Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was bedeutet der Fernwärmeausbau?
Die Stadt setzt für den Klimaschutz auf die neue Heizungsart. Kunden haben dann aber keine Auswahl zwischen Anbietern mehr. Es gibt Kritik an mangelnder Transparenz.
Auf der Ausbaukarte der Stadtwerke ist die Zukunft schon sichtbar: Die farbigen Flächen, in die das Stadtgebiet eingeteilt ist, zeigen, welche Quartiere einen Fernwärmeanschluss bekommen werden. Bis 2045 sollen bis zu 70 Prozent der Augsburger Wärmeversorgung über Fernwärme abgedeckt werden. Aktuell sind es 25 Prozent. Das heißt, dass in den kommenden Jahrzehnten Zigtausende Haushalte ihre Versorgung umstellen werden – sei es, weil sie angesichts schärferer Vorgaben froh sind, sich nicht mehr um eine eigene Heizungsanlage kümmern zu müssen, sei es, weil die Stadtwerke ihr Gasnetz in Fernwärme-ausbaugebieten nach und nach stilllegen werden und dann gar keine andere Wahl bleibt. Was kommt da auf die Bürger in den kommenden Jahrzehnten zu?
Die Nachfrage nach Fernwärme, sagt Stadtwerke-vertriebsleiter Ulrich Längle, sei spätestens mit der Energiekrise explodiert. „Wo wir ausbauen, wird das Angebot fast überall dankend angenommen.“Doch gleichzeitig gibt es kritische Stimmen: Eine Vertragsumstellung der Stadtwerke vor wenigen Wochen sorgte für Fragen von Verbrauchern, speziell was die Transparenz betrifft. Was die Stadtwerke da präsentiert hätten, sei für Laien unverständlich, so mehrere Kunden gegenüber unserer Redaktion. Auch die Fraktion Bürgerliche Mitte bemängelt zu wenig Transparenz, was die Preisberechnung betrifft. Die gleiche häufig einer „Blackbox“, was auch die Verbraucherzentralen kritisieren.
In der Tat gibt es zwischen den deutschen Städten, die Fernwärme anbieten, Preisunterschiede: Laut einer Auswertung des Spiegels liegt Augsburg in einer Beispielrechnung fürs Heizen von 120 Quadratmetern Wohnfläche mit Monatskosten von 270 Euro im Mittelfeld – das Spektrum reicht in den Städten von 150 Euro bis knapp 500 Euro. Wechseln kann man – anders als bei Strom und Gas – nicht, weil man sich als Fernwärmekunde an einen Monopolisten bindet. Das, so Bürgerlichemitte-stadtrat Lars Vollmar, mache Transparenz aber umso wichtiger. „Wenn wir Fernwärme als wichtigen Baustein in der Wärmeversorgung sehen, darf sie keinesfalls den Ruch haben, dass mit undurchsichtigen Preismechanismen gearbeitet wird.“
Dass mehr Transparenz nötig ist, sehen auch die Stadtwerke so. Wie viel Fernwärme kostet, ist aus den im Internet veröffentlichten Preisblättern nicht ohne Weiteres ersichtlich, weil die Preise regelmäßig gemäß einem Index erhöht werden. Die Branchenverbände reagierten auf die schon länger laufenden Diskussionen mit der Ankündigung, eine Preisplattform für Fernwärmeanbieter einzuführen. „Auch wir finden es gut, wenn mehr Transparenz kommt“, so Stadtwerke-manager Längle. Gleichwohl sei ein Vergleich zwischen Städten schwierig: Manche Netze hängen noch an günstigen Kohlekraftwerken, andere setzen stärker auf regenerative Quellen.
Seit Kurzem haben die Stadtwerke
im Internet eine Übersicht veröffentlicht, die verschiedene Heizarten vergleicht – Gas als verbreitetste Methode ist darin nicht enthalten, weil es angesichts der Klimaschutzvorgaben ein Auslaufmodell ist. Legt man aber die aktuellen Preismodelle nebeneinander, ist in Augsburg die Energie pro Kilowattstunde bei der Fernwärme günstiger, der Grundpreis für einen Anschluss aber deutlich höher als beim Gas. Wie sich das praktisch auswirkt, ist
vom Sanierungszustand des Gebäudes abhängig.
Längle sagt, dass Gas aufgrund der Co2-bepreisung deutlich teurer werde. Bei der Fernwärme werde das nicht so durchschlagen, weil ein Großteil aus Abwärme der Müllverbrennung und dem Hackschnitzelkraftwerk bestritten wird. Problemlos sei der Vergleich zwischen Fernwärme und anderen Heizarten ohnehin nicht, sagt Fernwärme-vertriebsleiter Frank Kaminke: „Jeder, der sich für Fernwärme entscheidet, muss weniger investieren.“Man brauche keine Heizungsanlage mit jährlicher Wartung durch den Schornsteinfeger, sondern nur eine Übergabestation. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass der Bau einer Fernwärme-leitung vom Hauptstrang in der Straße übers Privatgrundstück bis zur Kellerwand schnell teuer wird, wenn jemand nachrüsten will.
Für Aufregung sorgte kürzlich, dass die Stadtwerke bei einem Teil der Kunden mit älteren Verträgen die Art der Abrechnung änderten. Faktisch läuft es auf eine Verschiebung zwischen dem Grundpreis für einen Anschluss und dem Verbrauchspreis für die Kilowattstunde hinaus. Jetzt langen die Stadtwerke beim Grundpreis stärker hin, der sich nach dem Maximalbedarf fürs Haus berechnet, und haben dafür den Arbeitspreis gesenkt. Damit wolle man die tatsächlichen Gegebenheiten besser widerspiegeln, so Längle. Mit dem neuen Abrechnungsmodell habe es teils Gewinner, teils Verlierer gegeben.
Die Stadtwerke wollen bis 2040 rund eine Milliarde Euro ins Fernwärmenetz investieren, indem es deutlich erweitert wird und neue Erzeugungsanlagen wie ein zweites Hackschnitzelkraftwerk oder Großwärmepumpen gebaut werden. In Vierteln, die aktuell mit Gas erschlossen sind und künftig Fernwärme bekommen sollen, werden die Stadtwerke die Gasleitungen schrittweise stilllegen – die Stadtwerke haben erste Großkunden bereits mit großem zeitlichen Vorlauf angeschrieben, die Thematik wird aber laut Stadtwerke-verband VKU großflächig auf die Netzbetreiber zukommen. Unklar ist noch, wie die Stadtwerke die Milliarden-investition – abhängig von Fördergeldern – stemmen werden.