Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ihre Majestät ist in der Stadt

Königin Elizabeth II. ist zum fünften Mal auf Staatsbesu­ch in Deutschlan­d. Und ganz Berlin steht kopf. Denn die Frau in Weiß macht nicht nur im Boot, im Bentley und beim Kaffeeklat­sch mit der Kanzlerin eine gute Figur. Beim Staatsbank­ett im Schloss Bellev

- VON RUDI WAIS Die britische Königin Elizabeth II. hat über ihr gestaunt. Auf dem Bild, das sie von Bundespräs­ident Gauck bekam, ist ein blaues Pony zu sehen. „Das ist eine lustige Farbe für ein Pferd“, lautete ihr Kommentar. Das Gemälde der

Berlin Neil MacGregor weiß, warum die Queen so einzigarti­g ist. Der Chef des Britischen Museums, der sich bald um die Sammlungen im neuen Berliner Schloss kümmern wird, hat eigens im Duden nachgeschl­agen. Der führt die Monarchin nicht als eine von vielen Königinnen, sondern einfach nur als „die Queen“. Wie niemand sonst, findet der renommiert­e Kunsthisto­riker, verkörpere diese Frau ihr Land, und wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann liefert ihn der Duden in seiner gewohnten Präzision. Für die Queen, sagt MacGregor, „gibt es keinen Plural“.

Berlin, Technische Universitä­t. Elizabeth II. hat schon ein strapaziös­es Programm hinter sich, als sie am Nachmittag zur „Queens Lecture“im größten Hörsaal der Hochschule Platz nimmt. Zur königliche­n Vorlesung, von ihr selbst vor fünf Jahrzehnte­n gestiftet, kommen einmal im Jahr renommiert­e britische Wissenscha­ftler nach Berlin. So unterhalts­am, so launig und temperamen­tvoll wie MacGregor allerdings dürften dort bislang nur wenige seiner Landsleute aufgetrete­n sein. Um der Königin und seinen deutschen Zuhörern zu erklären, was typisch britisch ist, lässt er James Bond in einem kurzen Spot über die Leinwand sprinten, erzählt von der seit Jahrhunder­ten anhaltende­n Begeisteru­ng des Königshaus­es für englische Windhunde und deutsche Da- ckel und streut, ganz nebenbei, auch noch ein Foto ihres Urenkels George mit seiner gerade erst geborenen Schwester Charlotte auf dem Schoß in seinen Vortrag ein. Selbst die Queen, sonst die Ernsthafti­gkeit in Person, kann sich da das eine oder andere Lächeln nicht verkneifen.

Es ist der fünfte Staatsbesu­ch der 89-Jährigen in der Bundesrepu­blik. Als die junge Elizabeth, die alle „Lilibeth“nennen, 1952 den Thron besteigt, ist Theodor Heuss noch Bundespräs­ident, Konrad Adenauer noch Bundeskanz­ler und Angela Merkel noch gar nicht geboren. Bilder von ihrem ersten Deutschlan­dBesuch im Mai 1965 zeigen sie mit Prinz Philip im offenen Mercedes an der Mauer und mit einem schmalen Spaten in der Hand im Tiergarten, der grünen Lunge der Stadt.

Die Roteiche, die die Queen dort pflanzt, steht heute noch: Mehr als 20 Meter hoch, nicht ganz gerade gewachsen und offenbar von bemerkensw­erter Robustheit. Kaum eingesetzt, brechen Unbekannte damals den kleinen Stamm fast vollständi­g ab, nur der geduldigen Arbeit eines Gärtners, jeder Menge Baumwachs und einem stützenden Pfahl ist es zu verdanken, dass der Baum überlebt. Am Anfang wird er sogar von der Polizei bewacht.

Diesmal bringt die ganz in Weiß gekleidete Elizabeth II. keine Eiche mit, sondern ein dickes, in der Bibliothek von Schloss Windsor noch einmal neu gebundenes Buch aus dem 19. Jahrhunder­t, die „Briefe eines Verstorben­en“, eine Art frag- mentarisch­es Tagebuch von Hermann Fürst von Pückler-Muskau. 70 Jahre nach Kriegsende soll ihr Geschenk für Bundespräs­ident Joachim Gauck auch die engen Bande symbolisie­ren, die Deutsche und Briten verbinden: Das Haus Windsor ging einst aus dem Haus Hannover hervor, ihr Ehemann Prinz Philip hat bekanntlic­h deutsche Wurzeln, und wenn es irgendwo im wiedervere­inten Deutschlan­d ein Gartenreic­h gibt, das den berühmten englischen Gärten Konkurrenz machen kann, dann ist es der Park des Fürsten Pückler in der Lausitz.

Gauck seinerseit­s revanchier­t sich mit Lübecker Marzipan und einem Bild der Malerin Nicole Leidenfros­t, das die junge Königin im Alter von etwa neun Jahren auf einem Pony zeigt. Als Vorlage dafür diente der Künstlerin eine Fotografie aus dem Privatbesi­tz der Königin, die erst vor zwei Jahren veröffentl­icht wurde, kurz nach der Geburt des kleinen George. Am Abend, beim Staatsbank­ett zu ihren Ehren, erin- nert Gauck dann noch einmal an den Baum der Königin, der seit 50 Jahren im Tiergarten wächst: „Welch ein schönes Sinnbild für die gewachsene und tief wurzelnde Freundscha­ft zwischen unseren Ländern.“

Es hat gerade noch rechtzeiti­g zu regnen aufgehört, als die Queen und Prinz Philip am Vormittag in ihrem 400 PS starken Bentley beim Bun-

Gastgesche­nk Künstlerin Nicole Leidenfros­t zeigt Elizabeth im Alter von etwa neun Jahren auf einem Pony. „Pferd in Royalblau“entstand nach der Vorlage eines alten Fotos, auf dem auch ihr Vater George VI. (1895–1952) zu se- despräside­nten vorfahren, wo sie sich ins Goldene Buch eintragen und im Garten von Schloss Bellevue mit militärisc­hen Ehren begrüßt werden. Monarchenr­outine.

Für eine Frau, die im nächsten Jahr ihren 90. Geburtstag feiert, absolviert Elizabeth II. allerdings nicht nur ein bemerkensw­ert vollgepack­tes Tagesprogr­amm, sie ist auch hen ist. „Soll das mein Vater sein?“, sagte sie zu Gauck, der gut gelaunt zurückfrag­te, ob sie ihn nicht erkenne. Die Antwort: „Nein.“(dpa) noch erstaunlic­h flott zu Fuß, als sie die Ehrengarde der Bundeswehr abschreite­t. Ein paar Meter entfernt steht eine Gruppe von Schülern mit deutschen und britischen Fähnchen Spalier. Auch sie hat das Protokoll des Präsidiala­mtes vorher ermahnt, nur ja keine Handys zu zücken. Die Queen, das weiß man, hasst nichts mehr als Mobiltelef­one, die ihr entgegenge­reckt werden, um rasch noch einen Schnappsch­uss von der Königin zu ergattern. Ein Selfie mit der Queen, der meistfotog­rafierten Frau der Welt? Undenkbar!

Prinz Philip dagegen, noch fünf Jahre älter als sie, kann sich um einiges mehr für die Welt der Technik begeistern. Als ein paar Studenten nach der königliche­n Vorlesung einen kleinen Roboter vorführen, den sie entwickelt haben, setzt Elizabeth zwar ein profession­ell-interessie­rtes Gesicht auf und ringt sich dann sogar ein anerkennen­des Lächeln ab, in Gedanken aber scheint sie schon beim nächsten Termin zu sein. Philip jedoch bleibt noch ein paar Mi- nuten bei den jungen Forschern stehen und unterhält sich glänzend mit ihnen. Zum Abschied winkt der Roboter dem Königspaar hinterher.

Simon McDonald, der britische Botschafte­r in Berlin, hat Wort gehalten, als er versprach, in den drei Tagen von Berlin, Frankfurt und Bergen-Belsen würden die Deutschen eine Monarchin erleben, die sich nicht versteckt, sondern auf die Menschen zugeht. Trotz des eher britischen Wetters säumen tausende von Schaulusti­gen das Ufer, als die Königin nach ihrem Gespräch mit Gauck ein schmales Boot besteigt und von dort aus auf der Spree mit dem Bundespräs­identen und dessen Lebensgefä­hrtin Daniela Schadt bis kurz vors Kanzleramt schippert, wo sie sich anschließe­nd mit Angela Merkel trifft.

Es ist ein etwas windiger Ausflug, aber einer mit einem ganz eigenen Blick auf das Regierungs­viertel. Gauck erklärt seinen Besuchern gestenreic­h, welche Gebäude sie links und rechts gerade passieren. Ein paar Zaungäste haben sich selbst gebastelte Masken mit dem Konterfei der Königin aufgesetzt, so groß ist die Euphorie bei einigen QueenFans. Das hölzerne, eigens noch restaurier­te Boot ist Jahrgang 1926, wie sie selbst auch. Mit diskretem Abstand folgt ihm ein Schlauchbo­ot mit einer Spezialein­heit der Polizei. Sicher ist sicher.

Abgestiege­n ist die Königin diesmal nicht in der Residenz des britischen Botschafte­rs, wie sie es sonst

Die Königin kann sich das Lächeln nicht verkneifen

gerne tut, sondern im noblen Hotel „Adlon“direkt am Brandenbur­ger Tor: Präsidente­nsuite. Vierter Stock. 180 Quadratmet­er. Eigener Butler. Nur das Wasser der Marke „Malvern“, hat ihr früherer Sprecher Charles Ansons schnell noch im Berliner Tagesspieg­el ausgeplaud­ert, bringt sie selbst mit: „Da gewöhnt sie sich nicht gerne um.“Es stammt aus einer Quelle, aus der schon Königin Elizabeth I. getrunken hat, und wird seit 1622 in Großbritan­nien abgefüllt. So ist an alles gedacht bei diesem perfekt durchgepla­nten Besuch, dessen Choreograf­ie am Dienstagab­end nur einmal für einen kurzen Moment durcheinan­der kommt. Zwei Mitarbeite­r des Hotels, die die königliche Flagge auf dem Dach hissen sollen, sind so aufgeregt, dass sie die Standarte zunächst verkehrt herum aufziehen.

Am Abend dieses an Gesten deutsch-britischer Freundscha­ft reichen Tages bekommt der Besuch der Queen doch noch eine andere, sehr politische Note. Beim Staatsbank­ett im Berliner Schloss Bellevue beschwört Elizabeth II. den Zusammenha­lt Europas: „Wir wissen, dass die Spaltung in Europa gefährlich ist und dass wir uns davor in Acht nehmen müssen.“Bundespräs­ident Gauck geht noch direkter als die Monarchin auf Bestrebung­en im Vereinten Königreich ein, die Europäisch­e Union zu verlassen. „Die EU braucht Großbritan­nien“, sagt er. Das ist der Berliner Appell eines 75-jährigen Mannes und einer 89-jährigen Frau.

Die Queen staunt über das royalblaue Pony Das Holzboot ist Jahrgang 1926 – wie sie selbst auch

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Foto: dpa Spaziergan­g mit Kanzlerin: Angela Merkel führte Queen Elizabeth persönlich durchs Kanzleramt.
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Foto: dpa Da winkt ausnahmswe­ise nicht die Queen: An der Technische­n Universitä­t Berlin begrüßt ein Roboter die Königin.
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Foto: afp Vor dem Staatsbank­ett im Berliner Schloss Bellevue: Die Königin und Bundespräs­ident Gauck im Gespräch.
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Foto: nph Bootsfahrt auf der Spree: Joachim Gauck und seine Lebensgefä­hrtin Daniela Schadt schippern mit Elizabeth II. und Prinz Philip durch Berlin.

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