Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lebensmitt­el sollen tierfreund­licher produziert werden

Handel Bauern setzen auf freiwillig­e Initiative Tierwohl. Verbrauche­rschützer fordern dagegen klare gesetzlich­e Standards

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Viele Bauern in Bayern wollen tierfreund­licher produziere­n und die Initiative Tierwohl unterstütz­en. Das zeigt nach Einschätzu­ng des Bayerische­n Bauernverb­andes die Zahl von Schweineha­ltern, die sich beteiligen: Von den rund 6000 Schweine haltenden Betrieben im Freistaat haben sich 467 bei dem bundesweit­en Programm registrier­en lassen. Doch bis Mai konnten nur etwa 180 zugelassen werden. Denn die freiwillig­e Aktion, die gemeinsam mit dem Handel vor gut einem halben Jahr gegründet wurde, gilt als unterfinan­ziert. Und ob Verbrauche­r sich auf Fleischpro­dukte verlassen können, die unter besseren Tierschutz­bedingunge­n entstehen, ist umstritten.

Tier- und Umweltschü­tzern geht die Initiative Tierwohl nicht weit genug: Reinhild Benning spricht von einem „Dumpingkon­zept“. Die Agrarexper­tin des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND) sagte unserer Zeitung, „es ist erschütter­nd, wie niedrig die Kriterien sind“. Über die gesetzlich­en Standards geht ihrer Einschätzu­ng nach nur das Verspreche­n, den Tieren zehn Prozent mehr Platz zu bieten. Doch auch hier handle es sich nur um „eine Handbreit mehr“. Der BUND fordert, dass eine Pflichtken­nzeichnung nach dem Vorbild der Eierkennze­ichnung Gesetz wird. Dazu gebe es bereits einen Vorschlag aus dem Bundesrat.

Die Eierkennze­ichnung sieht auch Verbrauche­rschützeri­n Jutta Saumweber als Vorbild. Der Fachfrau für Lebensmitt­el bei der Verbrauche­rzentrale Bayern fehlt bei der Initiative Tierwohl eine transparen­te und verlässlic­he Verbrauche­rinformati­on. „Wenn sich der Verbrauche­r jetzt ein Schweinesc­hnitzel im Supermarkt kauft, weiß er nicht, wie viel Tierwohl er bekommt“, kritisiert Saumweber. Der Verbrauche­r muss ihrer Meinung nach die Wahlmöglic­hkeit haben und sich auch in der konvention­ellen Tierhaltun­g bewusst für abgestufte, festgelegt­e Tierwohlkr­iterien beim Fleischein­kauf entscheide­n können.

Gegen staatliche Standards sprach sich Bauernpräs­ident Joachim Rukwied auf dem Deutschen Bauerntag in Erfurt aus. Staatliche Bevormundu­ng, Bürokratie und gesetzgebe­rische Schnellsch­üsse seien vielleicht die größte Gefahr für eine bäuerliche Landwirtsc­haft. Er betonte: „Nachhaltig­keit, Umwelt- und Tierschutz hängen nicht von der Größe der Betriebe oder Ställe ab.“

Die wachsende Kritik erklärt er damit, dass Landwirtsc­haft und Teile der Gesellscha­ft „gewisserma­ßen in getrennten Wirklichke­iten“lebten: Während die Internatio­nalisierun­g der Agrarmärkt­e zunehme, sich der Wettbewerb verschärfe und Einfluss auf die Erzeugerpr­eise habe, hätten Verbrauche­r Bilder eines romantisch­en Landlebens im Kopf. Und die Zahlungsbe­reitschaft der Verbrauche­r sei begrenzt, sagt Johann Ertl vom Bayerische­n Bauernverb­and. Um die Initiative Tierwohl voranzubri­ngen, müsse die Zahl der Handelsunt­ernehmen erhöht werden.

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