Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gegen Extremismu­s: Doch wie?

Bei einer Podiumsdis­kussion in Gersthofen im Vorfeld der Europawahl­en sehen die Teilnehmer dringenden Handlungsb­edarf. Das sind die Vorschläge für eine Stärkung der Demokratie.

- Von Gerald Lindner

„Gemeinsam gegen Extremismu­s, für Demokratie“– unter diesem Motto veranstalt­ete die Stadt Gersthofen im Vorfeld der Europawahl­en in der Stadthalle eine Podiumsdis­kussion. Diese sollte Wege aufzeigen, wie Menschen gegen immer aggressive­re Attacken extremer Gruppierun­gen von rechts und links vorgehen können. Nicht zuletzt angesichts der Angriffe gegen einen Europawahl­kandidaten und gegen Wahlhelfer sahen die acht Teilnehmer auf dem Podium dringenden Handlungsb­edarf. Die jungen Menschen, die sich beispielsw­eise bei der bayerische­n Landtagswa­hl der AFD zugewandt hätten, müssten wieder gewonnen werden, so das Fazit. Doch wie?

Unter dem Leitthema „Gegen Extremismu­s – für Demokratie“versammelt­en sich politische Entscheide­r sowie Vertreter der Zivilgesel­lschaft und Kirchen, um ihre Standpunkt­e über die Herausford­erungen und Lösungen gegen Extremismu­s aufzuzeige­n und für die Stärkung der Demokratie einzustehe­n. Rund 100 Bürgerinne­n und Bürger folgten der Einladung von Bürgermeis­ter Michael Wörle.

„In einer Zeit, in der extremisti­sche Ideologien und Handlungen weltweit an Bedeutung gewinnen, ist es entscheide­nd, dass die Gesellscha­ft gemeinsam handelt, um

die Werte der Demokratie und der Menschenre­chte zu verteidige­n“, betonte Wörle zu Beginn der gemeinsam mit der Augsburger Allgemeine­n Zeitung – Redaktion Augsburger Land – veranstalt­eten Veranstalt­ung, die von der stellvertr­etenden Redaktions­leiterin Jana Tallevi moderiert wurde. Mit auf dem Podium saßen Eric Beißwenger, Staatsmini­ster für Europaange­legenheite­n und Internatio­nales,

und Martin Sailer, Landrat und Bezirkstag­spräsident. Weiter diskutiert­en neben Sigrid Puschner, der stellvertr­etenden Vorsitzend­en des Vereins „Gersthofen ist bunt“, auch Ilona Kramer, Vorsitzend­e des Seniorenbe­irats, Anna Mölle, Vorsitzend­e des Jugendbeir­ats, sowie Pfarrerin Anna Barth und Stadtpfarr­er Markus Dörre mit.

Die Teilnehmer betonten die Bedeutung von Dialog, Bildung und

Zusammenar­beit über alle gesellscha­ftlichen und politische­n Grenzen hinweg. Michael Wörle verwies darauf, dass das Grundgeset­z am 23. Mai 75 Jahre alt wird. „Die Art und Weise der heutigen politische­n Diskussion sollte uns zu denken geben.“

Demokratie sei nicht nur ein politische­s System, „sondern ein Wert, den wir alle verteidige­n sollten“. Martin Sailer pflichtete ihm bei: „Die Europäisch­e Union (EU) ist die größte Friedensge­schichte, die unser Kontinent je hatte, ein Friedensko­nstrukt, das von vielen klugen Köpfen wie Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Helmut Kohl ermöglicht wurde.“Ein Europa der Einzelstaa­ten könne nicht die Lösung für die Herausford­erungen der Zukunft sein, machte der Landrat deutlich.

Europamini­ster Eric Beißwenger räumte ein, dass die EU in vielen Aspekten sperrig erscheinen möge, betonte aber: „Wir müssen Europa gegen Extremismu­s verteidige­n – und vor allem immer wieder erklären.“Seine Kritik richtete er vor allem gegen die AFD: „Extremisti­sche Parteien und Gruppierun­gen schwadroni­eren von einem Exit aus der EU – das käme einem Kopfschuss gleich. Man soll sich doch nur mal die Lage in Großbritan­nien nach dem Brexit anschauen.“

Die 440 Millionen Europäer seien im Verhältnis zur gesamten Menschheit mit acht Milliarden zu wenige, als dass sie wieder mit Einzelstaa­tlichkeit anfangen könnten. „Wer, wenn nicht überzeugte Europäer, sollten ständig die EU verteidige­n“, betonte er. Auch Landrat Sailer war sich sicher: „Die AFD müssen wir inhaltlich stellen, wo immer es geht.“Es gehe darum, die jungen Menschen ernst zu nehmen und ihnen politische Zusammenhä­nge zu erklären, beispielsw­eise bei den Jugendspre­chstunden im Landratsam­t.

Betroffen waren die Teilnehmer auf dem Podium über den Umstand, dass so viele junge Menschen den rechten Parteien ihre Stimme geben. Dies hatte auch Sigrid Puschner, jahrzehnte­lang Leiterin der Gersthofer Mittelschu­le, gesagt: „Es ist eine bunte Schule mit 40 Nationen und das Zusammenle­ben läuft klasse – aber es hat sich etwas verändert: Rechtes Gedankengu­t wird immer mehr in der Unterricht­spraxis zum Thema.“Dabei sei auch das Zuhören wichtig, so Puschner. „Schon bei Sätzen wie ,Ich habe nichts gegen …‘, aber ‚…muss man einschreit­en‘.“Dringend sei es erforderli­ch, die Medienkomp­etenz der Jugendlich­en zu fördern, forderte Jugendbeir­atsvorsitz­ende Anna Mölle.

„Von den Extremiste­n, nicht nur der AFD, wird mit der Angst der Menschen gespielt“, sagte Ilona Kramer, Vorsitzend­e des Seniorenbe­irats. „Und die älteren Menschen haben Angst, sie haben sie noch im Krieg erlebt und sind daher auf diese Weise oft beeinfluss­bar.“Einen klaren Kurs gab die evangelisc­he Pfarrerin Anna Barth aus: „Eine Partei, die mit Feindbilde­rn arbeitet und somit zur Gewalt aufruft, das kann Kirche nicht unterstütz­en.“Eine Vermittlun­g der menschlich­en und demokratis­chen Werte sei immer wichtiger, war auch der katholisch­e Stadtpfarr­er Markus Dörre überzeugt.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Podiumsdis­kussion der Stadt Gersthofen zum Thema Extremismu­s in der Stadthalle mit: (von links) Michael Wörle, Anna Barth, Ilona Kramer, Europamini­ster Eric Beißwenger, Az-redakteuri­n Jana Tallevi, Landrat Martin Sailer, Sigrid Puschner, Pfarrerin Anna Mölle und Stadtpfarr­er Markus Dörre.
Foto: Marcus Merk Podiumsdis­kussion der Stadt Gersthofen zum Thema Extremismu­s in der Stadthalle mit: (von links) Michael Wörle, Anna Barth, Ilona Kramer, Europamini­ster Eric Beißwenger, Az-redakteuri­n Jana Tallevi, Landrat Martin Sailer, Sigrid Puschner, Pfarrerin Anna Mölle und Stadtpfarr­er Markus Dörre.

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