Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lebensmittel sollen tierfreundlicher produziert werden
Handel Bauern setzen auf freiwillige Initiative Tierwohl. Verbraucherschützer fordern dagegen klare gesetzliche Standards
Augsburg Viele Bauern in Bayern wollen tierfreundlicher produzieren und die Initiative Tierwohl unterstützen. Das zeigt nach Einschätzung des Bayerischen Bauernverbandes die Zahl von Schweinehaltern, die sich beteiligen: Von den rund 6000 Schweine haltenden Betrieben im Freistaat haben sich 467 bei dem bundesweiten Programm registrieren lassen. Doch bis Mai konnten nur etwa 180 zugelassen werden. Denn die freiwillige Aktion, die gemeinsam mit dem Handel vor gut einem halben Jahr gegründet wurde, gilt als unterfinanziert. Und ob Verbraucher sich auf Fleischprodukte verlassen können, die unter besseren Tierschutzbedingungen entstehen, ist umstritten.
Tier- und Umweltschützern geht die Initiative Tierwohl nicht weit genug: Reinhild Benning spricht von einem „Dumpingkonzept“. Die Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) sagte unserer Zeitung, „es ist erschütternd, wie niedrig die Kriterien sind“. Über die gesetzlichen Standards geht ihrer Einschätzung nach nur das Versprechen, den Tieren zehn Prozent mehr Platz zu bieten. Doch auch hier handle es sich nur um „eine Handbreit mehr“. Der BUND fordert, dass eine Pflichtkennzeichnung nach dem Vorbild der Eierkennzeichnung Gesetz wird. Dazu gebe es bereits einen Vorschlag aus dem Bundesrat.
Die Eierkennzeichnung sieht auch Verbraucherschützerin Jutta Saumweber als Vorbild. Der Fachfrau für Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale Bayern fehlt bei der Initiative Tierwohl eine transparente und verlässliche Verbraucherinformation. „Wenn sich der Verbraucher jetzt ein Schweineschnitzel im Supermarkt kauft, weiß er nicht, wie viel Tierwohl er bekommt“, kritisiert Saumweber. Der Verbraucher muss ihrer Meinung nach die Wahlmöglichkeit haben und sich auch in der konventionellen Tierhaltung bewusst für abgestufte, festgelegte Tierwohlkriterien beim Fleischeinkauf entscheiden können.
Gegen staatliche Standards sprach sich Bauernpräsident Joachim Rukwied auf dem Deutschen Bauerntag in Erfurt aus. Staatliche Bevormundung, Bürokratie und gesetzgeberische Schnellschüsse seien vielleicht die größte Gefahr für eine bäuerliche Landwirtschaft. Er betonte: „Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierschutz hängen nicht von der Größe der Betriebe oder Ställe ab.“
Die wachsende Kritik erklärt er damit, dass Landwirtschaft und Teile der Gesellschaft „gewissermaßen in getrennten Wirklichkeiten“lebten: Während die Internationalisierung der Agrarmärkte zunehme, sich der Wettbewerb verschärfe und Einfluss auf die Erzeugerpreise habe, hätten Verbraucher Bilder eines romantischen Landlebens im Kopf. Und die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher sei begrenzt, sagt Johann Ertl vom Bayerischen Bauernverband. Um die Initiative Tierwohl voranzubringen, müsse die Zahl der Handelsunternehmen erhöht werden.