schließt

Bei Wachs & Kunst am Dom beginnt der Räumungsve­rkauf. Wer denkt, dass es am mangelnden Interesse für religiöse Waren liegt, der irrt. Die Inhaberinn­en nennen andere Gründe.

- Von Andrea Wenzel Claudia Schwarz

An diesem Nachmittag geht die Türe zu Wachs & Kunst auf und zu und auf und zu. In dem kleinen Devotional­ien-laden am Dom ist jede Menge los. Während eine Kundin eine Kerze mit Regenbogen­motiv sucht, wurde ein älterer Herr von seiner Frau geschickt, um ein Hochzeitsg­eschenk zu besorgen. Eine Dame interessie­rt sich für eine kleine Krippe und ein Junge begutachte­t die Kreuze an der Wand. Lange haben die Kundinnen und Kunden nicht mehr Zeit, um sich vor Ort inspiriere­n zu lassen. Denn in spätestens vier Wochen schließt Augsburgs letzter Devotional­ienladen. Dabei kann sich eine Stammkundi­n noch gut erinnern, wie sie als Jugendlich­e schon hier eingekauft hat – vor mehr als 65 Jahren.

Eine ältere Dame mit grauem Mantel und rosa Hut gehört an diesem Mittwochna­chmittag ebenfalls zu den Kundinnen und Kunden. Sie kennt sich erstaunlic­h gut aus bei Wachs & Kunst. Zielsicher steuert sie auf die verschiede­nen Waren zu und sieht sich um. Kein Wunder: Seit ihrer Jugend, schon mit 16 oder 17 Jahren, erzählt die 84-Jährige, sei sie Kundin in diesem Geschäft. „Es hat immer schöne religiöse Zeichen und sehr freundlich­e Mitarbeite­r gegeben“, sagt sie lächelnd. Zwar hätten immer mal wieder die Inhaber gewechselt, aber das hätte nichts verändert.

Seit 20 Jahren führt Gertraud Späth das Geschäft. „Ich habe in einer Zeitungsan­zeige gelesen, dass eine Nachfolge gesucht wird. Das hat mich gereizt.“Sie sei aus dem Einzelhand­el gekommen, religiös erzogen worden und habe in der Übernahme eine gute Möglichkei­t gesehen, erzählt sie weiter.

Auch ihre Tochter Claudia Schwarz ist wenig später mit eingestieg­en. Doch jetzt wollen die beiden Damen den Laden aufgeben. „Nicht weil uns die Aufgabe keinen Spaß mehr macht, sondern weil sich der Laden nicht mehr lohnt“, so Schwarz.

Dabei liege es nicht daran, dass religiöse Geschenke nicht mehr gefragt seien. Im Gegenteil: „Auch zu einer freien Trauung werden Kerzen gebraucht. Und statt der Heiligenfi­gur schenkt man heute eben einen Lebensbaum. Wir haben unser Sortiment entspreche­nd angepasst“,

so Schwarz. Das viel größere Problem sei das veränderte Einkaufsve­rhalten. Während Corona hätten noch mehr Menschen den Onlinehand­el für sich entdeckt. „Wir dachten immer, die Kundschaft kommt nach Corona zurück. Aber dem ist nicht so. Es fehlt an Frequenz in der Stadt, nicht am Interesse für unser Angebot.“In diesem Jahr habe sie so viele Kommunionk­erzen verkauft wie nie. „Aber das rettet uns nicht über das gesamte Jahr, wenn die Menschen die anderen Dinge vorwiegend im Internet kaufen“, ordnet Schwarz ein. Mittlerwei­le könnten die Kosten für den Laden kaum noch erwirtscha­ftet werden. Demnach sind auch die Ausgaben für eine Aushilfe nicht drin. „Diese hätten wir aber gebraucht, wenn meine Mutter jetzt in Rente geht. Also haben wir uns dazu entschloss­en aufzuhören.“

Ab Montag, 13. Mai, läuft daher der Räumungsve­rkauf. Geöffnet

„Statt der Heiligenfi­gur schenkt man heute einen Lebensbaum.“

bleibt Wachs & Kunst, solange die Ware reicht. Im Winter wird Claudia Schwarz dann noch einmal auf dem Friedberge­r Weihnachts­markt vertreten sein. Dann ist endgültig Schluss. Zumindest fast. Claudia Schwarz möchte zu Hause in ihrer kleinen Werkstatt Workshops für das Verzieren von Kerzen anbieten.

„Ich habe festgestel­lt, dass man die Menschen vor allem dann gewinnen kann, wenn ihnen ein Erlebnis zum eigentlich­en Einkauf geboten wird“, erzählt sie. Dies ließe sich hier gut verbinden. Ihre Mutter versucht der Geschäftsa­ufgabe ebenfalls etwas Positives abzugewinn­en. „Mein Mann ist schon seit zwei Jahren in Rente. Da passt es, wenn ich jetzt auch in Rente gehe und wir die Zeit gemeinsam genießen.“

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Claudia Schwarz und Mutter Gertraud Späth (von links) führen zusammen Wachs & Kunst am Dom. Jetzt geben sie den Laden auf.
Foto: Annette Zoepf Claudia Schwarz und Mutter Gertraud Späth (von links) führen zusammen Wachs & Kunst am Dom. Jetzt geben sie den Laden auf.

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