Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ab wann darf mein Kind ins Internet?
Schon Dreijährige surfen im Netz. Viele Eltern sind verunsichert. Dabei spielen sie eine ganz entscheidende Rolle
Besen und Eimer statt Schreibtisch: Die Stadtreinigung in Tübingen hat für Putzarbeiten in der Innenstadt prominente Verstärkung bekommen. Um 6.30 Uhr trat Oberbürgermeister Boris Palmer zum Dienst an. Im Wahlkampf hatten Bürger abgestimmt, welchem „Stresstest“sich der Grüne bei einem Sieg unterziehen sollte. 40 Prozent wollten ihn beim Straßenfegen sehen.
1530 Auf dem Reichstag in Augsburg stellt Philipp Melanchthon die „Confessio Augustana“vor, das Glaubensbekenntnis der lutherischen Protestanten.
1920 Der Deutsche Reichstag wählt den Sozialdemokraten Paul Löbe zu seinem ersten Präsidenten.
1950 Mit dem Überfall der nordkoreanischen Truppen auf den Südteil des Landes beginnt der Korea-Krieg.
2010 Grundsatz-Urteil des Bundesgerichtshofs: Wenn ein Patient lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt, muss die Behandlung eingestellt werden. Aktive Sterbehilfe bleibt verboten. Berlin Die Generation Smartphone verblüfft als erste ihre Eltern, und das oft schon im Kleinkindalter. „Es erstaunt mich sehr, wie die mit diesen Dingern umgehen können“, sagt eine junge Mutter über die digitale Frühreife ihrer drei und fünf Jahre alten Kinder. Die Mutter eines Sechsjährigen wundert sich: „Wischen ist heutzutage wohl angeboren“– also das flotte Navigieren auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm. Diese und viele andere anonym festgehaltenen Eindrücke amüsierter, irritierter, auch besorgter Eltern finden sich in der 150-seitigen U-9-Studie „Kinder in der digitalen Welt“.
Darin weisen das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) und das Sozialforschungsinstitut Sinus nach, wie stark das Internet längst in die Kinder- und Spielzimmer von Drei- bis Achtjährigen in Deutschland vorgedrungen ist. Doch eine Studie hatte Ende 2014 aufgezeigt, dass kindliche Begeisterung fürs Internet nicht automatisch zu digitalen Genies führt: Achtklässler in Deutschland, also 12- bis 13-Jährige, liegen mit ihren Computer-Kompetenzen nur im internationalen Mittelfeld.
Nach der aktuellen Befragung von gut 1000 kleinen Kindern und mehr als 1800 Eltern ist klar, dass Computer, Laptop, Tablet und Smartphone hierzulande bereits vom sprichwörtlichen Dreikäsehoch genutzt werden. Bei Achtjährigen sind Spielen und Lernen am Rechner dann schon mehrheitlich eine Selbstverständlichkeit. 65 Prozent der Eltern sind überzeugt, dass ihre Sprösslinge digitale Kompetenz er- werben müssen – „um nicht von der Gesellschaft abgehängt zu werden“, wie Familienministerin Manuela Schwesig, selbst Mutter eines Achtjährigen, sagt.
Dabei schwanken die Eltern dieser „Digital Natives“zwischen Faszination, Gelassenheit, Vorsicht und Abwehrreflexen. Für zwei Drittel der Mütter und Väter sei ein Internet-Verbot „Mittel der Wahl“, ohne dass dies natürlich komplett kontrollierbar sei, sagt Sinus-Direktorin Silke Borgstedt. Entscheidend dafür, ob Kinder im Netz unterwegs sein dürfen, sei die Nähe der Eltern zur „digitalen Lebenswelt“, also ihre persönliche Einstellung zum Internet. Wichtig für die Kinder sei der Schutz vor Gefahren wie Cybermobbing oder sexuelle Belästigung, „ohne ständig beaufsichtigt zu werden bei jedem Klick“, sagt die Wissenschaftlerin Joanna Schmölz.
Schwesig empfiehlt dazu beispielsweise spezielle Kinder-Suchmaschinen – und feste Regeln für den Internet-Konsum innerhalb der Familie. Freilich lasse mit zunehmendem Alter der Kinder die Möglichkeit der Steuerung nach, räumt die SPD-Politikerin ein. „Digitale Teilhabe wird zur sozialen Teilhabe“, fasst Schmölz eines der Ergebnisse ihrer Studie zusammen. Allerdings entscheide kaum noch der Geldbeutel der Eltern darüber, ob Kinder technischen Zugang zu digitalen Medien und Internet haben. Bei geringem Verdienst würden nicht weniger Geräte angeschafft – soziale Unterschiede zeigten sich anders: „Was früher lediglich die Markenjeans und die Sneakers mit der richtigen Anzahl an Streifen waren, wird heute ergänzt um die jeweils aktuellste Smartphone-Versi- on“. Hinzu kommt, dass schon kleine Kinder von Eltern mit geringerer Bildung am Computer eher auf Unterhaltung aus sind, während der Nachwuchs von Eltern mit höherer Bildung das Internet öfter für Informationssuche und zum Lernen nutzt. Und je bescheidener der elterliche Bildungshintergrund ist, desto weniger engagieren sich Väter und Mütter, um ihre Kinder aktiv in die digitale Welt zu begleiten.
Auch deswegen sieht die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Nadine Schön einigen Nachholbedarf. „Es ist das Recht, aber auch die Pflicht der Eltern, ihre Kinder im digitalen Zeitalter an die Hand zu nehmen. Was noch etwas fehlt, sind gute Schulungsmaßnahmen für diese Eltern“, sagt die CDU-Expertin für Familienpolitik und Digitale Agenda. „Denn viele kapitulieren sehr schnell, wenn sie merken, dass ihre Kinder viel fitter sind am PC und im Internet.“Die 32-jährige Mutter eines erst sieben Monate alten Sohnes dürfte die Digitalisierung im Kinderzimmer schon in wenigen Jahren selbst kennenlernen. ( dpa)
Zwischen Faszination und Abwehrreflexen