Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das miese Geschäft mit der Einsamkeit

Betrug Der Witwer Alfred G. antwortet auf eine Kontaktanz­eige. Bekanntsch­aft macht er aber nur mit Betrügern – und wird bedroht, als er sich weigert zu zahlen. Er ist kein Einzelfall

- VON FLORIAN EISELE

Ein Witwer fiel auf eine falsche Kontaktanz­eige herein. Als er sich weigerte, Geld zu zahlen, wurde er bedroht.

Landkreis Augsburg Eigentlich hörte sich alles so schön an, als Alfred G.* vor eineinhalb Jahren die Kontaktanz­eige las. Eine Frau namens Margot suchte nach einem Mann in ihrem Alter. Der 82-jährige Witwer erinnert sich: „Vor über zehn Jahren ist meine Frau gestorben. Und alleine ist es mir zu langweilig. Als ich die Anzeige gelesen habe, dachte ich mir: Prima. Die passt zu mir. Und habe da angerufen.“Bekanntsch­aft mit Margot hat Alfred G. aber niemals gemacht. Er ist stattdesse­n an Betrüger geraten, hat Geld verloren, Nerven geopfert und wurde bedroht. Und er ist kein Einzelfall.

Alfred G. erinnert sich: „Als ich da angerufen habe, hat sich eine Frau gemeldet. Sie hat gesagt, dass ich bei einer Partnerver­mittlung gelandet bin und dass sie von mir einige Daten bräuchte.“Ein Hinweis, dass es sich bei der Anzeige um einen gewerblich­en Text handelt, findet sich nur ganz am Ende. Dennoch geht der Rentner auf das Angebot der vermeintli­chen Partnerver­mitt- lung ein und trifft sich wenig später mit einer Mitarbeite­rin der Agentur in einem Gasthaus im Landkreis. Ihren Namen nennt sie ihm auch auf Nachfrage nicht, dafür aber einen fadenschei­nigen Grund für das Treffen: Bei dem Gespräch sollten die Vorlieben des Seniors untersucht werden – für den Fall, dass es mit Margot nicht klappen würde. Alfred G. gibt bereitwill­ig Auskunft. Doch nicht nur das: Als Vermittlun­gsgebühr werden 200 Euro fällig. Dazu unterschre­ibt er noch einen Vertrag zur Partnerver­mittlung. „Kurz danach hatte es die Frau eilig und hat schnell ihren Kaffee gezahlt“, erinnert er sich.

Warum die Frau gleich nach der Unterschri­ft das Weite suchte, merkt der Witwer wenige Tage später, als er bei seiner Bank Kontoauszü­ge abholt. Darin findet er einen Vermerk, dass von einem Konto in der Oberpfalz versucht worden ist, von Alfred G.’s Konto Geld abzubuchen – diesmal geht es um 3255 Euro. Das Glück des Seniors: Weil sein Konto nicht ausreichen­d gedeckt ist, misslingt der Versuch. „Ich bin dann gleich zur Filialleit­erin gegangen. Die kannte diese Masche schon und hat mir geraten, damit zur Kriminalpo­lizei zu gehen.“

Doch auch nachdem Alfred G. die Anzeige gestellt hat, hat er keine Ruhe vor der vermeintli­chen Partnerage­ntur. Zuerst kommt ein Anruf, der ihn zum Zahlen der 3255 Euro auffordert – schließlic­h habe er einen Vertrag für ein Seminar abgeschlos­sen. Als er darauf nicht eingeht, wird der Ton schärfer. Zuletzt ruft ein Mann an. „Der hat gesagt: Wenn ich nicht zahle, wird es ein böses Erwachen geben. Da habe ich aufgelegt.“Zu diesem Zeitpunkt ist der Fall längst bei der Polizei.

Mittlerwei­le ist die Staatsanwa­ltschaft Augsburg mit dem Fall beschäftig­t. Laut Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai liegen gegen die Beschuldig­ten mehrere Anzeigen vor. Die Ermittlung­en der Polizei Gersthofen sind mittlerwei­le abgeschlos­sen. Dennoch geht der Betrug offenbar weiter: Nach wie vor meldet sich unter der Nummer mit Augsburger Vorwahl eine Frau, die sich mit „Müller“meldet und ihren Vornamen nicht nennen will. Norbert Wieland vom Betrugskom­missariat der Augsburger Kriminalpo­lizei kennt die Masche: „In der Kontaktanz­eige ist nie erkenntlic­h, dass es sich um eine Partnerver­mittlung handelt. In aller Regel gibt es die Personen aus der Anzeige auch gar nicht.“Die Opfer seien übrigens nicht nur Senioren, sondern Menschen aller Altersschi­chten. Dabei spielen die Betrüger nicht nur mit der Einsamkeit der Menschen, sondern auch mit deren Schamgefüh­l. Denn die Polizei geht davon aus, dass es vielen zu peinlich ist, die Sache zur Anzeige zu bringen. Ein Fehler, sagt Wieland: „Hier sind die Chancen relativ gut, dass der Täter ermittelt wird.“

Alfred G. hofft darauf, dass die Menschen hinter dem Betrug zur Rechenscha­ft gezogen werden. Sein Geld hat er bislang nicht wieder bekommen. Er will dem Fall aber nicht mehr hinterhert­rauern: „Wenn ich mich damit belaste, werde ich krank.“Auf eine Kontaktanz­eige hat er seitdem aber nie mehr geantworte­t. *Name geändert

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Foto: Marcus Merk Alfred G. fiel auf eine falsche Kontaktanz­eige herein. Anstatt eine Bekanntsch­aft zu machen, verlor der 82-Jährige nur Geld.

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