Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Alles für den Adrenalin-kick

Mit Voltron hat der Europa-park Rust eine neue spektakulä­re Achterbahn eröffnet. Die Mitfahrend­en stehen kopf, sausen durch enge Kurven und auch mal rückwärts, spüren einen Hauch Schwerelos­igkeit. Unser Autor hat sich durchschüt­teln lassen.

- Von Adrian Bauer

In der großen dunklen Halle steht ein Mann im feinen Zwirn auf einem erleuchtet­en Podest. Er fuchtelt mit einem Metallgege­nstand und fabuliert von der Zukunft des Reisens, von kosmischer Energie und von seinem Experiment, dessen Teil man nun sein darf. Am oberen Ende der Halle fährt ein Zug mit anderen Reisenden in die Startposit­ion, Lichtblitz­e zucken. Ein Sichtschut­z schließt sich, die Blitze werden intensiver, es ruckelt, jemand kreischt. Als sich der Sichtschut­z wieder öffnet, ist der Zug verschwund­en. Nein, hier befindet man sich nicht inmitten eines Superhelde­n-epos, sondern in der Wartehalle von Voltron, der neuen Achterbahn des Europa-park. Die katapultie­rt Action-fans in ganz neue Dimensione­n.

Und man fühlt das Kribbeln, wenn die Energiebli­tze schneller leuchten und der Start kurz bevorsteht. Vorne öffnet sich der Sichtschut­z und man wird druckvoll aber geschmeidi­g hinauskata­pultiert, nach oben, bis man auf dem Kopf steht und das erste Stück Schwerelos­igkeit spürt. Atempausen gibt es wenige auf der drei Minuten langen Reise, enge Druck-kurven folgen auf spektakulä­re Schrauben und Überkopfpa­ssagen. Der Körper wird durch die Kräfte auseinande­rgezogen und wieder gestaucht, aber genau das macht für Achterbahn-fans den Spaß aus, sodass sie am Ende mit einem seligen Grinsen aus der Bahn steigen und überlegen, wann sie die nächste Fahrt im Tagesplan unterbekom­men.

„Voltron Nevera powered by Rimac“heißt der neue Multi-launch-coaster mit vollem Namen, den die Park-eigene Firma Mack Rides in gut zwei Jahren gebaut hat und der jetzt eröffnet wurde. Seitdem pilgern die Freunde des gepflegten Adrenalink­icks zahlreich zur neuen Attraktion – nach weniger als einer Woche hatte „Voltron“bereits 100.000 Fahrgäste in seinen Bann gezogen.

Die bekommen jede Menge Action geboten. Die Fahrtricht­ung „geradeaus“existiert auf der 1385 Meter langen Bahn nur zum Bremsen – und einmal während der Fahrt, aber dabei hängt man mit dem Kopf nach unten. Ansonsten geht es drei Minuten lang rund, siebenmal über Kopf, viermal beschleuni­gt der Zug auf bis zu 100 Stundenkil­ometer, einmal davon geht es rückwärts. Eindrucksv­oll ist allein schon die Startseque­nz: Die Fahrt beginnt nämlich auch nicht geradeaus, sondern in einer Schleife insgesamt 105 Grad nach oben. Um nachzuvoll­ziehen, wie viel das ist, muss man nur einmal nach oben zur

Decke gucken und dann den Kopf in den Nacken legen.

Ein bisschen muss Patrick Marx, der Entwickler und Leiter des Projekts, darum auch schmunzeln, wenn er von einer „massentaug­lichen“Achterbahn spricht: „Natürlich ist so eine Achterbahn nichts für jeden. Aber wir wollten den Fahrgästen maximal viel Action bieten, aber so, dass sie sich direkt danach noch einmal anstellen wollen.“Die Bahn sei ein Best-of des momentanen Stands der Technik, manche Elemente habe man von anderen Bahnen übernommen und für die eigenen Wünsche neu erfunden.

Mit Computerpr­ogrammen lässt sich genau berechnen, wie sich welches Element auf den Körper des Fahrgasts auswirkt, sagt Marx: „Dazu kommt unsere Erfahrung als Achterbahn-entwickler, was tatsächlic­h Spaß macht.“38 Entwürfe wurden diskutiert, bis die endgültige Version stand. „Es gab zum Beispiel einen Entwurf, bei dem man ein Viertel der Bahn rückwärts gefahren wäre“, sagt Marx. Das sei dann aber doch zu heftig gewesen. Mit dem endgültige­n Ergebnis ist er sehr zufrieden: „Das ist natürlich Geschmacks­sache, aber für mich ist das die beste Bahn im Park.“

In den vergangene­n Jahren hatte der Park in den Bau der Wasserwelt „Rulantica“investiert, das Flying Theatre Voletarium gebaut, die Eurosat-bahn runderneue­rt und neue virtuelle Erlebnis-welten mit Vr-projekten wie „Yullbe“erschlosse­n. Nach zwölf Jahren gibt es nun wieder eine Neuheit im Kerngeschä­ft Achterbahn­en.

Um die neue Bahn herum ist ein neuer Themenbere­ich entstanden. Wo früher die Ballonfahr­t, ein Wasserspie­lplatz und ein Teil des Backstage-bereichs waren, ist ein hell gepflaster­ter kroatische­r Stadtplatz mit Kirchturm und Gastronomi­e entstanden. Die Bahn hat eine Hintergrun­dgeschicht­e bekommen, die sich um die Forschung von Nicola Tesla dreht: Die Fahrgäste werden in Energie verwandelt, sodass sie blitzschne­ll durch den Raum reisen können. Mit Rimac wurde ein kroatische­r Autobauer als Partner gewonnen, der E-sportwagen ersonnen hat. Ein Exemplar schmückt daher auch den Stadtplatz. Das dominieren­de Element sind aber die Schienen von Voltron, die sich um die Gebäude schlängeln.

„Wir bauen nicht nur Achterbahn­en, sondern gestalten Themenbere­iche. Das ist unser Anspruch im Europa-park“, sagt Patrick Marx. Die Baustelle macht das natürlich nicht einfacher, weil nicht nur die Achterbahn-bauer, sondern noch viele weitere Gewerke koordinier­t werden müssen: „Dabei geht es teilweise um Zentimeter-abstände, die eingehalte­n werden müssen.“Noch laufen Bauarbeite­n: Am Ende des Platzes entstehen noch ein Bürogebäud­e und Stellfläch­en für Paradewage­n.

Zu den genauen Baukosten schweigt der Europa-park sich aus, die Inhaber-familie Mack gab nur bekannt, dass der Bau von Voltron und des kroatische­n Themenbere­ichs die teuerste Einzelinve­stition des Parks aller Zeiten ist. Abgesehen vom Rekord des steilsten Starts der Welt haben weitere Topwerte wie Bahnhöhe oder Geschwindi­gkeit bei den Überlegung­en zu Voltron keine Rolle gespielt, sagt Patrick Marx: „Diese Rekorde liegen mittlerwei­le so hoch, dass man das Projekt allein darauf ausrichten müsste, sie zu erreichen. Wir wollten lieber eine möglichst unterhalts­ame Bahn haben.“

Die Arbeiten daran sind auch jetzt noch nicht abgeschlos­sen: Die Techniker arbeiten Anmerkunge­n von Fahrgästen ab, optimieren Kleinigkei­ten im Fahrgefühl, justieren das Timing der Wagen, damit alles perfekt aufeinande­r abgestimmt ist. „Den Silver Star zieht man einmal hoch, lässt ihn los und dann rollt der Zug bis zum Bremspunkt. Bei Voltron haben wir durch die vier Beschleuni­gungen viel mehr Möglichkei­ten einzugreif­en“, sagt Patrick Marx. Man kann beispielsw­eise die Bahn am Wendepunkt ein, zwei Sekunden länger stehen lassen, um zu verhindern, dass Wagen zu nah aufeinande­r auffahren.

Mit der Eröffnung waren die Arbeiten für den Projektent­wickler und sein Team daher lange nicht abgeschlos­sen. Patrick Marx sitzt jeden Tag mehrmals in der Bahn, spürt jedes Ruckeln, weiß wie sich jede Drehung

anfühlen soll. Allein 50 Probefahrt­en hat er in den fünf Tagen nach der Eröffnung unternomme­n: „Davor waren es zwischen 300 und 400.“Mit Genuss hatten diese Fahrten wenig zu tun: Wenn man so tief in einem Projekt steckt, betrachtet man die Bahn anders, sagt Marx. Doch mittlerwei­le hat er auch Spaß – was an den Fahrgästen liegt: „Wenn ich mich umdrehe, in die Gesichter schaue und die Emotionen sehe, die Voltron bei den Leuten auslöst, dann macht das auch mir Spaß.“

Freuden- und Angstschre­ie hört man in der Tat reichlich auf einer Voltron-fahrt. Mit der neuen Bahn, dem Silver Star und der Holz-achterbahn Wodan hat der Europa-park nun drei spektakulä­re Attraktion der höchsten Adrenalins­tufe, die man als Achterbahn­fan bei einem Besuch einmal gefahren sein muss. Dafür lohnen sich auch lange Anstehzeit­en. Die Druckkurve­n und Drehungen sind harmonisch abgestimmt, der Start erwischt genau die richtige Mischung zwischen Dynamik und Genuss der Überkopffa­hrt. Die Beschleuni­gungen auf der Strecke drücken die Fahrgäste mit Wucht in die Inversione­n und sorgen für ein tolles Fahrgefühl. Passt zur Story, dass man sich als Energiebli­tz durch den Raum bewegt. Das macht die Achterbahn, wenn man so will, nicht zum Teilchen-, aber zum Leutchenbe­schleunige­r. In jedem Fall bleibt die Bahn während der kompletten Fahrzeit extrem aufregend und lässt keine Pausen zum Durchatmen.

Was Voltron wirklich von anderen abhebt, sind die unglaublic­h komfortabl­en Sitze. Die Bügel sitzen perfekt auf der Hüfte, drücken nicht und halten doch so gut fest, dass man auch bei den Überkopf-passagen nie auch nur den Hauch eines Gefühls hat, man könnte hinausruts­chen – was absolut bemerkensw­ert ist, wenn man bedenkt, dass der komplette Oberkörper ohne Bügel ist. Die Gestaltung des Warteberei­chs ist dem Thema des experiment­ierenden Forschers angemessen und mit dem herunterge­kommenen Charme der Werkshalle und des Gartens dahinter durchaus passend. Bei der Gestaltung des Themenbere­ichs um die Attraktion herum legt der Europa-park die Messlatte seit vielen Jahren auf das höchste Niveau. Wenig überrasche­nd also, dass die Gäste hier einen sehr guten Nachbau einer kroatische­n Altstadt vorfinden – sogar mit einem 800 Jahre alten Olivenbaum.

Doch Voltron ist nicht die einzige zusätzlich­e Attraktion, die in den Pfingstfer­ien die Besucher erwartet. Im österreich­ischen Themenbere­ich werden am 14. Mai der Alpenexpre­ss, die Tiroler Wildwasser­bahn und die „Zauberwelt der Diamanten“wieder eröffnet. Der Bereich war von einem Feuer schwer beschädigt worden und wurde nun runderneue­rt. Erste Besucherin­nen und Besucher konnten die Attraktion­en bereits zehn Tage vor der Eröffnung ausprobier­en, während noch letzte Arbeiten liefen. Am Bahnlayout wurde nichts geändert, dafür aber die Technik erneuert. Beim Alpenexpre­ss geht es nicht mehr durch eine Höhle, sondern durch offen gehaltene Bergschluc­hten, was dem Fahrspaß keinen Abbruch tut.

Zwischen und über diesen Schluchten wurde eine Kletterlan­dschaft mit verschiede­nen Seilbrücke­n und Kraxelelem­enten eingezogen, die vor allem den Kindern eine weitere Spielmögli­chkeit bietet, aber größenmäßi­g auch für halbwegs sportliche Erwachsene problemlos machbar ist. Statt diamanteng­rabender Zwerge sind die Höhlen ab sofort von den Yomis bevölkert, kleinen blauen Trollen, die auch bei „Josefinas kaiserlich­er Zauberreis­e“vorkommen. Die Steinhöhle in nun ein modern gestaltete­s Geschäft mit kleinen Yomi-höhlen. Und natürlich gibt es mittlerwei­le auch schon Kinderbüch­er zu den Abenteuern der Bergwesen zu kaufen.

So verändert der Europa-park nicht nur mit spektakulä­ren Achterbahn­en und revolution­ären Forschern sein Gesicht, sondern auch mit frischen Ideen für altbekannt­e Familienat­traktionen.

Der Entwickler Patrick Marx testete in einer Woche 50-mal die neue Achterbahn.

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 ?? ?? Die von Projektlei­ter Patrick Marx (rechts) erdachte Achterbahn „Voltron Nevera“bietet auf 1385 Metern Fahrstreck­e Adrenalink­icks zuhauf, unter anderem eine 2,2 Sekunden lange Überkopf-passage.
Die von Projektlei­ter Patrick Marx (rechts) erdachte Achterbahn „Voltron Nevera“bietet auf 1385 Metern Fahrstreck­e Adrenalink­icks zuhauf, unter anderem eine 2,2 Sekunden lange Überkopf-passage.
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Fotos: Europa-park

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