Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie aktiv sind Rechtsextreme in Augsburg?
Eine Veranstaltung mit Holocaust-leugnern, bei der eine Waffe gefunden wird, rückt die Szene in den Fokus. Wie häufig rechtsextreme Straftaten in der Stadt sind.
Eintrittspreis 15 Euro, die Regeln klar: Keine Mobiltelefone, keine Presse, keine Beiträge in sozialen Medien, keine Antifa, kein Filmen und Fotografieren während des Vortrags. Die Rahmenbedingungen, unter denen das Treffen im „Raum Augsburg“stattfinden soll, sind vorab klar definiert – und nicht unüblich für Zusammenkommen in der rechtsextremen Szene. Doch die Sicherheitsvorkehrungen reichen nicht aus. Als sich die rund 30 Personen an jenem Samstagnachmittag Ende April in Lechhausen versammeln, schreitet die Polizei ein. Sie trifft dabei unter anderem auf bekannte Holocaustleugner. Es ist ein außergewöhnlicher Vorgang, der Konsequenzen hat – und hiesige Aktivitäten der Szene in den Fokus rückt.
Ursprünglich sollte an diesem 27. April gemäß Ankündigung ein 99-Jähriger über seine Zeit bei der Ss-division „Das Reich“sprechen. Der ehemalige Untersturmführer habe an West- und Ostfront „für die Freiheit Deutschlands und Europas“
gekämpft. Doch wenige Tage später eine Planänderung: Der 99-Jährige, hieß es in entsprechenden Kanälen im sozialen Netzwerk Telegram, sei in seiner Wohnung gestürzt, man versuche, eine Alternative zu organisieren. Kurz darauf wurde dann verbreitet, für eine „hochkarätige, geschlossene Veranstaltung“habe man Sylvia Stolz und Alfred Schaefer gewinnen können. Beide werden der rechtsextremen Szene zugeordnet, beide wurden unter anderem wegen Holocaust-leugnung verurteilt.
Kurz nach Beginn der Veranstaltung an jenem Samstag um etwa 15.30 Uhr betrat die Polizei die Lechhauser Gaststätte. Die rund 30 Anwesenden waren zwischen 18 und 71 Jahre alt. „Einige Teilnehmer können aufgrund polizeilicher Erkenntnisse der rechtsextremen Szene zugeordnet werden, zu anderen bestehen diesbezüglich bislang keine polizeilichen Erkenntnisse“, teilt ein Polizeisprecher mit. Zwei Personen wurden während der Kontrollen besonders auffällig: eine 41-Jährige und ein 69-Jähriger. Hieß es zunächst lediglich, die 41-Jährige habe einen unerlaubten Gegenstand bei sich gehabt, präzisiert der Polizeisprecher nun, es habe sich dabei „um eine Art ‘Totschläger’“gehandelt. Dies sind biegsame und längliche Schlaggegenstände, deren Ende beschwert ist, etwa durch Metall. Sie sind laut Waffengesetz verboten. Vermeintliche Teilnehmer des Treffens erklärten im Nachgang, es habe sich um einen „Schlüsselanhänger“gehandelt.
Gegen den 69-Jährigen wird unterdessen wegen Volksverhetzung ermittelt, Grund sind Äußerungen in der Gaststätte. Zudem erhielt er einen Platzverweis. Er habe durch seine Teilnahme am Treffen gegen eine gerichtliche Auflage verstoßen, teilte die Polizei dazu zunächst mit. Inzwischen erklärt ein Polizeisprecher, dem 69-Jährigen sei laut richterlichem Beschluss untersagt worden, „sich mit Personen aus der rechtsextremen Szene zu treffen“. Bei ihm soll es sich um Alfred Schaefer handeln. Entsprechende Informationen unserer Redaktion decken sich mit Recherchen der Plattform „Endstation Rechts“. Der Deutsch-kanadier gilt als bekannte Figur in der rechtsextremen Szene, die Veranstaltung in Augsburg ging auf einen Zusammenschluss namens „Freundeskreis Alfred Schaefer“zurück. Kurz nach dem Treffen gab er seine Auflösung bekannt. Grund sollen „Sicherheitsbedenken“sein, wie Schaefer nahe stehende Akteure auf Telegram verbreiteten. Die Veranstaltung in Lechhausen sei trotzdem ein „voller Erfolg“gewesen, zumindest Sylvia Stolz habe ihren Vortrag zu Ende führen können.
Wieso wird Augsburg zum Schauplatz solcher Veranstaltungen? „Der Polizei ist bislang nicht konkret bekannt, warum das Treffen in Augsburg stattfand“, teilt ein Sprecher mit. Weder im Stadtgebiet noch in der Gaststätte habe es bislang „nennenswerte Auffälligkeiten“gegeben. Möglich wäre, dass schlicht die geografische Lage eine Rolle spielte, ein Großteil der Anwesenden kam nicht aus der Region. Im Raum Nordschwaben, so der Sprecher, gebe es „vereinzelt Personen, die dem Bereich Rechtsextremismus zuzuordnen sind“. Gegen diese gehe man „unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten“vor.
In der Stadt Augsburg wurden im Jahr 2023 insgesamt 83 Straftaten registriert, die dem politisch rechten Spektrum zugeordnet werden können. Ein Beispiel: Laut der Opferberatungsstelle B.U.D. soll die alevitische Gemeinde in Augsburg im Juni vorigen Jahres einen rassistischen Brief erhalten haben, dem ein rechtsextremes Manifest beigelegen habe. Zehn der im Jahr 2023 in Augsburg registrierten Straftaten galten als extremistisch, deren 27 waren es in ganz Nordschwaben. 15-mal ging es dabei um Volksverhetzung, achtmal um sogenannte Propagandadelikte. Von einer „konkreten rechten Szene“in Stadt und Raum Augsburg, so der Polizeisprecher, könne aber „auf Grundlage polizeilicher Erkenntnisse nicht gesprochen werden“.
Eine Akteurin wertet das Treffen als „vollen Erfolg“.