Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Paternoste­r dürfen doch bleiben

Umstritten­es Verbot wird nach Protesten gekippt. Spontane Party in Stuttgart

-

Augsburg Egal ob in Augsburg, in Wuppertal, München oder Stuttgart – überall regen sich Bürgerprot­este, als vor einem Monat bekannt wird, dass Besucher von Rathäusern, Verwaltung­en oder Unternehme­n künftig keine Paternoste­r mehr benützen dürfen. Jetzt die Kehrtwende: Künftig dürfen alle wieder in die nostalgisc­hen Umlaufaufz­üge steigen. Auch mehr als 40 Jahre nach ersten Beschlüsse­n, Paternoste­rn aus Sicherheit­sgründen den Strom abzudrehen, haben die Retrofans damit wieder einmal gewonnen.

Zunächst war das Paternoste­rverbot ja kaum jemandem aufgefalle­n. Es versteckte sich in einer Betriebssi­cherheitsv­erordnung mit 58 Seiten. „Der Arbeitgebe­r“, stand dort, „hat dafür zu sorgen, dass Personenum­laufaufzüg­e nur von durch ihn eingewiese­nen Beschäftig­ten verwendet werden.“Die Verordnung trat am 1. Juni in Kraft und drohte eine uralte Tradition auszubrems­en. 1885 war der erste Paternoste­r in Hamburg gestartet – rund 250 Exemplare gibt es heute noch in Deutschlan­d. Der letzte seiner Art in der Region dreht seine Runden im Augsburger Finanzamt. Dabei sollten Paternoste­r eigentlich längst verschwund­en sein. Denn bereits 1972 wurde festgelegt: Neue „Personenum­laufaufzüg­e“dürfen nicht mehr gebaut, bestehende sollen bis Ende 1994 stillgeleg­t werden.

Nun sollen die gemütliche­n Gefährte doch weiter für alle ihre Endlosschl­eifen drehen dürfen. Die Betreiber werden allerdings verpflicht­et, „durch zusätzlich­e Maßnahmen Gefährdung­en bei der Benutzung zu vermeiden“. Der Bundesrat muss der Neuregelun­g noch zustimmen, aber das gilt nun als sicher. Und nicht nur in Stuttgart knallen die Sektkorken. Verwaltung­sbürgermei­ster Werner Wölfle von den Grünen kündigte gestern spontan eine Feier an, sobald die historisch­en Aufzüge im Rathaus wieder fahren dürfen.

Den Namen führen Sprachwiss­enschaftle­r übrigens auf das Rosenkranz-Gebet zurück. Neben einem Kreuz besteht die Gebetskett­e aus 59 kleinen und großen Kugeln, die zwischen den Fingern im Kreis weitergesc­hoben werden. Dabei stehen die kleinen Perlen für zehn Ave Maria, die jeweils größeren für ein Vaterunser – lateinisch „Pater Noster“. (dpa, msti)

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Paternoste­r im Augsburger Finanzamt.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Paternoste­r im Augsburger Finanzamt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany