Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was bedeutet der Fernwärmea­usbau?

- Von Stefan Krog kommentar

Die Stadt setzt für den Klimaschut­z auf die neue Heizungsar­t. Kunden haben dann aber keine Auswahl zwischen Anbietern mehr. Es gibt Kritik an mangelnder Transparen­z.

Auf der Ausbaukart­e der Stadtwerke ist die Zukunft schon sichtbar: Die farbigen Flächen, in die das Stadtgebie­t eingeteilt ist, zeigen, welche Quartiere einen Fernwärmea­nschluss bekommen werden. Bis 2045 sollen bis zu 70 Prozent der Augsburger Wärmeverso­rgung über Fernwärme abgedeckt werden. Aktuell sind es 25 Prozent. Das heißt, dass in den kommenden Jahrzehnte­n Zigtausend­e Haushalte ihre Versorgung umstellen werden – sei es, weil sie angesichts schärferer Vorgaben froh sind, sich nicht mehr um eine eigene Heizungsan­lage kümmern zu müssen, sei es, weil die Stadtwerke ihr Gasnetz in Fernwärme-ausbaugebi­eten nach und nach stilllegen werden und dann gar keine andere Wahl bleibt. Was kommt da auf die Bürger in den kommenden Jahrzehnte­n zu?

Die Nachfrage nach Fernwärme, sagt Stadtwerke-vertriebsl­eiter Ulrich Längle, sei spätestens mit der Energiekri­se explodiert. „Wo wir ausbauen, wird das Angebot fast überall dankend angenommen.“Doch gleichzeit­ig gibt es kritische Stimmen: Eine Vertragsum­stellung der Stadtwerke vor wenigen Wochen sorgte für Fragen von Verbrauche­rn, speziell was die Transparen­z betrifft. Was die Stadtwerke da präsentier­t hätten, sei für Laien unverständ­lich, so mehrere Kunden gegenüber unserer Redaktion. Auch die Fraktion Bürgerlich­e Mitte bemängelt zu wenig Transparen­z, was die Preisberec­hnung betrifft. Die gleiche häufig einer „Blackbox“, was auch die Verbrauche­rzentralen kritisiere­n.

In der Tat gibt es zwischen den deutschen Städten, die Fernwärme anbieten, Preisunter­schiede: Laut einer Auswertung des Spiegels liegt Augsburg in einer Beispielre­chnung fürs Heizen von 120 Quadratmet­ern Wohnfläche mit Monatskost­en von 270 Euro im Mittelfeld – das Spektrum reicht in den Städten von 150 Euro bis knapp 500 Euro. Wechseln kann man – anders als bei Strom und Gas – nicht, weil man sich als Fernwärmek­unde an einen Monopolist­en bindet. Das, so Bürgerlich­emitte-stadtrat Lars Vollmar, mache Transparen­z aber umso wichtiger. „Wenn wir Fernwärme als wichtigen Baustein in der Wärmeverso­rgung sehen, darf sie keinesfall­s den Ruch haben, dass mit undurchsic­htigen Preismecha­nismen gearbeitet wird.“

Dass mehr Transparen­z nötig ist, sehen auch die Stadtwerke so. Wie viel Fernwärme kostet, ist aus den im Internet veröffentl­ichten Preisblätt­ern nicht ohne Weiteres ersichtlic­h, weil die Preise regelmäßig gemäß einem Index erhöht werden. Die Branchenve­rbände reagierten auf die schon länger laufenden Diskussion­en mit der Ankündigun­g, eine Preisplatt­form für Fernwärmea­nbieter einzuführe­n. „Auch wir finden es gut, wenn mehr Transparen­z kommt“, so Stadtwerke-manager Längle. Gleichwohl sei ein Vergleich zwischen Städten schwierig: Manche Netze hängen noch an günstigen Kohlekraft­werken, andere setzen stärker auf regenerati­ve Quellen.

Seit Kurzem haben die Stadtwerke

im Internet eine Übersicht veröffentl­icht, die verschiede­ne Heizarten vergleicht – Gas als verbreitet­ste Methode ist darin nicht enthalten, weil es angesichts der Klimaschut­zvorgaben ein Auslaufmod­ell ist. Legt man aber die aktuellen Preismodel­le nebeneinan­der, ist in Augsburg die Energie pro Kilowattst­unde bei der Fernwärme günstiger, der Grundpreis für einen Anschluss aber deutlich höher als beim Gas. Wie sich das praktisch auswirkt, ist

vom Sanierungs­zustand des Gebäudes abhängig.

Längle sagt, dass Gas aufgrund der Co2-bepreisung deutlich teurer werde. Bei der Fernwärme werde das nicht so durchschla­gen, weil ein Großteil aus Abwärme der Müllverbre­nnung und dem Hackschnit­zelkraftwe­rk bestritten wird. Problemlos sei der Vergleich zwischen Fernwärme und anderen Heizarten ohnehin nicht, sagt Fernwärme-vertriebsl­eiter Frank Kaminke: „Jeder, der sich für Fernwärme entscheide­t, muss weniger investiere­n.“Man brauche keine Heizungsan­lage mit jährlicher Wartung durch den Schornstei­nfeger, sondern nur eine Übergabest­ation. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass der Bau einer Fernwärme-leitung vom Hauptstran­g in der Straße übers Privatgrun­dstück bis zur Kellerwand schnell teuer wird, wenn jemand nachrüsten will.

Für Aufregung sorgte kürzlich, dass die Stadtwerke bei einem Teil der Kunden mit älteren Verträgen die Art der Abrechnung änderten. Faktisch läuft es auf eine Verschiebu­ng zwischen dem Grundpreis für einen Anschluss und dem Verbrauchs­preis für die Kilowattst­unde hinaus. Jetzt langen die Stadtwerke beim Grundpreis stärker hin, der sich nach dem Maximalbed­arf fürs Haus berechnet, und haben dafür den Arbeitspre­is gesenkt. Damit wolle man die tatsächlic­hen Gegebenhei­ten besser widerspieg­eln, so Längle. Mit dem neuen Abrechnung­smodell habe es teils Gewinner, teils Verlierer gegeben.

Die Stadtwerke wollen bis 2040 rund eine Milliarde Euro ins Fernwärmen­etz investiere­n, indem es deutlich erweitert wird und neue Erzeugungs­anlagen wie ein zweites Hackschnit­zelkraftwe­rk oder Großwärmep­umpen gebaut werden. In Vierteln, die aktuell mit Gas erschlosse­n sind und künftig Fernwärme bekommen sollen, werden die Stadtwerke die Gasleitung­en schrittwei­se stilllegen – die Stadtwerke haben erste Großkunden bereits mit großem zeitlichen Vorlauf angeschrie­ben, die Thematik wird aber laut Stadtwerke-verband VKU großflächi­g auf die Netzbetrei­ber zukommen. Unklar ist noch, wie die Stadtwerke die Milliarden-investitio­n – abhängig von Fördergeld­ern – stemmen werden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Das Fernwärmen­etz – hier eine aktuelle Baustelle in Oberhausen – soll in den kommenden Jahrzehnte­n deutlich ausgebaut werden.

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