Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der letzte Devotionalienladen schließt
Bei Wachs & Kunst am Dom beginnt der Räumungsverkauf. Wer denkt, dass es am mangelnden Interesse für religiöse Waren liegt, der irrt. Die Inhaberinnen nennen andere Gründe.
An diesem Nachmittag geht die Türe zu Wachs & Kunst auf und zu und auf und zu. In dem kleinen Devotionalien-laden am Dom ist jede Menge los. Während eine Kundin eine Kerze mit Regenbogenmotiv sucht, wurde ein älterer Herr von seiner Frau geschickt, um ein Hochzeitsgeschenk zu besorgen. Eine Dame interessiert sich für eine kleine Krippe und ein Junge begutachtet die Kreuze an der Wand. Lange haben die Kundinnen und Kunden nicht mehr Zeit, um sich vor Ort inspirieren zu lassen. Denn in spätestens vier Wochen schließt Augsburgs letzter Devotionalienladen. Dabei kann sich eine Stammkundin noch gut erinnern, wie sie als Jugendliche schon hier eingekauft hat – vor mehr als 65 Jahren.
Eine ältere Dame mit grauem Mantel und rosa Hut gehört an diesem Mittwochnachmittag ebenfalls zu den Kundinnen und Kunden. Sie kennt sich erstaunlich gut aus bei Wachs & Kunst. Zielsicher steuert sie auf die verschiedenen Waren zu und sieht sich um. Kein Wunder: Seit ihrer Jugend, schon mit 16 oder 17 Jahren, erzählt die 84-Jährige, sei sie Kundin in diesem Geschäft. „Es hat immer schöne religiöse Zeichen und sehr freundliche Mitarbeiter gegeben“, sagt sie lächelnd. Zwar hätten immer mal wieder die Inhaber gewechselt, aber das hätte nichts verändert.
Seit 20 Jahren führt Gertraud Späth das Geschäft. „Ich habe in einer Zeitungsanzeige gelesen, dass eine Nachfolge gesucht wird. Das hat mich gereizt.“Sie sei aus dem Einzelhandel gekommen, religiös erzogen worden und habe in der Übernahme eine gute Möglichkeit gesehen, erzählt sie weiter.
Auch ihre Tochter Claudia Schwarz ist wenig später mit eingestiegen. Doch jetzt wollen die beiden Damen den Laden aufgeben. „Nicht weil uns die Aufgabe keinen Spaß mehr macht, sondern weil sich der Laden nicht mehr lohnt“, so Schwarz.
Dabei liege es nicht daran, dass religiöse Geschenke nicht mehr gefragt seien. Im Gegenteil: „Auch zu einer freien Trauung werden Kerzen gebraucht. Und statt der Heiligenfigur schenkt man heute eben einen Lebensbaum. Wir haben unser Sortiment entsprechend angepasst“,
so Schwarz. Das viel größere Problem sei das veränderte Einkaufsverhalten. Während Corona hätten noch mehr Menschen den Onlinehandel für sich entdeckt. „Wir dachten immer, die Kundschaft kommt nach Corona zurück. Aber dem ist nicht so. Es fehlt an Frequenz in der Stadt, nicht am Interesse für unser Angebot.“In diesem Jahr habe sie so viele Kommunionkerzen verkauft wie nie. „Aber das rettet uns nicht über das gesamte Jahr, wenn die Menschen die anderen Dinge vorwiegend im Internet kaufen“, ordnet Schwarz ein. Mittlerweile könnten die Kosten für den Laden kaum noch erwirtschaftet werden. Demnach sind auch die Ausgaben für eine Aushilfe nicht drin. „Diese hätten wir aber gebraucht, wenn meine Mutter jetzt in Rente geht. Also haben wir uns dazu entschlossen aufzuhören.“
Ab Montag, 13. Mai, läuft daher der Räumungsverkauf. Geöffnet
„Statt der Heiligenfigur schenkt man heute einen Lebensbaum.“
bleibt Wachs & Kunst, solange die Ware reicht. Im Winter wird Claudia Schwarz dann noch einmal auf dem Friedberger Weihnachtsmarkt vertreten sein. Dann ist endgültig Schluss. Zumindest fast. Claudia Schwarz möchte zu Hause in ihrer kleinen Werkstatt Workshops für das Verzieren von Kerzen anbieten.
„Ich habe festgestellt, dass man die Menschen vor allem dann gewinnen kann, wenn ihnen ein Erlebnis zum eigentlichen Einkauf geboten wird“, erzählt sie. Dies ließe sich hier gut verbinden. Ihre Mutter versucht der Geschäftsaufgabe ebenfalls etwas Positives abzugewinnen. „Mein Mann ist schon seit zwei Jahren in Rente. Da passt es, wenn ich jetzt auch in Rente gehe und wir die Zeit gemeinsam genießen.“